Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Patienten in der radiologischen Praxis
Immer wieder kommen junge Menschen ohne Begleitung ihrer Eltern in radiologische Praxen. Das stellt die Praxen vor Herausforderungen. Dies betrifft zum einen Untersuchungen, die mit Röntgenstrahlung verbunden sind und zum anderen auch strahlungsfreie Untersuchungen, bei denen beispielsweise eine KM-Gabe erforderlich ist. Da in einem Praxisaustausch eine Orientierung im korrekten Umgang mit dieser Patientenschaft gewünscht wurde, haben wir Rechtsanwältin Gabriele Holz um ihre Einschätzung gebeten. Sie schreibt dazu folgendes:
Zu unterscheiden ist zwischen Geschäftsfähigkeit und Einwilligungsfähigkeit, die juristisch scharf zu trennen, häufig aber miteinander verknüpft sind. Unter sieben Jahren ist jedes Kind geschäftsunfähig, zwischen 7 und 18 Jahren beschränkt geschäftsfähig und über 18 Jahren voll geschäftsfähig.
Die Einwilligungsfähigkeit hängt hingegen von der Einsichtsfähigkeit ab und ist immer eine Einzelfallentscheidung, die der Überprüfung des Einsichtsvermögens und der Urteilskraft durch den behandelnden Arzt bedarf. Eine starre Altersgrenze wie bei der Geschäftsfähigkeit gibt es hier nicht, jedoch wird eine Einwilligungsfähigkeit unter 14 Jahren nur in absoluten Ausnahmefällen gegeben sein. Das bedeutet auch: je schwerwiegender der Eingriff ist, desto höher ist die Altersgrenze zu ziehen. Bei einem MRT mit Kontrastmittel oder bei Anwendung von Röntgenstrahlen ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Jugendlichen gegeben. Ab 14 Jahren wird daher der Jugendliche aufzuklären sein und seine Einwilligung in die Untersuchung ist erforderlich.
Daneben stellt sich die Frage, ob es bei Jugendlichen ab 14 Jahren ausreichend ist, wenn nur der Jugendliche aufgeklärt wird und nur dieser einwilligt. Da dies nur in Ausnahmefällen bei radiologischen Untersuchungen der Fall sein wird (in der Gynäkologie kommt dies durchaus häufig vor), wird man auf das vom BGH entwickelte 3-Stufen-Modell zurückgreifen müssen. Bei Routineuntersuchungen ohne Eingriff in die körperliche Unversehrtheit oder bei nur ganz geringen Eingriffen wie einer Blutentnahme genügt in der Regel die Einwilligung des Jugendlichen bei vorhandener Einsichtsfähigkeit. Bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit wie KM-Gabe, Röntgenuntersuchungen etc. sollte zur Vermeidung eines Haftungsrisikos auf jeden Fall ein Erziehungsberechtigter zustimmen, der versichert, dass der Eingriff auch mit Einverständnis des (nicht anwesenden) Erziehungsberechtigten erfolgt. Bei schwerwiegenden Eingriffen muss von beiden Erziehungsberechtigten (sofern beide das Sorgerecht innehaben) das Einverständnis, notfalls telefonisch, eingeholt werden. Diese Vorgänge sind unbedingt in der Patientenakte zu dokumentieren.
Am Rande: Bei Privatpatienten und Selbstzahlern ist darüber hinaus zu beachten, dass die Untersuchung einen Behandlungsvertrag voraussetzt, für den Geschäftsfähigkeit erforderlich ist. Zwar kann ein Jugendlicher über 7 Jahren, der beschränkt geschäftsfähig ist, selbst einen Behandlungsvertrag abschließen, allerdings ist dieser bis zur Genehmigung durch die Eltern schwebend unwirksam. Bei GKV-Versicherten ist das unkomplizierter, da Jugendliche ab 15 Jahren einen selbständigen Anspruch auf Sozialleistungen haben und im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung einen Behandlungsvertrag wirksam abschließen können.
Fazit der Juristin
Aufgrund der nicht einfachen Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit und der mit dem wirksamen Abschluss eines Behandlungsvertrages verbundenen Implikationen wird aus Gründen der Rechtssicherheit und der Vermeidung einer eventuellen Haftung in zivilrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht empfohlen, MRT- Untersuchungen mit KM oder Untersuchungen mit Strahlenbelastung nur mit Zustimmung von mindestens einem Elternteil durchzuführen.


