Leitbild, Geschäftsordnung und Geschäftsplan: Praxisführung in der konsolidierten ambulanten Radiologie

Die niedergelassene Radiologie in Deutschland hat sich dem steigenden Reform- und Budgetdruck erfolgreich gestellt und angepasst. Die meisten Praxen sind konsolidiert und gewachsen oder mit anderen Praxen verschmolzen. Das diagnostische und therapeutische Angebot ist komplett, die Kosten weitgehend unter Kontrolle. Allerdings bringen die Konsolidierungs- und Wachstumsprozesse auch neue Herausforderungen sowohl für die Praxisführung als auch für die Praxiskultur mit sich.

In einer Klein- oder Einzelpraxis kann und muss der Radiologe noch alle Funktionen als Eigentümer, als Manager und als Leistungserbringer in einer Person vereinen. In großen Praxen mit zweistelligen Millionenumsätzen ist eine arbeitsteilige, klar definierte Organisation zwingend, wenn das inzwischen mittelständische Unternehmen Radiologiepraxis noch funktionieren soll.

Das operative Management erledigen erfahrene MTRA oder spezialisierte Praxismanager, der persönliche Kontakt zu den Mitarbeitern wandelt sich in ein distanzierteres Arbeitgeber-/ Angestelltenverhältnis, Praxisangelegenheiten werden nicht mehr bei Gelegenheit im Arztzimmer, sondern im Rahmen von Gesellschafterversammlungen im Konferenzraum der Praxis geklärt. Mit dem Wachstum ergibt sich fast automatisch auch eine Aufteilung der Führungsaufgaben unter den Gesellschaftern, einhergehend mit der nötigen Spezialisierung auf das jeweilige – zum Teil neu entstandene – betriebswirtschaftliche Aufgabenfeld. Äußeres Zeichen dieser Entwicklung ist der deutliche Trend weg von der arztbezogenen Personengesellschaft hin zur Kapitalgesellschaft, meist einer GmbH. Denn komplexer gewordene Gesellschafterverhältnisse, hohe Investitionen und damit verbundene Risiken erfordern klare gesellschaftsrechtliche Verhältnisse.

„Nichts ist schwerer als Wachstum“, lautet eine Binsenweisheit zur Unternehmensentwicklung. Der Weg vom überschaubaren, alleine per Bauchgefühl gesteuerten Kleinbetrieb zum strategisch geführten, stark arbeitsteiligen Unternehmen ist nirgendwo einfach, auch in der „normalen“ Wirtschaft nicht. Für Mediziner ist dieser Spagat jedoch besonders schwierig, weil Ärzte primär ihrer Rolle als Leistungserbringer verpflichtet sind und sich erst dann betriebswirtschaftlichen Aufgaben widmen können.

Deshalb mag es kaum wundern, dass die interne Organisation vieler Praxen mit dem rasanten Wachstum nicht Schritt hält. Als typische Wachstumsschmerzen sind eskalierende Konflikte gerade in den erfolgreichen Praxen zu beobachten. Sei es zwischen den Ärzten, den Gesellschaftern oder den Mitarbeitern. Mal werden Informationsdefizite, mal unterschiedliche oder vermeintlich unberücksichtigte Interessen oder auch persönliche Divergenzen als Gründe angeführt. Die eigentliche Ursache solcher Konflikte liegt jedoch meist in der nicht mitgewachsenen, inneren Organisation der Praxis und fehlendem Konsens über die Grundwerte unter den neuen Bedingungen.

Hier kann ein Leitbild helfen, ein neues Selbstverständnis zu entwickeln. Denn eine gemeinsam geschaffene Wertebasis gibt für alle Beteiligten erste, grundlegende Anhaltspunkte von „richtig“ und „falsch“ für Entscheidungen in der Praxis. Die Partner legen ihre Vorstellungen zu Fragen wie Praxisführung, Wachstum und Patientenversorgung offen und verständigen sich auf die Ausrichtung der Praxis. Dabei stellen sich drei wesentliche Fragen:

  1. Wo kommen wir her? (Basis, Historie)
  2. Wofür stehen wir? (Vision, Selbstverständnis)
  3. Was wollen wir erreichen? (Mission/Ziele)

Am Anfang steht eine kritische Selbstbetrachtung. Wer sind wir? Wie ist unser Erscheinungsbild, unser Ruf, wie werden wir draußen wahrgenommen? Welche Fähigkeiten haben wir und welches Spektrum bieten wir im Wettbewerb an? Sind wir eher risikobereit oder eher nicht? Wo liegen unsere Stärken und Schwächen? Je konkreter diese Fragen im Leitbild beantwortet werden, desto klarer zeichnet sich die gemeinsame Ausrichtung der Partner ab. Insofern gehören unbedingt auch Angaben zu Leistungsangebot, Qualität, Kommunikation, Qualifikation und Compliance in das Leitbild.

Um eine Praxis mit mehreren Partnern erfolgreich zu managen, bedarf es jedoch auch klarer Organisationsstrukturen. Dazu dient neben dem Leitbild die Geschäftsordnung als zweite Säule der Praxisführung. Oft sind die Regelungen in den Gesellschafterverträgen nicht ausreichend, um klare Handlungsanweisungen bei kritischen Situationen wie Ein- und Ausstieg von Partnern oder bei Konflikten unter den Gesellschaftern geben zu können. Wer ist wofür in welchem Umfang zuständig? Wie werden Investitionsentscheidungen getroffen? Gibt es ein Vetorecht, welche Entscheidungen müssen einstimmig getroffen werden? Wann und wie häufig trifft man sich, gibt es eine Agenda, ein Ergebnisprotokoll und eine Umsetzungsprüfung? Je größer eine Praxis ist, umso mehr müssen solche Punkte festgelegt und geregelt werden. Aber auch bei nur zwei oder drei Partnern hilft eine – in guten Zeiten gemeinsam verabschiedete – Geschäftsordnung, im Konfliktfall Regelungen zu finden, die alle Partner akzeptieren können.

Die dritte Säule der Praxisführung ist schließlich der Geschäftsplan. Dieser dient der strategischen und

operativen Planung der Praxisaktivitäten. Gleichzeitig ist er Grundlage für die internen Zielvereinbarungen und Kommunikationsmittel gegenüber Kapitalgebern wie etwa Banken. Im Geschäftsplan werden zunächst die strategischen Ziele festgelegt. Dabei werden äußere Einflussfaktoren wie Markt- und Wettbewerbsbedingungen, anstehende GOÄ-Reformen oder Krankenhauskooperationen, aber auch interne Gegebenheiten wie Produktivität der Modalitäten je Arbeitsstunde, Patientenvorbereitungs- und Gerätelaufzeiten, Anteil Privatpatienten etc. berücksichtigt. Aus den Praxiszielen werden dann die konkreten operativen Maßnahmen abgeleitet und fixiert. Als Teil der Geschäftsplanung kommt der Finanz- und Investitionsplanung eine besondere Bedeutung zu. Darin werden die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen (Kosten) abgeschätzt und den erwarteten Umsatzerlösen gegenübergestellt, also die Wirtschaftlichkeit der Praxis abgebildet.

Zugegeben: Die Erstellung eines – vorausschauenden – Geschäftsplanes für die Praxis ist mit Aufwand verbunden. Dieser scheint jedoch vertretbar, weil das Ad hoc-Management des Praxisbetriebes bei fehlender Planung weit aufwändiger und zudem konfliktbeladener ist!

Fazit Die Konsolidierung in der ambulanten Radiologie erfordert neue, stark arbeitsteilige Organisationsstrukturen in den Praxen. Diese müssen gesteuert und koordiniert werden, um reibungslose Arbeitsabläufe zu gewährleisten und interne Konflikte zu vermeiden. Ein stimmiges Leitbild, eine klare Geschäftsordnung und ein detaillierter Geschäftsplan helfen, interne Organisationsdefizite in den Praxen zu beheben. Die drei Säulen der Praxisführung bilden damit die Grundlage für eine erfolgreiche Praxisführung im Team.

Ihr Ansprechpartner:

Dr. Michael Kreft

mikcuragita.com

 

Zum Weiterlesen und Umsetzen

Die strukturierte Praxisführung anhand von Leitbild, Geschäftsordnung und Geschäftsplan ist im „Handbuch zur Führung von Radiologiepraxen“ ausführlich beschrieben (u.a. S. 64ff., und 213ff.). Dort findet sich auch die Mustervorlage für eine MVZ-Geschäftsordnung (S. 276ff.). Das Thema wurde bereits mehrfach in den Vollversammlungen vorgestellt und auch bei Patenterminen regelmäßig angesprochen. Konkrete Beispiele für eine erfolgreiche Anwendung dieser Management-Tools sind die MVZ der DeRaG (Conradia Hamburg und Diagnostik München). Das Curagita-Beratungsteam kann Sie bei der Umsetzung in Ihrer Praxis unterstützen.