Onboarding ist mehr als „Willkommen im Team“
Rund ein Drittel der Fachkräfte verlässt das Unternehmen bereits im ersten Arbeitsjahr. So wird laut einer Studie von Haufe als häufigster Grund die Diskrepanz zwischen den im Bewerbungsprozess kommunizierten Jobinhalten und der Realität im Job genannt. Wussten Sie aber auch, dass 30 % ihr gerade erst abgeschlossenes Anstellungsverhältnis noch vor dem ersten Arbeitstag kündigen (Quelle: stepstone-Studie 2019)? Mit dem unterschriebenen Arbeitsvertrag sollte daher schon der Onboarding-Prozess beginnen. Viele Fragen können den Bewerbern auch nach Unterschrift noch durch den Kopf gehen und sie verunsichern. Ein Beziehungsaufbau mit einer Ansprechperson in der Praxis kann hier sehr hilfreich sein.
Als Onboarding bezeichnet man den Prozess vom Abschluss des Arbeitsvertrags bis zur gelungenen Integration neuer Mitarbeiter in die Praxis. Dieser sollte wohl durchdacht sein und aktiv gestaltet werden. Ziel ist es dabei, den oder die Neue(n) fachlich und menschlich „an Bord zu holen“ und damit fest ins Team einzubinden. In der Industrie sind Onboarding-Programme bereits gang und gäbe. Aber auch Krankenhausketten beschäftigen sich zunehmend damit und stellen Personaler für die Aufgabe des Onboardings ab. Bei Ärzten reicht das schon mal bis zur Unterstützung bei der Wohnungssuche und dem Kita-Platz für den Nachwuchs. Der Aufwand des Onboardings ist natürlich von der (mittelfristigen) Verfügbarkeit der Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt abhängig.
Betreuung auf zwei Ebenen
Onboarding beinhaltet zwei Komponenten. Zunächst sollen neue Mitarbeiter freundlich und wertschätzend willkommen geheißen werden. Dazu gehört es auch, dass ihr erster Tag nicht dem Zufall überlassen, sondern gestaltet wird. Ein Willkommensgruß kann vom korrekten Namensschild über einen kleinen Blumenstrauß bis zu einem Infopaket inklusive Übersicht über die Ansprechpartner in der Praxis, notwendigen Logins und Schlüsseln etc. reichen. Ganz wichtig sind zudem eine geplante Vorstellungsrunde und eine erste Ansprechperson, die auch für die nächsten Tage/Wochen als „Pate“ oder „Mentor“ zur Verfügung steht.
Die zweite Ebene der Einarbeitung dient dazu, neue Mitarbeiter schnell zum funktionierenden Teammitglied im Sinne einer vollen Arbeitskraft zu machen. Hier führt der Weg von der konkreten Aufgabenbeschreibung über detaillierte Einarbeitungspläne mit Lernzielen, Ansprechpartnern und geplanten Feedbackrunden. Am Anfang ist alles neu, und Checklisten und Pläne helfen, die Abläufe und Routinen der Praxis zu verinnerlichen, ohne bei jeder Frage Kollegen ansprechen zu müssen. Glücklich die Praxen, die über ein funktionierendes Intranet oder zentrales Laufwerk verfügen, in dem die Neuen sich über Abläufe orientieren können. Übrigens kann man das Feedback der Neuen auch dazu nutzen, die eigenen Prozesse zu optimieren. Ein externer, noch nicht betriebsblinder Blick kann Anregungen liefern.
Natürlich hat jede Praxis eine eigene bestimmte Konstellation. Diese exemplarische Onboarding-Checkliste muss individuell ausgestaltet werden:
- Einrichtung des Arbeitsplatzes (Sitzplatz, Rechner, E-Mail-Adressen, Zugangsdaten, Ausweise, Schlüssel, …)
- Einarbeitungsplan inkl. Zuständigkeiten
- Informationen und Anwenderhinweise zu speziellen, in der Praxis genutzten Geräten
- Zusammenstellung relevanter Praxisinformationen (Organigramm, Leitlinien, Kontaktpersonen, Lageplan, …)
- Strukturen und Formalitäten (Arbeitszeiterfassung, Dienstplanung, Urlaubsbeantragung, Vertretungsregeln, Überstunden, …)
Tatsächlich gibt es inzwischen Arbeitgeber im Gesundheitsbereich, die künftigen Mitarbeitenden ein Willkommenspaket vor dem ersten Arbeitstag zusenden mit der Intention, Vorfreude auszulösen und eventuelle Zweifel zu reduzieren. Ideen für den Inhalt sind beispielsweise:
- Ein Teamfoto, sodass das neue Mitglied die Kolleginnen und Kollegen bereits „kennenlernt“
- Der Einarbeitungsplan und einige Broschüren oder Hinweise zu den genutzten Geräten
- Give-aways, sofern vorhanden, z.B. Kugelschreiber mit Praxis-Logo oder was zum Naschen, vielleicht sogar was Regionales (z.B. Nürnberger Lebkuchen)
- Falls Sie Arbeitskleidung bereitstellen, kann diese bereits beflockt beigelegt werden.
- Bei Zuzug aus einer anderen Stadt sind Informationen zur neuen Heimat ein gutes Willkommensgeschenk, z.B. ein kleiner Stadtführer oder ein Veranstaltungs- bzw. Stadtplan.
Gut ankommen und motiviertes Teammitglied werden!
Durch ein Mentoring- oder Paten-Programm wird neuen Mitarbeitenden eine Person zur Seite gestellt, die sich sehr mit der Praxis verbunden fühlt, alle Vorgehensweisen kennt und ein offenes Wesen hat. Diese Kontaktperson ist während der Einarbeitungszeit die erste Anlaufstelle für Fragen. Er oder sie übernimmt die Einführung in die Abläufe, Geräte oder kann auf zuständige Kolleginnen und Kollegen verweisen. Das kann eine junge Teamkollegin oder -kollege sein, die oder der selbst erst eine Neue war und sich gut in die Situation hineinversetzen kann. Das kann aber auch ein „alter Hase“ sein, der oder die sich bestens auskennt und die eine oder andere Anekdote aus der Praxisgeschichte parat hat. Auf jeden Fall sollte es ein Menschenfreund sein, welcher offen für eine solche Funktion ist und sich um die Sorgen neuer Mitarbeitenden (z.B. die Angst vor Überforderung) gerne kümmert. Ziel ist es, den oder die Neue langfristig gut im Team zu verankern – das betrifft sowohl die soziale als auch die arbeitseffiziente Komponente.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es immer noch Praxen gibt, die erfolgreich onboarden ohne Onboarding-Prozess, die also Mitarbeiter gleich „ins kalte Wasser“ werfen und sich freischwimmen lassen. Je nach Persönlichkeit des Mitarbeiters empfindet sie oder er Stolz und Genugtuung, wenn man das gut hinbekommt und sich den eigenen Weg in der Praxis bahnt. Das liegt dann aber sehr an der Persönlichkeit des Einzelnen und birgt für die Praxis erstens ein höheres Absprungrisiko und zweitens höhere Kosten durch anfängliche Ineffizienz, da das „Freischwimmen“ dauert und Trial-and-Error-Phasen beinhaltet. Oder es gibt Praxen, die „Schlagzahl vom ersten Tag an“ fordern, um zu sehen, ob der oder die Neue in ihrer arbeitsintensiven Praxiskultur überhaupt richtig ist. Das kann man alles so machen, es könnte aber auf Dauer weniger gut funktionieren, da sich der Arbeitsmarkt immer weiter in die Richtung bewegt, dass sich eine Praxis bei potenziellen Kräften „bewirbt“ statt wie früher umgekehrt.
Fazit: Onboarding-Konzepte können dabei helfen, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter strukturiert und persönlich willkommen zu heißen, sodass sie sich schnell zurechtfinden und einarbeiten und gerne ein Teil des Praxisteams werden. Das Onboarding ist dabei Teil eines umfassenden Employer-Branding-Ansatzes, der für viele Praxen immer relevanter wird.
Wie Sie bestmöglich eine Stellenanzeige verfassen lesen Sie in unserem Beitrag: Die Stellenanzeige – wichtiger Baustein auf der Suche nach Fachkräften
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Eva Jugel