Gesellschafterinnen immer noch eine seltene Spezies in radiologischen Praxen

Radiologinnen gibt es immer mehr, trotzdem sind sie in Praxen als Gesellschafterinnen stark unterrepräsentiert. Hier hat sich in 25 Jahren der Anteil von 10 % gerade mal verdoppelt auf 20 %. Zu diesem Thema haben wir Radiologinnen im Netz angeschrieben.

Drei Praxis-Gesellschafterinnen aus dem Radiologienetz haben mit uns ihre Geschichte und Meinung zu diesem Thema geteilt. Diese lassen wir heute zu Wort kommen. Es sind Dr. Heidi Daniel, Carmen Czechak-Reimann und Dr. Hannah Bannier.

Dr. Heidi Daniel

Dr. Heidi Daniel, Gründungsmitglied des Radiologienetz Rhein-Neckar-Pfalz, hat uns geantwortet. Man sieht der rüstigen Rentnerin ihre Ü70 nicht an. Regelmäßig ist sie immer noch in „ihrer“ Praxis, dem Radiologiezentrum Mannheim anzutreffen. Dort schätzen es die jungen Partner, wenn die erfahrene Nuklearmedizinerin, Radiologin und ehemalige programmverantwortliche Ärztin für das Mammographie-Screening in der Patientenversorgung weiterhin präsent ist. Ein Fall von bescheidener, umfassender und zupackender Frauen­power! Fragt man sie nach ihrer Lebensgeschichte und wie es dazu kam, dass sie Praxispartnerin wurde, schildert sie das so: „Eigentlich kam es mir nicht in den Sinn, Medizin zu studieren, um Radiologin zu werden. Aber als MTRA kam ich aus der radiologischen Bahn nicht mehr raus“, sagt sie lächelnd. „Ich habe beim Praxisgründer Dr. Klaus Kämmerer bereits als MTRA gearbeitet. Heute würde man sagen: Er hat mich gefördert! Jedenfalls war er immer bemüht, mich bestmöglich beim Studium zu unterstützen. Er hat mir Assistenzarztstellen besorgt und hat mich schließlich auch als Praxisassistentin gerne wieder genommen. Trotzdem war er ein Mann seiner Generation (Jahrgang 1936) und eine Frau als Gesellschafterin war für ihn zunächst nicht denkbar. Als er jedoch einen Praxisnachfolger suchte, stellte sich heraus, dass unter den männlichen Assistenzärzten kein geeigneter Kandidat gefunden werden konnte. So wurde ich dann am Ende zunächst als „Notlösung“ doch zu seiner Nachfolgerin und damit Praxisgesellschafterin. Zur Ehrenrettung der Männer ist zu sagen, dass es durchaus Fürsprecher, wie zum Beispiel meinen geschätzten ehemaligen Kollegen und Freund Klaus-Michael Ricken gab. Und Dr. Kämmerer hat seine Nachfolgerwahl nie bereut. Wie mir seine Frau heute noch gerne berichtet, war er im Gegenteil sehr glücklich damit und ich war für ihn bis zu seinem Tod die Bezugsperson in der Praxis.“

Fragt man Frau Dr. Daniel, wie es sich anfühlte, in diesen Zeiten als Frau dem Gesellschafterteam anzugehören, gibt sie folgende Antwort: „Es war zwingend notwendig, besser zu sein und mehr Einsatz zu zeigen als männliche Kollegen, um für Führungspositionen ausgewählt zu werden.“ Und sie glaubt, dass es auch heute für Frauen manchmal nicht ganz einfach ist, als Gesellschafterin in einer Praxis tätig zu sein. Sie schreibt dies drei Punkten zu: Erstens der Zerrissenheit zwischen Familien- und beruflicher Tätigkeit, die sich aus manchen privaten Konstellationen einfach ergebe. Zweitens geht die Niederlassung gerade in der Radiologie immer mit einer hohen Investition einher. „Ich beobachte, dass Männer auch heute in Familien häufig noch die „Haupternährer“ sind. Selbst wenn beide Partner Radiologen sind, ist eher der Mann niedergelassen und die Frau angestellt“, konstatiert sie ihre Erfahrungen. Der dritte Punkt ist für Dr. Daniel geschlechterunabhängig, nämlich die allseits gegenwärtige Suche junger Fachärztinnen und Fachärzte nach der Work-Life-Balance. In dieser sei häufig das unternehmerische Risiko nicht abzudecken und die Niederlassung kein Ziel mehr. „Es steht anzunehmen, dass für die Generation Z, die sicherlich ihren Weg machen wird, ob männlich oder weiblich, die immer ungewissere Finanzlage, Personalsituation, generelle wirtschaftliche Entwicklung und auch die politischen Weichenstellungen Hemmnisse für die Niederlassung darstellen werden.“ Zunehmend werde der Angestelltenstatus mit geregelten Arbeitszeiten, Einkommen und Freizeit favorisiert, schließt sie ihre Ausführungen ab.
 

Carmen Czechak-Reimann

Carmen Czechak-Reimann ist die Nachfolgerin von Dr. Heidi Daniel als Programmverantwortliche Ärztin für das Mammographie-Screening Rhein-Neckar-Odenwald gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Johannes Grieger. Seit 2013 ist sie Gesellschafterin im Radiologiezentrum Mannheim. Sie ist Anfang fünfzig und hat ein Kind. Daher kennt sie auch die Herausforderungen des Jonglierens zwischen Unternehmerin und Familienmutter bestens. Dass sie sich in einem ansonsten männlichen Gesellschafterkreis bewegt, ist für sie kein Problem, wobei sie bedauert, dass sie immer noch eine „Ausnahme“ ist: „Als Partnerin in einer Praxis stellt man häufig die sogenannte „Quotenfrau“ dar und steht damit mehr unter Beobachtung. Das hat zur Konsequenz, dass man sich oftmals vielleicht – auch nach außen – sehr überlegt und absolut konsequent verhält. Als Gesellschafterin kommen neben der täglichen Arbeit administrative Tätigkeiten hinzu, die einen nicht unerheblichen Zeitaufwand mit sich bringen. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass dies nicht immer mit gut familienkompatiblen Arbeitszeiten einhergeht, so dass hier die Familie bzw. der Partner ,mitziehen‘ muss.“

Auch der finanzielle Aufwand beim Einstieg als Gesellschafterin ist für sie ein Thema. „Wie ich immer scherzhaft sage: Einen Praxiseinstieg in einen gut laufenden Betrieb bekommt man nicht zum Schnäppchenpreis. Dazu kommen die unternehmerischen Risiken. Was passiert, wenn die finanzielle Praxissituation sich ändert, durch politische Entscheidungen nicht zu planende Änderungen entstehen, ich krank werde oder schwanger …? Solche Fragen muss man aushalten und sie sollten keine schlaflosen Nächte bereiten“, findet sie. Der zeitliche Einsatz als Gesellschafterin ist aus ihrer Sicht erheblich höher im Vergleich zu früheren Angestellten-Tätigkeiten: „Ich kümmere mich zusätzlich zur ärztlichen Tätigkeit um die Verwaltung des Screenings, das Personal der Gesamtpraxis und das QM. Das stellt zusätzlichen Arbeitsaufwand dar, den ich durch eine 40-Stunden-Woche nicht abdecken kann. Mir ist bekannt, dass viele gesellschaftlich tätige Radiologen in Praxen sich flexiblere Arbeitszeiten einräumen. Als PV im Screening ist das kaum möglich. Somit spielt hier sicher auch das konkrete Arbeitsfeld eine entscheidende Rolle.“ Auf jeden Fall würde Frau Czechak-Reimann auch jüngere Kolleginnen für die Radiologie ermutigen wollen: „Lassen Sie sich auf die Radiologie ein! Sie ist ein spannendes und sehr abwechslungsreiches Betätigungsfeld – ich würde es immer wieder machen!“ Und zum Unternehmertum sagt sie: „Selten stellt sich direkt nach der Facharztprüfung die Frage einer Teilhaberschaft in einer Praxisgesellschaft. Aber auch ein späterer Einstieg zu einem Zeitpunkt, wenn z.B. die Kinder schon größer und weniger betreuungspflichtig sind, ist möglich und dann vielleicht einfacher zu bewerkstelligen.“

Dr. Hannah Bannier

Dr. Hannah Bannier ist Praxisinhaberin. Gemeinsam mit ihrem Praxispartner und Schulfreund Dr. Helmuth Schürholz hat sie vor sieben Jahren eine radiologische Praxis in Backnang übernommen und wurde alsbald Netzmitglied. In den letzten Jahren war Frau Dr. Bannier trotz der Geburt von drei Kindern und Auf- und Ausbau ihrer Unternehmertätigkeit regelmäßig im Radiologienetz präsent – legendär ihre Anwesenheit mit Stillkind auf einer regionalen Vollversammlung in Ludwigsburg. Sie findet es „erschreckend, wie wenig Frauen in Führungspositionen in Praxen arbeiten oder gar Inhaber sind“. Ihre Ideen für die Stärkung des Frauenanteils in Praxis-Gesellschafterkreisen:

1. Teilzeit als Gesellschafterin sowie Minderheits-Beteiligungen: „Beides ist möglich. Viele Frauen lassen sich aufgrund der familiären Situation und des vermeintlichen finanziellen Risikos abschrecken. Dabei ist es in der Radiologie so einfach, in Teilzeit zu arbeiten und auch eine Beteiligung zu geringeren Anteilen zu erwerben. Eigene Stunden können in bestimmten Zeiten auch mit einer Anstellung abgedeckt werden.“

2. Die Flexibilität als Inhaberin ist nicht geringer als die einer angestellten Radiologin. „Sie ist nur anders. Einerseits können Arbeitszeiten und Urlaub nicht mehr diktiert werden, andererseits ist man immer zuständig (auch am freien Tag oder im Urlaub) und wird sehr häufig angerufen oder muss einspringen.“

3. Spezialisierung für junge Radiologinnen. „Mit entsprechenden Qualifikationen (Zusatzbezeichnung, zweiter Facharzt etc.) kann man sich in den meisten Fällen leichter in der mehrheitlich radiologischen Männerwelt durchsetzen.“ Sie selbst weiß als Doppelfachärztin, wovon sie spricht.
 

Fazit

Drei Radiologinnen, drei interessante Perspektiven. Die Redaktion dankt herzlich für die offene Kommunikation, die gerade bei dem „Frauenthema“ nicht immer selbstverständlich ist. Und dies aus den verschiedensten Gründen. So wollte sich eine der von uns angesprochenen Gesellschafterinnen nicht öffentlich äußern. Im Telefonat berichtete sie von diskriminierenden Erfahrungen in ihrem Berufsleben. Bevor sie in die Praxis, in der sie heute tätig ist, einsteigen konnte, war sie beispielsweise mit der Aussage einer männlich besetzten Praxis, bei der sie sich vorstellte, konfrontiert: „Frauen sind als Gesellschafterinnen nicht geeignet: Entweder sie werden schwanger oder sie bekommen Brustkrebs.“ Hoffen wir, dass dies eine Ausnahme ist und die Präsenz von Radiologinnen in Praxisteams durch die allgemeine Verknappung der ärztlichen Ressourcen weiterhin Aufwind erfährt!

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