Gerechtes Radiologiehonorar – Determinanten, Anforderungen und Vorschläge

Im April haben sich knapp 20 niedergelassene Radiolog:innen1, allesamt Mitglieder des Radiologienetz, zusammengesetzt und über eine „gerechte“ Radiologievergütung gesprochen. Dies vor dem ­Hintergrund der aktuell diskutierten GOÄ-Reform, die große negative Auswirkungen für die Ver­gütungssituation radiologischer Leistungen haben könnte. Mit einem Thesenpapier wollen die Vergütungsexperten im Radiologienetz zur faktenbasierten Klärung der Ausgangssituation und möglicher Honorarverbesserungsvorschläge auch jenseits des Lobbyings zur GOÄneu beitragen.

Vorab: Das Thesenpapier ist kein offiziell verabschiedetes Papier des Radiologienetz und es ist auch nicht dafür gedacht, eigene Wege zu beschreiten. Das Papier ist vielmehr Ausdruck des Wunsches der Mitglieder des Radiologienetz, den BDR und die DRG beim aktuellen und zukünftigen Honorarlobbying konstruktiv, argumentativ und insbesondere mit der eigenen Kernkompetenz der evidenzbasierten Zahlensimulation zu unterstützen. Das Papier ist zu umfangreich, um im Rahmen des CuraCompact vollständig abgedruckt zu werden. Wir greifen daher einige Kapitel heraus und stellen das Gesamtpapier im Loginbereich von Radiologienetz (pro.radiologie.de) zum Download für interessierte Mitglieder zur Verfügung. Darin finden sich auch die vollständige Gliederung und ein umfängliches Quellenverzeichnis.

Zusammenfassung des Thesenpapiers

Die gemäß EBM vergütete, defizitäre Kassenradiologie konnte jahrelang durch die GOÄ-Honorare für Privatpatienten ausgeglichen werden. Dabei handelt es sich um gleiche Leistungen mit einer bis zu fünfmal höheren Vergütung. Diese Quersubventionierung wird nun mit der geplanten GOÄ-Novellierung, die einen durchschnittlichen Rückgang der PKV-Vergütung um (-)29 % vorsieht, so eingeschränkt, dass die durchschnittliche Radiologiepraxis insgesamt Verluste machen wird (vgl. Finanzsimulationen im Thesenpapier in Kapitel 3.1.1). Daher ist zu fragen, wie ein insgesamt gerechtes (Kassen-)Radiologenhonorar aussehen kann, das zumindest die Kosten der Praxen deckt und zudem zukunftsfähig ist im Hinblick auf das immer knapper werdende Radiologieangebot bei weiter steigender Nachfrage nach Radiologie (vgl. Radiologie 2030). Nach einer Diskussion der Determinanten von radiologischer Vergütung und den Anforderungen an eine „gerechte“ Vergütung werden aufgrund der Unzulänglichkeiten bisheriger und auch alternativer Vergütungssysteme drei Vorschläge zur Verbesserung unterbreitet:
 

  • Schaffung von Transparenz als Voraussetzung für die evidenzbasierte Forderung nach einer Anpassung des Honorarkatalogs und zur argumentativ überzeugenden Kommunikation, insbesondere gegenüber Destatis, die den Radiologen regelmäßig, aber fälschlich als „Arzteinkommensgewinner“ darstellen, was den Forderungen der Radiologen stets entgegengehalten wird,
     
  • Forderung nach Aktualisierung des Radiologiekapitels des über 20 Jahre alten EBM und einer Reform der Mengenbegrenzung bis hin zur Entbudgetierung,
     
  • Untersuchung der Einsparung durch Zuweisungsoptimierung mit Hilfe eines Konzepts zur qualitätsgesicherten und indikationsbasierten Zuweisung („QUIZ“).

 

Wir gehen davon aus, dass der Wunsch nach mehr Geld für die ambulante Radiologie nicht befriedigt werden wird. Die Überarbeitung des EBM führt jedoch zu einer Erhöhung der Radiologenvergütung. Damit der Vorschlag durchsetzbar wird, kann diese Erhöhung aus den Einsparungen durch „QUIZ“ finanziert werden. Voraussetzung einer Verbesserung ist dabei, dass die Radiolog:innen die von ihnen gehobenen Einsparungen nachhaltig im Budget behalten dürfen.

Daneben werden weitere Vorschläge zur Hebung von Reserven in der selbstzuweisenden Teilgebietsradiologie, in der Krankenhausradiologie sowie bei KI-Einsatz und infolge der Förderung von Digitalisierung und Entbürokratisierung untersucht. Für die Zukunft wird für den systematischen Einbezug des gesundheitsökonomischen Nutzens in die Honorierung radiologischer Leistungen plädiert.

Voraussetzung der Umsetzung dieser Vorschläge sind ein Konsens in der innerradiologischen Berufspolitik (BDR, DRG), die Durchsetzbarkeit bei Kostenträgern und im innerärztlichen Verteilungskampf sowie die Finanzierbarkeit der Vorschläge aus den gehobenen Einsparreserven.

GOÄneu wird die GKV-Quersub­­ventionierung beenden

Die deutschen Radiologen werden über verschiedene, nicht kompatible und regional unterschiedliche Vergütungssysteme (u.a. GOÄ, UV-GOÄ, EBM, DRG, OPS) im Zusammenspiel mit mengenbegrenzenden Budgetierungen durch die regionalen Honorarverteilungsmaßstäbe (QZV, RLV u.a.) vergütet. Sie alle werden in einer insgesamt inhaltsarmen Diskussion als weder leistungs- noch aufwandsgerecht empfunden. Dabei konnten die vermeintlichen Fehler und Fehlwirkungen der defizitären Kassenradiologie (EBM) bisher durch in der Radiologie weitaus höhere GOÄ-Vergütungen für gleiche Leistungen (bis zum Fünffachen) bei Privatpatienten ausgeglichen werden (vgl. Radiologienetz-Gutachten von Neubauer/Minartz 2012). Daher hielt sich der Widerstand in Grenzen. Diese auch durch die Rechtsprechung legitimierte Quersubventionierung wird nun mit der GOÄ-Novellierung vom September 2024, die einen durchschnittlichen Rückgang der Vergütung um (-)29% vorsieht, so eingeschränkt, dass die durchschnittliche Radiologiepraxis insgesamt Verluste machen wird. Dies zeigen die Zahlensimulationen der Curagita. Ursache dieser Verluste ist aber nicht die Kostenunterdeckung im Privatbereich durch eine neue GOÄ, sondern das Fehlen ausreichender Mittel zur Quersubventionierung einer defizitären Kassenradiologie. Die Vergütung der Kassenradiologie steht hingegen derzeit nicht zur Debatte, ist aber Anlass der Besorgnis. Daher ist zu fragen, wie ein insgesamt faires und gerechtes Honorar für die Kassenradiologie nach § 87 Abs. 2 SGB V aussehen kann, das trotz zukünftig gekürzter GOÄ-Honorare zumindest die Kosten deckt und zudem zukunftsfähig ist im Hinblick auf das immer knapper werdende Radiologieangebot bei weiter steigender Nachfrage nach Radiologie (vgl. Radiologie 2030, 2024).

Simulation des Einnahmenrückgangs infolge GOÄneu

Bereits im CuraCompact Magazin vom Herbst 24 verwiesen wir in dem Beitrag „Geplante GOÄ macht Quersubventionierung des EBM zunichte“ auf die finanziellen Auswirkungen der geplanten GOÄ-Novellierung auf die Praxisgewinne. Die darin dargestellten Simulationen wurden weiter aktualisiert und sind im neu ausgearbeiteten Thesenpapier enthalten. Inzwischen steht ein konkretes Simulationstool zur Darstellung des Einnahmerückgangs infolge GOÄneu anhand der 20 häufigsten Untersuchungen für die Radiologienetz-Mitglieder auf  pro.radiologie.de zur Verfügung.

Hier wurden die nach Ansicht von ausgewählten Mitgliedspraxen und nach Check durch unsere Abrechnungsexperten bekräftigten 20 häufigsten GOÄ-Untersuchungen (MRT, CT) und der Anfall im Hinblick auf die Einnahmen unter GOÄneu untersucht. Diese Simulation können die Mitgliedspraxen in einem eigenen interaktiven Tool auf www.pro.radiologie.de für sich selbst, also für ihr eigenes Leistungsspektrum und für ihre eigenen Steigerungsfaktoren, durchführen. Das Tool macht die Einnahmenrückgänge deutlich und klarer. Dabei hängen die Verluste sowohl vom Leistungsspektrum als auch von den gewählten Steigerungsfaktoren ab. Während im Beispiel bei einer bisherigen durchschnittlichen Steigerung von 1,8 der Einnahmenrückgang bzgl. der 20 häufigsten Untersuchungen insgesamt 19,6 % beträgt, beläuft er sich bei einer Steigerung von 2,3 auf 33,2 %. Dies zeigen Tabellen wie die folgende:

Anforderungen an ein gerechtes Radiologiehonorar

Ein gerechtes Radiologiehonorar sollte mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

  • sachlich korrekt und vollständig, alle Leistungen abbildend
  • verursachungs-, aufwands- bzw. kostengerecht, evidenzbasiert mit realistischen, aktuellen, repräsentativen, validen Daten; prospektiv planbar für längerfristige Investitionen, Budgets
  • qualifikationsbezogen in Bezug Facharztausbildung, Fortbildungen, (Re-)Zertifizierungen, CME
  • nutzenoptimierend für den Kostenträger bzw. den Patienten und ergebnisbezogen, wobei beides mangels einschlägiger Studien kaum nachweisbar sein wird
  • veranlasserbezogen, denn der Radiologe ist als Sekundärarzt zuweisungsgebunden, ob mit Ziel- oder Abklärungs-, Weiterbehandlungsauftrag, und muss die Zuführung zur Radiologie zumindest mit beeinflussen können, weil er bei den Mengenbudgets das Morbiditätsrisiko trägt
  • innovationsorientiert, denn kein Fachgebiet versorgt so innovativ in Bezug auf Geräte, IT und KI
  • ganzheitlich, sektorübergreifend für die gleichen Untersuchungen
  • möglichst unbürokratisch und einfach in die derzeitigen EDV- bzw. RIS-Systeme integrierbar.


Daneben müssen Vorschläge zum Radiologiehonorar politisch im Gesundheitswesen bei Kostenträgern und im innerärztlichen Verteilungskampf durchsetzbar sein. Voraussetzung dafür ist, dass sie von Kassen und Versicherungen finanzierbar sind. Die Erwartung von Radiologen an einen neuen Honorarkatalog kann angesichts der Realitäten nicht sein, dass mehr Geld bei den Radiologen ankommt. Jeder neue Honorarkatalog muss finanzierbar und mangels zusätzlicher Mittel insofern aus Einsparungen finanziert sein. Dazu müsste die Unterstützung durch KVen bzw. Kostenträger kommen, weil Einsparungen kaum von den unterrepräsentierten Radiolog:innen ggü. Zuweisern und Patienten durchzusetzen sein werden. Schließlich darf ein Zuwachs von Radiologenhonorar nicht derart zulasten der Zuweiser gehen, da diese das sonst im innerärztlichen Verteilungskampf blockieren oder sogar Gegenmaßnahmen einleiten würden. Weiterhin ist ein innerradiologischer Honorar-Verteilungsdissenz zwischen Krankenhaus-, iMVZ- und niedergelassenen Radiologen im Interesse des Fachgebiets zu vermeiden. Zuletzt sei darauf hingewiesen, dass der für die Praxisfinanzierung und die Radiologen-Altersversorgung wichtige Praxiswert im Verhältnis zum Praxishonorar steht (vgl. Schmidt-Tophoff/Stegemann 2023).

Unzulänglichkeiten des heutigen EBM

Da der novellierte GOÄ-Katalog noch im Clearing ist und nicht vor dem Ärztetag Ende Mai 2025 vorliegen wird, konzentriert sich die folgende Analyse auf die Unzulänglichkeiten des aktuellen EBM, der als EBM2000plus aus dem Jahr 2005 stammt und 2008 grundlegend neugestaltet wurde.

Zum Verständnis des EBM ist es wichtig, seine Entstehung und seine Struktur zu verstehen, die auf den Tarmed-Katalog aus der Schweiz zurückgehen, der zwischenzeitlich bereits mehrfach geändert wurde.

Die Erläuterung des EBM würde den Umfang dieses Thesenpapiers sprengen. Daher sei hierzu auf IGES Institut 2010 (insb. S. 9–45) und den aktuellen EBM-Katalog selbst (vgl. KBV 2025) verwiesen. Zur Erinnerung seien folgende zwei Abbildungen erwähnt:

Der EBM von 2008 und das zugrundeliegende Kalkulationssystem (STABS, Standard-Bewertungssystem) hat aus Sicht von IGES Institut 2010 (S. 75-76) zusammenfassend folgende Mängel:
 

  • Kaum erklärbare Diskrepanz zwischen dem späteren kalkulatorischen Punktwert von 3,5 Cent (2009) und dem im neuen EBMplus zugrundeliegenden Orientierungswert von 5,11 Cent (10 Pf), die eine Vergütungslücke von damals 13,6 Mrd. € hinterließ. Zwar wurde der Orientierungspunktwert 2010 auf 10 Cent hochgesetzt, jedoch „aufkommensneutral“ durch Absenkung der Punktzahlen. IGES versucht, diesen Mangel zu erklären und aufzuweichen, indem auf später höhere als geplante Reinerträge der Ärzte verwiesen wird, leider ohne den Hinweis, dass diese höheren Reinerträge nicht nur in der Radiologie auf die PKV-Honorare zurückzuführen sind.
     
  • Verschiedene unvollständige, veraltete und wenig repräsentative Datenquellen (z. B. ZI, Destatis, KPMG) dienen trotz vertiefender Einzelerhebungen u.a. in der Radiologie, bei Mammographie-Screening, Nuklearmedizin und Strahlentherapie nicht als evidenzbasierte Grundlage, weshalb die meisten Größen normativ festgelegt wurden.
     
  • Die zugrundeliegenden Daten und Annahmen, insbesondere die Leistungsbedarfe, stammen aus den Jahren 1993–1995 und sind hinsichtlich Struktur und Höhe veraltet. Dazu gehören insbesondere Grundannahmen zu kalkulatorischem Arztgehalt2, Arbeits- und Produktionszeiten des Arztes, Produktivitäten, wie auch die Praxisbetriebsmodelle, die sich zusammen mit der Praxisorganisation in immer größeren GP und MVZ gerade im Zuge der Konsolidierung in der Radiologie stark veränderten, die Honorarklassen und die Tarifgeber (=Arztgruppe, die die Leistung am häufigsten erbringt).
     
  • Dadurch entsprechen die angesetzten Arzt- und Technik-­Minutagen und -Kostensätze, die am Ende mit einem anderen als dem der Kalkulation zugrunde liegenden Orientierungspunktwert bewertet wurden, nicht mehr der Realität. Außerdem werden sie je KV-Gebiet unterschiedlich angesetzt, was den EBM verfälscht und die GKV-Vergütung weiterhin zur „Muschelwährung“ degradiert.
     
  • Veränderungen in der Praxisfinanzierungen (Leasing) führen zu anderen Ergebnissen, und auch die Eigenkapitalverzinsung müsste neu gerechnet werden.
     
  • Die stark gestiegenen Kosten der Digitalisierung (RIS, PACS, EPA/TI) und des immer größeren Aufwands sind zu gering angesetzt.
     
  • Problematisch ist, dass die in der Radiologie erheblichen Wartungskosten zu gering ausfallen und ebenso wie die stark gestiegenen Energiepreise unter die zu ungenau zu verrechnenden Gemeinkosten fallen.
     
  • Zu viel, nämlich etwa 50 % der Kosten (Radiologie jedoch nur 20 %) wurden in Form von Gemeinkosten umverteilt mit teilweise wenig nachvollziehbaren Verteilungsschlüsseln. Zu den geschlüsselten Gemeinkosten zählen die für die Radiologie wichtigen Kostenarten Energie und Wartung.
     
  • Die Abgrenzung von Kosten und Zeiten für die GKV-Versorgung wurde nicht systematisch gegenüber der PKV- und BG-Versorgung oder ggü. Krankenhauskooperationen durchgeführt.


Obwohl der EBM seither nicht umfassend geändert wurde, sind einige Probleme in der Zwischenzeit seit 2010 gelöst worden (z. B. Einführung einer begrenzten „Teleradiologie“ für Röntgen und CT, Aufnahme Herz-CT). So liegt der aktuelle, an die Erhöhung der Grundlohnsumme gekoppelte bundeseinheitliche kalkulatorische Punktwert bei 12,39 Cent (2025, Steigerung um 3,85 % zum Vorjahr). Das kalkulatorische Arztgehalt entsprach 2024 117.060 € (Steigerung von über 10%) bei einer Wochenarbeitszeit von 51 Stunden.

Es bleiben aber die von Curagita wiederholt insbesondere gegenüber Destatis (vgl. Schmidt-Tophoff/Schmid 2022) angemahnten Unzulänglichkeiten:
 

  • Aufnahme der gegenüber der EBM-Ursprungsversion immer aufwendigeren radiologischen Leistungen, wie Patientenaufklärung, rechtfertigende Indikation, Vorbefundung, Befundung von „Filmen statt Bildern“ infolge Innovation, Begutachtung, Parametrisierungen und Quantifizierungen, Klassifizierungen (inkl. Scores) und Segmentierungen, strukturierte Befundung, etc.
     
  • Unvollständiger Einbezug von kalkulatorischen Vollkosten des Radiologieunternehmers, insbesondere wenn Investitionen im Sonderbetriebsvermögen der einzelnen Radiologen gehalten werden und nicht in den Praxisbilanzen auftauchen:
    • Kosten des Praxiseinstiegs, der tilgungskongruenten Amortisation (obwohl steuerlich nicht geltend zu machen), der Eigenkapitalverzinsung des gebundenen Kapitals und des kalkulatorischen Wagnisses bzw. Unternehmerlohns
    • Kosten und Zeiten des im Vergleich zu anderen Praxen ­aufwendigeren Praxismanagements einer kapital- wie ­personalintensiven Radiologie-Firma
    • Einbezug von Infrastrukturinvestitionen einer Praxis, die häufig in der Immobilie oder im Sonderbetriebsvermögen liegen
    • Ansatz von Wiederbeschaffungskosten und kalkulatorischen Abschreibungen
    • Wartungskosten bei Geräten und IT sowie Peripherie (z. B. Aufzüge)
    • Berücksichtigung der ständig steigenden Bürokratie ­(Qualitätsmanagement-, Arbeitsschutz- und Strahlenschutzkosten, diverse Beauftragte)
       
  • Indexierung je nach Inflation und Kaufkraft, also deutlich mehr als die Entwicklung der Grundlohnsummen, um den inflationsübersteigenden Erhöhungen bei Energie-, Sach- und Personalkosten gerecht zu werden.
     
  • Aufnahme aufgrund von stetiger medizintechnischer Innovation neuartiger Geräte- und IT-Leistungen sowie Untersuchungsmöglichkeiten.

 

Sofern eine Neugestaltung des EBM als Leistungskatalog gewünscht wird, könnte sich dieser an der neuen GOÄ orientieren. Dieser weist strukturell Parallelen zum EBM auf, beinhaltet aber aktuellere Leistungsbeschreibungen und Innovation. Im Übrigen wäre die GOÄ-Vergütung nach dem neuen Katalog auch wünschenswert für die gleichen Leistungen in der Kassenradiologie.

Die Unzulänglichkeiten des EBM treffen dabei auf regional unterschiedliche Budgetierungen und Quotierungen, die kaum sachlich und schon gar nicht von der Versorgungsrealität begründbar sind. Sie sind Ausdruck einer Mängelverwaltung und beweisen, dass die dem EBM und seiner Kalkulation zugrundeliegenden Leistungsbedarfe von der Nachfrage übertroffen wurden. Werden von den kostenverursachenden, abrechenbaren EBM-Leistungen regelmäßig nur 60-80% von der KV erstattet, nachdem viele Patienten schon vorher ins nächste Quartal terminiert oder in andere Praxen geschickt bzw. „Budgetferien“ eingelegt wurden, wird klar, dass die Vergütung im EBM längst an der Realität vorbeigeht.

Die Notwendigkeit einer Mengenbegrenzung in der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich aus dem Dilemma zwischen unbegrenztem Leistungsversprechen und begrenzter morbiditätsorientierter Gesamtvergütung (MGV). Die Krankenkassen zahlen die Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung an die Kassenärztlichen Vereinigungen, die aufgrund des Sicherstellungs- und Gewährleistungsauftrags für die Verteilung auf Arztgruppen und Praxen verantwortlich sind. Für die Radiologie und Nuklearmedizin gibt es mit Ausnahme des Mammographie-Screenings kaum extrabudgetäre Vergütungsanteile.

Der Honorarverteilungsmaßstab hat nicht nur die Aufgabe, eine stabile und gerechte Verteilung der begrenzten Honorarsumme an die Ärzte zu gewährleisten. Er war auch dazu gedacht, eine angemessene Vergütung und eine verlässliche wirtschaftliche Planung der Praxen sicherzustellen. Bei 17 KVen in Deutschland mit 17 unterschiedlichen Honorarverteilungsmaßstäben erfüllen die regionalen HVM für die Radiologie diese Aufgabe mehr oder weniger gut.

So gelingt es z. B. in den KV-Bereichen Bayern, Baden-Württemberg oder Bremen durch flankierende Maßnahmen wie Fallzahlzuwachsbegrenzung oder Zuschläge für förderungswürdige Leistungen, die Preise für die einzelne Untersuchung stabil zu halten. In Westfalen-Lippe, Niedersachsen, Nordrhein etc. gibt es keine wirksamen Bremsen gegen eine auch überweisergesteuerte Fallzahlsteigerung. Die Folge ist ein stetiger Verfall der Fallwerte bzw. der Auszahlungsquoten. Ergänzend ist anzumerken, dass die absolute Höhe der Radiologenhonorare in den Ländern auch durch Maßnahmen der Vergangenheit geprägt ist und daher deutliche Unterschiede aufweist.

An sich müsste die Gesamtheit der Radiologen eines KV-Bereichs an stabilen und auskömmlichen Preisen pro Untersuchung interessiert sein und bei gegebener Gesamtvergütung das Untersuchungsangebot untereinander regulieren. Da es sich aber um eigenständige, unabhängige Unternehmen handelt, die isoliert für sich als Gewinnoptimierer agieren und jeweils eigene Interessen verfolgen, ist dies nicht möglich. Die Spieltheorie liefert wissenschaftliche Erkenntnisse (z. B. Gefangenendilemma), warum dies nicht gelingt.

Daneben gibt es in der Niederlassung die Sprechstundenbedarfsverordnungen, die die Sachkostenerstattung von KM und SSB über Ausschreibungen, Pauschalen oder Kostenerstattung regeln, und für Privatpatienten den entsprechenden § 10 GOÄ. Da die KM-Preise mittlerweile so tief gesunken sind, macht es vermutlich wenig Sinn, sie aus der Vorabvergütung zusätzlich zur MGV in das Radiologenbudget oder in die -vergütung hereinzunehmen, so wie das bei den KM-Pauschalen in Deutschland oder in dem „forfait technique“ in Frankreich jüngst geschah

Vorschläge für ein gerechtes Radiologiehonorar

Vorstufe Transparenzschaffung und -kommunikation

Da große Intransparenz über die (niedergelassene) Radiologie besteht, müssen zunächst die Grundlagen evidenzbasierter Argumentation für eine höhere Vergütung geschaffen werden. Dazu gehören:

1. Innerradiologische, berufspolitische Einigung (u.a. mit BDR, DRG) über Ziele, Methoden, Mittel und Wege der Schaffung von Transparenz und deren Kommunikation zusammen mit einem ausgewogenen Forderungskatalog und vorabgestimmter Einwandsbehandlung

2. Forderung einer Überblickstudie zur Radiologieversorgung von Kostenträgern bzw. deren wissenschaftlichen Instituten, wie sie die Barmer 2010 vorlegte, um mit gesicherten Daten arbeiten zu können mit der Bereitschaft der Radiologen, nach vorheriger Einigung über die zur Verfügung zu stellenden Dokumente, zuzuarbeiten

3. Radiologieinterne Sammlung eines evidenzbasierten, repräsentativen, aktuellen Zahlensets zu durchschnittlichen Radiologiepraxen, die einen wirksamen Beitrag zur Behebung der o.g. Mängel im innerärztlichen Verteilungskampf leisten können

4. Schaffung einer Basis für das prädiktive Benchmarking und als Simulationsbasis zur Prüfung der Vorschläge und zum späteren, neutralen Controlling (wie „IneK“)

5. Erneuerung der Forderung nach Destatis-Korrektur als Quelle des öffentlichen und Kollegen-Neids und als Datenquelle für neue Vergütungskataloge sowie Zurverfügungstellung einer Vergleichs-GuV zu Vollkosten der „eigenen“, selbst erhobenen Durchschnittspraxis

6. Beauftragung von internationalen Vergleichen zu Untersuchungspreisen und Radiologengewinnen sowie zu Oberarzt-, Angestellten- und MTR-Gehältern

7. Sammlung, Übertragung aus anderen Fach- und Spezialgebieten bzw. aus dem Ausland sowie systematische Einleitung gesundheitsökonomischer Kosten-Nutzen-, Kosten-Nutzwert- oder Kosteneffektivitätsstudien, die sich nicht nur auf innovative radiologische Leistungen beziehen, sondern auf alle Leistungen in der Niederlassung

8. Abschätzung der Bürokratie-, Digital-, und Verwaltungskosten sowie der kalkulatorischen Kosten

9. Kalkulation der Einsparungen aus QUIZ

10. Segmentierung der Akteure und Entscheidungsträger (stakeholder: decider, influencer, gatekeeper, promotors, allies) eines Honorarlobbyings, deren Kräfteverhältnisse untereinander und ihre jeweiligen Interessen und Motive.

 

Forderung nach Aktualisierung von EBM, RLV, QZV

Überarbeitung EBM-Honorarkatalog zur Radiologie

Die in Kapitel 3.4 aufgeführten Unzulänglichkeiten erfordern eine umgehende Überarbeitung des Radiologiekapitels im EBM-Honorarkatalog. So sehen es viele Gutachter (vgl. IGES-Institut 2010) und so sieht es der § 87 Abs. 2 SGB V vor. Die zahlreichen Anknüpfungspunkte für eine Überarbeitung des EBM sind oben angegeben und können nach Aufbereitung der Grunddaten und -annahmen angegangen werden. Folgende Risiken und Nebenwirkungen sind jedoch zuvor zu beachten:

1. Die ehrliche Kommunikation von Zahlen, Daten und Fakten, sofern diese überhaupt erhältlich sind, kann „nach hinten losgehen“, wenn nämlich die Tarifgeber große MVZ (iMVZ oder Praxisverbünde) sind, die sich dem Kostendruck als best in class und unter Nutzung ihrer Synergien untereinander bereits angepasst haben und die Vergütung für alle Radiologien herunterziehen.

2. Es besteht die Gefahr, dass die Produktivitätssteigerungen und Konsolidierungsvorteile (insb. economies of scale and scope) die bisher im EBM enthaltenen Minutage- und Kostensatzreserven aufdecken und die dem entgegenstehende Kostensteigerungen überkompensieren. Dann ginge die Vergütung sogar zurück, denn die KBV wird sich immer den am effizientesten und effektivsten arbeitenden Radiologen aussuchen.

3. Kontraindiziert wäre auch der schwer abwendbare Einbezug von bisher auskömmlichen Vergütungsinseln, wie z. B. das extrabudgetäre Mammographie-Screening oder die Einbudgetierung von bisherigen IGeL- oder Selbstzahlerleistungen.

4. Es ist kaum zu erwarten, dass es eine isolierte Aktualisierung nur des Radiologiekapitels im EBM gibt. Insofern steht ein langer, aufwendiger Prozess bevor (wie beim EBM 2000, der 1997 anfing, 2005 zum neuen EBM führte, der 2008 neugestaltet wurde, und der alle Arztgruppen betrifft, ohne dass dadurch das angesichts der Wirtschaftskrise sowieso fragliche Gesamtbudget für die vertragsärztliche Versorgung steigen wird). Spätestens am Ende dieses Prozesses steht der innerärztliche Verhandlungsprozess, der von der Minderheit der 2 % Radiologen unter allen Ärzten nicht zu gewinnen ist. Dieser Prozess könnte für notleidende Praxen zu lange dauern.

5. Solange der Radiologe jährlich von Destatis ohne Kommentierung als Spitzenverdiener unter den Ärzten vorgeführt wird, ist der Kampf um ein höheres Radiologenhonorar eine Sysiphusarbeit. Ob der Radiologe nach der GOÄ-Novelle auch noch den Spitzenplatz einnimmt, ist fraglich, aber nicht auszuschließen. Dem Lobbying gegenüber Destatis ist daher höchste Priorität einzuräumen.

Insofern muss kein grundlegend neuer Katalog aufgesetzt werden. Eine Anpassung des Radiologiekapitels, die sich z. B. an der GOÄ-Novelle als letztem alle Innovationen enthaltenen Katalog orientiert, könnte genügen. Reformbedürftig sind in erster Linie die radiologierelevanten EBM-Bewertungen (zu echten Vollkosten) und anschließend die Mengenbegrenzungen (Quotierungen, Budgetierungen) über die HVM.

Wenn doch ein neues Radiologiekapitel im EBM-Katalog erarbeitet werden soll, muss die Mengensteuerung einbezogen werden.

Budgetierung und Quotierung

Wenn die Erarbeitung eines neuen EBM aus den genannten Gründen zu viele Schwierigkeiten und Risiken aufwirft, könnte ein Angriffspunkt die versorgungsrelevante Budgetierung und Quotierung sein (vgl. Kapitel 3.4 zur Mengenbegrenzung). Dies erfordert ein regionales Vorgehen auf der Ebene der KVen, mit der Nebenwirkung von Problemen, die den oben genannten im innerärztlichen Verteilungskampf mit Zuweisern ähnlich sind. Es könnte Aufgabe des jeweiligen Länder-Berufsverbandes sein, konkrete Vorschläge zu erarbeiten und die KV bei den jährlichen Verhandlungen zu unterstützen und mit Argumenten zu füttern. So gelang es vor einigen Jahren in Baden-Württemberg, einen Zuschlag bei gesicherten onkologischen Diagnosen zu verhandeln, wenn innerhalb eines Quartals zwei oder mehr bildgebende Untersuchungen (Hauptleistungen) in einem Behandlungsfall abgerechnet wurden. In der KV Niedersachsen werden Praxisbesonderheiten anerkannt, wenn eine Praxis überdurchschnittlich viele onkologische Patienten behandelt. In diesem Fall erhält der Arzt einen Fallwertzuschlag als leistungsfallbezogenes QZV. Eine Begrenzung für die in Zukunft weiter zunehmende Mengenausweitung erscheint notwendig, um das Radiologenbudget zu stabilisieren. Dabei kann der folgende Vorschlag helfen.

Einsparung durch Zuweisungsoptimierung (QUIZ)

Die ambulante Facharztversorgung steht vor strukturellen Problemen. Einzelne Fachgruppen können diese nicht mehr allein lösen. Krankenkassen, Versicherungen und Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) sollten sich daher intensiv mit innovativen Konzepten zu einer effizienten Patientensteuerung auseinandersetzen. Nur durch engere Zusammenarbeit aller Beteiligten lassen sich die zukünftigen Probleme einer drohenden Unterversorgung bei gleichzeitig steigender Nachfrage lösen.

Auf dem Deutschen Röntgenkongress 2024 hat Curagita das Zukunftsszenario Radiologie 2030 einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Digitalisierung, Investorenmodelle und Personalknappheit, eingebettet in eine krisenhafte Gesamtsituation in Deutschland, zwingen zur Beschäftigung mit der Zukunft.

Ziel des vorliegenden Zukunftsszenarios ist es, aus einer Vorstellung dessen, was kommen wird, eine gemeinsam erarbeitete „intelligente“, betriebswirtschaftlich-pragmatische Planungs- und Entscheidungshilfe für den einzelnen Radiologen über die nächsten sechs bis zehn Jahre abzuleiten. Das Zukunftsszenario „Radiologie 2030” zeigt: Es wird massive Veränderungen in der ambulanten radiologischen Versorgung geben. Die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage wächst.

Steigende Nachfrage nach radiologischen Leistungen:

Die Nachfrage nach radiologischen Leistungen, vor allem im Bereich der MRT-Untersuchungen, wird weiter ansteigen:
 

  • Demografischer Wandel: Die alternde Bevölkerung führt zu einer erhöhten Zahl von Patienten mit altersassoziierten Erkrankungen, die häufig bildgebende Diagnostik erfordern.
  • Medizinischer Fortschritt: Neue Behandlungsmethoden und Therapieansätze erfordern oft eine intensivere bildgebende Diagnostik zur Planung und Verlaufskontrolle.
  • Forensische Indikation zur haftungsrechtlichen Absicherung (Ausschlussdiagnostik) der behandelnden Ärzte im Zuge einer „Amerikanisierung“ unseres Gesundheitssystems.
  • Zunehmende Prävention: Screeningprogramme und Früherkennungsuntersuchungen, die bildgebende Verfahren einschließen, werden ausgeweitet.
  • Steigende Patientenerwartungen: Ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung führt zu einer erhöhten Nachfrage nach diagnostischer Sicherheit.
  • Leitliniengerechte Medizin: Aktuelle medizinische Leitlinien sehen in vielen Fällen eine umfangreichere bildgebende Diagnostik vor als früher.

 

Begrenzte Angebotsentwicklung trotz technologischen Fortschritts

Künstliche Intelligenz (KI) wird die Produktivität steigern. Trotzdem wächst das Angebot nicht mit der Nachfrage. Verschiedene Faktoren bremsen die Entwicklung:
 

  • Budgetierung und Mengenbegrenzung: Die bestehenden Hono­rarverteilungsregelungen, insbesondere die Budgetierung der Gesamtvergütung und Mengenbegrenzungen für radiologische Leistungen, verhindern eine direkte Übersetzung der steigenden Nachfrage in ein erhöhtes Leistungsangebot. Radiologische Praxen können nicht unbegrenzt mehr Untersuchungen durchführen, da sie ab einem bestimmten Punkt keine oder nur noch eine reduzierte Vergütung erhalten.
  • Fachkräftemangel: Der prognostizierte Mangel an Radiologen und radiologischem Fachpersonal (MTR) limitiert die Kapazitäten, selbst wenn die technischen Möglichkeiten eine Ausweitung erlauben würden.
  • Veränderte Arbeitsmodelle: Der Trend zu mehr Teilzeitarbeit und einer besseren Work-Life-Balance, insbesondere bei jüngeren Radiologen, führt dazu, dass die verfügbare Arbeitszeit pro Arzt sinkt.
  • Komplexitätszunahme: Trotz KI-Unterstützung werden radiolo­gische Untersuchungen und Befundungen aufgrund der steigenden Komplexität und des wachsenden Informationsgehalts moderner bildgebender Verfahren zeitaufwendiger.
  • Implementierungshürden: KI und andere produktivitätssteigernde Technologien erfordern hohe Investitionen. Zudem stellen sie organisatorische Herausforderungen dar. Dies verzögert ihre flächendeckende Nutzung im klinischen Alltag.
  • Regulatorische und ethische Bedenken: Die vollständige Ausschöpfung des Potenzials von KI in der Radiologie wird durch rechtliche und ethische Fragen gebremst, insbesondere hinsichtlich der Verantwortlichkeit für KI-gestützte Diagnosen.
  • Vergütungsstruktur: Das aktuelle Vergütungssystem bietet wenig Anreize für Investitionen in produktivitätssteigernde Technologien, da potenzielle Effizienzgewinne nicht direkt zu höheren Einnahmen führen.

 

Diese Faktoren führen dazu, dass trotz des technologischen Fortschritts und der potenziellen Produktivitätssteigerungen durch KI eine wachsende Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage in der ambulanten Radiologie zu erwarten ist. In den USA hat sich schon vor Jahren die Praxis der sogenannten „Order Entry Systems“ etabliert, bei denen Ärzte im Vorfeld eine Genehmigung für CT- und MRT-Untersuchungen bei den Kostenträgern einholen müssen. Das Szenario „Radiologie 2030“ prognostiziert eine potenzielle Versorgungslücke von 21–31 % des heutigen Radiologievolumens bis 2030, wenn keine effektiven Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Interne Studien gehen davon aus, dass aktuell 20–30 % der radiologischen Untersuchungen nicht indiziert oder ineffizient sind. Dies entspricht in etwa der prognostizierten Versorgungslücke in 2030.

Quiz als Lösungsansatz

Die Radiologie verfügt über erhebliche Reserven. Diese lassen sich nutzen, bevor man zu harter Rationierung greifen muss. Die Versorgungsqualität bleibt dabei erhalten. Das Radiologienetz legte 2012 den Programmvorschlag „CuraSEQUENZ" vor. Dieser sektorübergreifende Plan soll die ambulante radiologische Versorgung in der GKV erhalten. Die dort aufgezeigten Einsparungen finanzieren das Programm. Zudem haben wir seit Jahren einen Indikationsratgeber für die niedergelassenen Radiologie entwickelt, der in das QUIZ-System integriert werden könnte.

Das Projekt QUIZ bietet einen neuen Ansatz. QUIZ steht für Qualitätsgesicherte und indikationsbasierte Zuweisung. Es soll die radiologische Versorgung stabilisieren:
 

  • Optimierung der Indikationsstellung: QUIZ (analog CPOE: ­Computerized Provider Order Entry) implementiert ein IT-gestütztes System zur Überprüfung der Indikation vor radiolo­gischen Untersuchungen. Zuweisende Ärzte beantworten ­wenige Leitfragen. Diese richten sich nach der Verdachtsdiagnose und dem gewünschten Bildgebungsverfahren. Danach erhalten sie eine Präautorisierung. Die evidenzbasierte Entscheidungsunterstützung für Zuweiser fördert eine kon­sistente und qualitativ hochwertige Indikationsstellung.
     
  • Verbesserung der Ressourcenallokation: Durch die Vermeidung nicht indizierter oder ungeeigneter Untersuchungen werden Ressourcen frei für notwendige und dringende Fälle. Dies trägt dazu bei, die prognostizierte Versorgungslücke zu verkleinern.
     
  • Effizienzsteigerung: QUIZ kann helfen, die Effizienz in radiologischen Praxen zu steigern, indem es unnötige Untersuchungen reduziert und so zur Bewältigung des steigenden Arbeitsaufkommens bei begrenzten personellen Ressourcen beiträgt.
     
  • Unterstützung neuer Arbeitsmodelle: Das System erleichtert die Priorisierung von Fällen und kann so flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine bessere Work-Life-Balance unterstützen, ohne die Versorgungsqualität zu beeinträchtigen.
     
  • Anpassung an technologische Entwicklungen: QUIZ ist als digitales System konzipiert und kann leicht mit KI-Systemen und anderen technologischen Innovationen in der Radiologie integriert werden.
     
  • Förderung der intersektoralen Zusammenarbeit: Das System verbessert die Kommunikation und Abstimmung zwischen zuweisenden Ärzten und Radiologen, was zu einer besseren Patientenversorgung führt.

Implementierung und Ausblick

Die Einführung von QUIZ bietet die Chance, die Vergütungsstrukturen an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und gleichzeitig die Versorgungsqualität zu optimieren. Durch die Steuerung der Zuweisungen kann eine bedarfsgerechtere Verteilung der begrenzten radiologischen Ressourcen erreicht werden. Dies ermöglicht es, die prognostizierte Versorgungslücke zumindest teilweise zu schließen, ohne das Budget übermäßig zu belasten.

QUIZ könnte langfristig das Vergütungssystem in der Radiologie verändern. Statt auf Menge zu setzen, würde es Qualität und Effizienz belohnen. QUIZ könnte so die Radiologie nachhaltig verbessern. Dies würde nicht nur die wirtschaftliche Situation der radiologischen Praxen stabilisieren, sondern auch Anreize für Investitionen in neue Technologien und Prozessoptimierungen schaffen.

QUIZ erfordert eine enge Zusammenarbeit. Krankenkassen müssen den Nutzen für ihre Versicherten anerkennen. Kassenärztliche Vereinigungen sind wichtige Partner bei der Umsetzung. Radiologische Fachgesellschaften bringen ihr Wissen ein. IT-Experten sorgen für die technische Umsetzung. Eine schrittweise Einführung, beginnend mit Pilotprojekten in ausgewählten Regionen, könnte den Weg für eine flächendeckende Umsetzung ebnen.

Das Projekt QUIZ stellt einen wichtigen Schritt dar, um die ambulante radiologische Versorgung angesichts der in „Radiologie 2030“ prognostizierten Herausforderungen zukunftsfähig zu gestalten und die Balance zwischen steigender Nachfrage, begrenzten Ressourcen und hoher Versorgungsqualität zu wahren.

Zukunft: Einbezug des gesundheitsökonomischen Nutzens

Der allgemein anerkannte medizinische und finanzielle Nutzen radiologischer Leistungen durch frühe, sichere und für Zuweiser wie Patienten relevante, handhabbare Diagnosen und Befunde findet in den heutigen Vergütungskatalogen keine Berücksichtigung. Hier müssen die o.g. Studien helfen und den Nutzen von radiologischen Leistungen so quantifizieren, dass deren Preis zugleich mitgeliefert wird, insbesondere dann, wenn die Kosten konkurrierender Leistungen eingespart (z. B. Biopsien, LHKM, Arthroskopien) werden oder optimiert (z. B. OP, AOP, Interventionen, Strahlen- oder Chemotherapien) werden können (vgl. Froelich et al 2022). Dabei muss die DRG eine wichtige Koordinationsrolle spielen und die Industrie zur Finanzierung einbeziehen.

Für Kosten-Nutzen-Analysen im Gesundheitsbereich hält die einschlägige, internationale Literatur u.a. unter dem Stichwort health technology assessment ein bewährtes Instrumentarium bereit.

Das ausführliche Thesenpapier finden Interessierte aus Netzpraxen online auf pro.radiologie.de.

 

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1 Die in dieser Arbeit gewählte männliche Form oder die der Radiolog:in bezieht sich immer zugleich auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf die sinnvolle Mehrfachbezeichnung wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.

2 Greß 2016 fragt, warum ein angestellter Krankenhausarzt den kalkulatorischen Arztlohn eines Freiberuflers bestimmt und nicht vergleichbare Freiberufler wie Notare, Anwälte oder Berater, die allerdings alle ein höheres unternehmerisches Risiko tragen würden.