Junge Radiologen
Ihre Herausforderungen und ihre Erwartungen an die Zusammenarbeit im Netz
Alles hat seine Zeit. Das Radiologienetz gibt es seit 25 Jahren. Es dient der Vernetzung und dem bestmöglichen Support der Mitgliedspraxen. Nun fragen wir die junge Generation unserer Mitglieder nach ihren Herausforderungen und ihren Vorstellungen. Ihre Ansichten teilten Dr. Christian Rother (Radiologische Gemeinschaftspraxis in der ATOS Klinik Heidelberg), PD Dr. Anoshirwan Tavakoli (Radiologische Gemeinschaftspraxis im Gesundheitszentrum Schorndorf), Dr. Alexander Hauck (Praxis für Radiologie und Neuroradiologie, Damme) sowie Dr. Eric Schlaudraff (Radiologie und Nuklearmedizin im Zentrum Vital, Fulda) mit uns.
Glauben Sie, dass generationsbedingt deutliche Unterschiede in der Praxisführung und im eigenen Handlungsspektrum bestehen? Wenn ja, welche erkennen Sie?
Dr. Rother: Ich denke, es gibt in jeder Branche wie auch in der Radiologie Unterschiede zwischen den Generationen, aktuell würde mir da zum Beispiel die zunehmende Digitalisierung des Gesundheitssystems einfallen. In der letzten Zeit entstehen ja viele neue medizinische Start-ups mit tollen Ideen, nicht zuletzt zum Thema künstliche Intelligenz. Ich denke, die Bereitschaft, neue Techniken auszuprobieren, ist bei den jüngeren Kollegen größer.
Dr. Schlaudraff: Ja, das glaube ich auch. Veränderungen haben wir nach der Staffelstab-Übernahme unter anderem bei der Dokumentation und Kommunikation vollzogen. Innerhalb von zwei Jahren sind die vielen Zettel und Postmappen verschwunden. Wir arbeiten soweit wie möglich digital und papierlos. Damit kommt auch das gesamte Thema Praxis-IT ins Spiel. Die Vollumstellung auf Cloud-basierte Spracherkennung hat unsere Angestellten von der Schreibtätigkeit befreit. Ein anderer Unterschied: Der ehemalige Senior-Chef war sehr belesen und hat sich um so gut wie alles in Eigenregie gekümmert. Das hat er so gut gemacht, dass wir bei der KV in Hessen auch Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Praxis noch als Vorzeigepraxis in Sachen QM und Hygiene genannt werden. Heute, zwei Jahre später, haben wir jedoch die Organisation umgestellt. Es wird nicht mehr von der Spitze her entschieden. Unsere Ärzte sind mit bestimmten Schwerpunkten betraut, welche sie in den fünfköpfigen Gesellschafterkreis für eine gemeinsame Entscheidungsfindung hinein kommunizieren. Alle Schultern haben somit gleich zu tragen und sind gleichgestellt. Das gilt auch für Personalentscheide. Bei Vorstellungsgesprächen gilt das Mehraugenprinzip.
Dr. Hauck: In der Tat. Die Zeit einer extremen hierarchischen Praxisführung ist in meinen Augen vorbei. Radiologische Praxen stehen vor enormen Herausforderungen. Fachkräftemangel, der demografische Wandel, Wünsche nach flexiblen Arbeitszeitmodellen, steigender ökonomischer Druck, die rasante Entwicklung der radiologischen Bildgebung, immer mehr, immer schneller, immer besser, das alles geht heute nur im Team. Ein alter Oberarzt und Lehrmeister von mir würde jetzt sagen: „Toll, ein anderer macht’s.“ So klappt es aber heute nicht. Wer heute stur eine Praxis führt, ohne seine Mitarbeiter einzubinden, wird aus meiner Sicht nicht lange Erfolg haben. Da möchte ich auch gerne einen unserer Vorgänger zitieren: ,,Das Wichtigste in dieser ganzen Praxis sind die Menschen!“ Das trifft es auf den Punkt. Ohne jeden Einzelnen funktioniert der Praxisbetrieb nicht. Jeder ist wichtig: das Callcenter, die Anmeldung, die Putzkraft, das Schreibbüro, das Sekretariat, die Abrechnung, die IT, das Praxismanagement, das MFA- und MTR- Team, die Ärzte. Keiner kann alleine diese Praxis am Laufen halten. Das müssen alle verinnerlichen und die Praxisführung muss sich dahingehend auch anpassen, alle mitnehmen, flexibel sein, Radiologie auf hohem Niveau anbieten. Natürlich wollen und müssen wir auch immer mehr Patienten versorgen und wollen mit unserer Bildgebung helfen. Aber ohne Mitarbeiter und Zusammenarbeit wird es nicht klappen.
PD Dr. Tavakoli: Da ich das Glück habe, in einer sehr modern geführten Praxis zu arbeiten, sehe ich eigentlich keine größeren generationsbedingten Unterschiede in der Praxisführung. Die meisten Entscheidungen beruhen ja ohnehin auf einem Konsens. Natürlich sind es gerade Kollegen der jungen Generation, für die auch die langfristige Ausrichtung der Praxis von Bedeutung ist, zum Beispiel bei Digitalisierungsthemen. Aber auch hierfür ist meiner Erfahrung nach das Bewusstsein in allen Generationen ähnlich ausgeprägt.
Aus Effizienzgründen bevorzugen inzwischen viele Netzmitglieder die digitalen Formate. Was bevorzugen Sie, vor Ort oder online? Ginge für Sie etwas verloren, wenn es keine kollegialen Vor-Ort-Treffen mehr gäbe?
Dr. Rother: Beides ist interessant, die digitalen Formate sind nicht mehr wegzudenken, aber die persönlichen Treffen sind dadurch natürlich nicht zu ersetzen.
Dr. Schlaudraff: Ich nutze die Digitalformate gerne für kleinere Impulse und Austausche, sind sie doch am effizientesten, was den Zeitaufwand angeht. Fortbildungen nehme ich aber nach wie vor gern auch vor Ort wahr. Die Möglichkeit zum Netzwerken und den Austausch unter Fachkollegen in Einzelgesprächen sind Gründe, sich ins Auto zu setzen. Keine Treffen vor Ort zu haben, wäre also ein Verlust.
Dr. Hauck: Definitiv bevorzuge ich auch die digitalen Formate! Der Workload hat enorm zugenommen. Patienten versorgen, junge Ärzte ausbilden, Mitarbeitergespräche, Praxisführung – das alles beansprucht enorm viel Zeit. Auch wenn wir alle mit voller Leidenschaft als Vollblut-Radiologen dabei sind, haben wir nebenbei auch noch ein Privatleben. Da ist es dann schon sehr vorteilhaft, dass man die digitalen Formate nutzt. In kurzer Zeit Informationen austauschen, keine An- und Abfahrten, Zeit sparen, die Umwelt schonen – für mich sind das immer Win-Win-Situationen. Die kollegialen Vor-Ort-Treffen haben natürlich die soziale Komponente.
PD Dr. Tavakoli: Es ist korrekt, dass digitale Formate zeit- und wegsparender sind als Veranstaltungen in Präsenz, gerade z.B. für inhaltliche Fortbildungen oder Softwarepräsentationen eignen sich digitale Vorträge sehr gut. Andererseits sind persönliche Treffen für die Förderung des Netzwerkgedankens und für den informelleren Austausch von großer Bedeutung. Nach einem Online-Vortrag werden in der Regel keine neuen persönlichen Kontakte geknüpft. Es ginge also auf jeden Fall etwas verloren, wenn es keine kollegialen Präsenztreffen mehr gäbe.
Wie wichtig finden Sie es, dass aus dem Netz immer wieder neue (Zukunfts-)Initiativen entstehen wie eine gemeinsame KI-Plattform, ein Netzprojekt Lungenscreening oder das Szenario Radiologie 2030? Haben Sie Interesse, sich hier als Praxis zu beteiligen?
PD Dr. Tavakoli: Das ist auf jeden Fall von sehr großer Bedeutung. Langfristige Projekte, die Konzepte enthalten, die für alle Praxen von Bedeutung sein können, sind in der Regel für eine Einzelpraxis schwieriger umsetzbar, da das Tagesgeschäft viel Zeit in Anspruch nimmt. Auch gehen diese größeren Projekte meist mit höheren Investitionskosten einher. Grundsätzlich besteht natürlich daher auch immer von Praxisseite Interesse, sich an solchen Themen zu beteiligen.
Dr. Hauck: Das finden wir enorm wichtig! Gemeinsam im Netz kann jede Mitgliedspraxis noch stärker werden. Das Netzprojekt Lungenscreening finden wir sehr interessant und wir haben definitiv Interesse, uns zu beteiligen.
Dr. Schlaudraff: Investitionen in gemeinsame Initiativen zur Sicherung der Niedergelassenen sind wertvoll. Mit dem Lungenkrebsscreening setzen wir uns als Praxis beispielsweise schon länger auseinander. Klasse also, dass innerhalb des Radiologienetzes eine zentral angelegte Initiative aufgelegt wird. Wir möchten dort als Pionier mitwirken. Von den Dienstleistungen der Curagita profitieren wir auch anderweitig. Zum Beispiel hat Curagita unsere Wirtschaftsergebnisse aufgearbeitet, sodass wir hier zur Selbsteinschätzung in Zusammenarbeit mit Herrn Krüger eine sachliche Einschätzung von außen ergänzen konnten.
Dr. Rother: Die Initiative, gemeinsame Projekte anzugehen, finde ich auch super, gerade das Netzprojekt Lungenscreening ist sicherlich eine interessante Möglichkeit für uns als niedergelassene Radiologen. Das Thema KI wird, denke ich, in der Zukunft eine immer größere Rolle spielen, bis es jedoch flächendeckend in den Praxen ankommt, wird es, glaube ich, noch eine Weile dauern, nicht zuletzt aufgrund der Frage der Finanzierung.
Gibt es Themenfelder, die Sie neu ins Netz bringen würden?
Dr. Schlaudraff: Themen, die uns unter den Nägeln brannten, wurden von Curagita bislang immer gut aufgefangen. Als die Energiepreise rasant stiegen, hatte Curagita bereits Experten aus der (Energie-)Wirtschaft ins Boot geholt und konnte Handlungsempfehlungen geben. Insgesamt sind die Inputs und die Unterstützung aus dem Radiologienetz für unsere tägliche Arbeit im Praxismanagement wirklich hilfreich. Als Junior in die Fußstapfen eines Senior-Gesellschafters zu treten, der fast 30 Jahre alle Bereiche der Praxis geführt und gemanagt hat, ist eine herausfordernde Aufgabe. Mit dem „Schirm, Schutz und der Schwarmintelligenz des Radiologienetzes“ ist es uns gelungen, das eine oder andere gefährliche Fahrwasser von vornherein erfolgreich zu umschiffen.
PD Dr. Tavakoli: Im Prinzip deckt das Szenario Radiologie 2030 bereits viele wichtige aktuelle und zukünftige Themen ab, die uns in den kommenden Jahren beschäftigen werden. Ein wichtiges weiteres Themenfeld wäre es, die Wahrnehmung der komplexen Dienstleistungen des Radiologen im öffentlichen Ansehen weiter zu stärken. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass in der Radiologie lediglich die Aufnahmen erstellt werden und die Diagnosen selbstverständlich seien. Auch die starke Überweiserabhängigkeit der Radiologie, insbesondere bezogen auf die teilweise entstehenden Konkurrenzsituationen, sehe ich als ein weiteres wichtiges Zukunftsthema an. Ein weiteres wichtiges Themengebiet, über die Radiologie hinaus, ist sicherlich die Nachhaltigkeit. Aktuell ist diese meinem Empfinden nach in der Öffentlichkeit wieder in den Hintergrund gerückt, wahrscheinlich vor allem aus Kostengründen – einerseits verständlich, aber langfristig ein Fehler, wie ich finde. Zwar ist die Radiologie in diesem Bereich ein eher mittelgroßer Akteur, kann aber, wie in anderen technischen Bereichen auch, als positives Vorbild vorangehen. Die große Herausforderung ist hierbei, ökonomisch sinnvolle Wege für die radiologische Praxis aufzuzeigen, sodass keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Dr. Hauck: Das Radiologienetz ist bereits sehr breit aufgestellt, wenn man möchte, bekommt man einen Service von A bis Z. Abseits von wirtschaftlichen Themen und Themen zur Abrechnung könnte man aber mal über Radiologienetz-interne Fortbildungen nachdenken, z.B. Journal-Clubs, spannende Fallvorstellungen, How-I-Do-It-Vorträge, das könnte man sicherlich auch als Netzveranstaltungen laufen lassen.
Kommentare
Keine Kommentare