Kontrovers diskutiert: die Konsiliarpauschale
Die Abrechnungsbestimmung im EBM zu den Gebührenordnungspositionen (GOP) 24210-24212 lautet:
Konsiliarpauschale
Obligater Leistungsinhalt
• Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt
• Überprüfung der vorliegenden Indikation
Fakultativer Leistungsinhalt
• Veranlassung und Durchführung der radiologischen Untersuchung(en) • Interpretation
• In Anhang 1 EBM aufgeführte Leistungen Abrechnungsbestimmung: einmal im Behandlungsfall
Daraus ergeben sich zwei Fragen:
Wie ist der Begriff „persönlicher Arzt-Patienten- Kontakt“ definiert?
In den „Allgemeinen Bestimmungen“ des EBM regelt Nr. 4.3.1: „Ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt setzt die räumliche und zeitgleiche Anwesenheit von Arzt und Patient und die direkte Interaktion derselben voraus.“ Aus dem Wortlaut wird deutlich, dass die bloße Beschäftigung des Arztes mit der Patientenakte auch bei Anwesenheit des Patienten in der Praxis nicht ausreichend ist, den Leistungsinhalt der GOP 24210-24212 EBM vollständig zu erfüllen. Beide, Patient und Arzt, müssen sich Auge-in-Auge gegenüberstehen und bezogen auf die in Rede stehende Untersuchung des Patienten kommunizieren.
Ist die Abrechnung der Konsiliarpauschale im Zusammenhang mit radiologischen Untersuchungen zwingend notwendig, um alle Abrechnungsvoraussetzungen zu erfüllen?
Hierzu sagt Nr. 1 der Präambel zum Abschnitt 34 des EBM: „Die Gebührenordnungspositionen dieses Kapitels sind nur dann berechnungsfähig, wenn ihre Durchführung nach Maßgabe der Strahlenschutzverordnung, Röntgenverordnung und des Medizinproduktegesetzes sowie der jeweiligen Qualitätsbeurteilungsrichtlinien für die Kernspintomographie bzw. für die radiologische Diagnostik gemäß § 136 SGB V i.V.m. § 92 Abs. 1 SGB V erfolgt.“
Kann die KV nachträglich Abrechnungspositionen mit der Begründung streichen, dass nicht alle obligatorischen Schritte zur Vollständigkeit der Leistung erbracht wurden? Hierzu könnte der persönliche Kontakt mit dem Patienten im Zusammenhang mit der rechtfertigenden Indikation zwingend gehören.
§ 83 Abs. 3 S. 5 StrlSchG besagt: „Die rechtfertigende Indikation darf nur gestellt werden, wenn der Arzt oder Zahnarzt, der die Indikation stellt, die Person, an der ionisierende Strahlung oder radioaktive Stoffe angewendet werden, vor Ort persönlich untersuchen kann (Hervorhebung durch den Autor), es sei denn, es liegt ein Fall der Teleradiologie nach § 14 Absatz 2 vor.“
„Kann“ ist nicht „soll“ oder „muss“. Damit ist nach der Rechtsauffassung des Verfassers gesagt, dass die Stellung der RI auch nach Aktenlage erfolgen kann.
Steinhäuser1 führt dazu aus: „Die Formulierung „kann“ in dem Wortlaut der Regelung bedeutet, dass die persönliche Untersuchung des Patienten in der Praxis möglich sein musste, sie musste aber tatsächlich nicht erfolgen, sofern keine medizinischen oder Strahlenschutz relevanten Fragen mehr für die Stellung der rechtfertigenden Indikation zu beantworten waren.“
und weiter: „Geblieben ist somit die individuelle Stellung der rechtfertigenden Indikation vor der Untersuchung. Der Radiologe muss sich daher vor der Durchführung der Untersuchung mit dem Patienten oder genauer jedenfalls mit dessen Patientenakte einschließlich der Überweisung befassen. Dagegen ist das Erfordernis in der Strahlenschutzverordnung nicht enthalten, dass die rechtfertigende Indikation nur gestellt werden darf, wenn der Radiologe den Patienten vor Ort, also in der Praxis, persönlich untersuchen könnte.“
sowie: „Daher besteht für eine etwaige Forderung aufgrund der Strahlenschutzverordnung, nach der der Radiologe, hier konkret als Strahlenschutzverantwortlicher, diese Information persönlich und in einem Gespräch dem Patienten übermitteln müsste, keine Grundlage.“
§ 119 Abs. 3 StrlSchV regelt:
„Der die rechtfertigende Indikation stellende Arzt oder Zahnarzt hat vor der Anwendung, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit dem überweisenden Arzt oder Zahnarzt, die verfügbaren Informationen über bisherige medizinische Erkenntnisse heranzuziehen, um jede unnötige Exposition zu vermeiden. Zu diesem Zweck ist die zu untersuchende oder zu behandelnde Person über frühere Anwendungen ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe, die für die vorgesehene Anwendung von Bedeutung sein können, zu befragen.“
Das „Befragen“ des Patienten geschieht schriftlich durch Anamnesebögen, die dem Radiologen ausgefüllt bei Stellung der RI vorliegen. Nirgends ist davon die Rede, dass die Befragung „persönlich“ stattzufinden hat. Hierzu sei ein weiterer Artikel von Steinhäuser aus der RöFo2 empfohlen. Die ebenfalls in der Präambel aufgeführten Qualitätsbeurteilungsrichtlinien enthalten keine Aussage zu Arzt-Patienten-Kontakten. Dem Verfasser ist aus seiner beruflichen Tätigkeit in den letzten 25 Jahren kein Fall bekannt, bei dem diagnostische Leistungen durch die KV korrigiert wurden, weil keine Konsiliarpauschale abgerechnet wurde.
Fazit
Die Konsiliarpauschale kann nur abgerechnet werden, wenn der Radiologe/Nuklearmedizinier anlässlich der Untersuchungen in der Praxis tatsächlich mit dem Patienten gesprochen hat. Dabei gibt es weder zeitliche noch inhaltliche Vorgaben.
Zur korrekten Abrechnung der diagnostischen GOP ist es nicht in jedem Fall erforderlich, dass ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattfindet
Disclaimer: Diese Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar. Sie beruhen auf langjähriger persönlicher Erfahrung und Interpretation von Rechtsvorschriften und stellen die Rechtsauffassung bzw. Meinung des Autors dar. Der Verfasser ist kein Jurist. Für Rechtsberatung sind nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz ausschließlich Angehörige der rechtsberatenden Berufe – insbesondere Rechtsanwälte – zuständig. Gegebenenfalls können Sie bei einem Medizinrechtler ein entsprechendes Guthaben in Auftrag geben.
1 René T. Steinhäuser (RöFo Beitrag 09/2020) „Strafrechtliche Rechtsprechung zur Stellung der rechtfertigenden Indikation mit einer Anmerkung zum Abrechnungsbetrug“; http://www.radiologie-und-recht.de/images/archiv/2020/Radiologie.und.Recht.09.2020.pdf
2 René T. Steinhäuser (RöFo Beitrag 04/2022), Die Rechtfertigende Indikation nach dem geändertem Strahlenschutzrecht; http://www.radiologie-und-recht.de/images/archiv/2022/Radiologie.und.Recht.04.2022.pdf
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