Wegbegleiter aus den Praxen
Jürgen Witt, Radiologie Franken-Hohenlohe
Herr Witt, Ihre Praxis Radiologie Franken-Hohenlohe war Gründungsmitglied des Netzes Württemberg-Nord, Sie waren von Anfang mit dabei: als Netzpionier, berufspolitisch engagierter Fachbeirat und viele Jahre Curagita-Aufsichtsrat. Was ist Ihre Bilanz zu 25 Jahren Curagita und Radiologienetz? Hat sich die Zusammenarbeit im Netz so entwickelt, wie Sie sich dies erhofften? Hat Ihre Praxis profitiert?
J. Witt: Diese Frage kann ich nur aus meiner ganz persönlichen Warte beantworten. Unsere Praxis hat von der Zusammenarbeit mit Curagita und Radiologienetz insgesamt sehr profitiert. Es lief auch mal schief oder ging in die Hose (ich erinnere mich da schmerzlich an ein Management-/Steuerberaterprojekt, aber natürlich auch an die verlorene BDR-Wahl). Aber wie sagt man so schön: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ Und vieles hat uns sehr geholfen und weitergebracht. Wir konnten Dinge anpacken und schultern, die wir allein nicht geschafft hätten, wie zum Beispiel die Einführung und Organisation des Mammographie-Screenings und die PET CT-Kooperation in Löwenstein. Das Beste für mich war allerdings immer der Austausch unter den Praxen im Netz, die sich ja eigentlich als (teilweise) Nachbarpraxen in der Vorgeschichte eher spinnefeind waren. Die Gespräche unter den Kollegen haben uns immer im Sinne eines Best-Practice-Austauschs sehr weitergeholfen und das manchmal auch etwas schief hängende eigene Weltbild wieder gerade gerückt. Wir waren als Praxis immer offen für neue Dinge und haben durch diese Projekte insgesamt jedes Mal dazugelernt und uns entsprechend aufgestellt. Die Zusammenarbeit im Radiologienetz unter der Ägide des Curagita-Teams hat vielen Praxen geholfen, die alte Wagenburgmentalität hinter sich zu lassen und offener zu werden für neue Projekte und in manchen Dingen auch ein neues Denken. Nicht zuletzt war ein wichtiger Ausgangspunkt unseres Praxiswachstums auch die Fusion mit der Praxis Öhringen vom Kollegen Marx. Hier konnte man sich vorab durch die Treffen und die Zusammenarbeit im Netz besser kennenlernen und Vertrauen aufbauen.
Wie haben sich die Herausforderungen in der Zusammenarbeit im Netz entwickelt? Welche waren es zu Beginn, welche sind es heute?
J. Witt: Vielleicht ist unsere Praxis ja ein gutes Beispiel für die Veränderungen der letzten 25 Jahre: Wir sind als relativ kleine Praxis ins Radiologienetz gekommen und ich habe damals immer zu den „Großen“ aufgeblickt. Damals waren die meisten Praxen noch relativ klein (ein Standort, 2–3 Partner) und ihre Probleme standen im Vordergrund der vielen Gespräche im Netz. In der Zwischenzeit ist ein ausgeprägter Konzentrationsprozess gestartet, der immer noch anhält, und aus kleinen Einzel- oder Zweierpraxen sind mittelständische Unternehmen geworden, die ganz anders geführt werden müssen, als dies noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Das heißt aber auch für das Netz, dass der Kontakt in die Praxis nicht mehr nur zu einem oder zwei Partner bestehen kann, die ihrerseits die Netznews in die Praxis tragen und umgekehrt. Stattdessen gibt es heute z.B. in unserer Praxis 4 Partner und 14 angestellte Ärzte, die eigene Themenbereiche wie KI oder Prostata-Diagnostik abdecken. Weiterhin nehmen nicht-ärztliche Mitarbeiterinnen Aufgaben im Praxismanagement wahr. Die Netzthemen sind auf viel mehr Schultern verteilt und es ist die Herausforderung, dass die Informationen richtig fließen und die Kooperation zwischen den zuständigen Akteuren im Netz und in den Praxen gelingt.
Die gemeinsame Bündelung von Interessen scheint im Bereich der Industrieverhandlungen einfacher und erfolgsträchtiger (Stichwort: Großgerätebeschaffung und Serviceverträge) als im berufspolitischen Bereich. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
J. Witt: Das schließt sich nahtlos an die vorherige Frage an: Natürlich ist es einfacher, den Geräteeinkauf von mehreren größer gewordenen Praxen zu bündeln, als sich auf dem mühsamen Feld der Berufspolitik Ruhm und Ehre zu verdienen! Die berufspolitischen Interessen jeder Praxis sind unterschiedlich und sie wechseln auch durchaus je nach derzeitiger Honorar- und damit auch Gewinnsituation! Das Radiologienetz war von Anfang an keine berufspolitische Organisation und wir haben als Netz auch bisher nie die Größe und Ausdehnung erreicht, die nötig wäre, um als berufspolitischer Player hier wirklich gehört zu werden. Zudem muss man in der Berufspolitik ein ganz dickes Brett bohren, Erfolge gibt es kurzfristig kaum und die langfristigen Erfolge kommen so verzögert, dass jeder schon vergessen hat, wer sich da eigentlich damals die Mühe gemacht hat und gegen Windmühlenflügel gekämpft hat.
Die Art der Zusammenarbeit im Netz hat sich verändert. Persönliche Treffen sind rar geworden. Was hat sich verändert und wie beurteilen Sie diese Veränderungen?
J. Witt: Mit der Ausdehnung des Radiologienetzes auf große Teile Deutschlands hat sich der anfänglich eher regionale Charakter der Netzstruktur geändert und die Corona-Pandemie kam noch zusätzlich als große Zäsur bezüglich persönlicher Treffen hinzu. Auch in der täglichen Arbeit (Kooperation mit Kliniken, Tumorkonferenzen, Gespräche mit Geschäftsführung oder Verwaltung von Krankenhäusern) sind ja die Online-Konferenzen inzwischen nicht mehr wegzudenken. Sicherlich kann man viele Dinge auch in Online-Meetings besprechen und klären. Der Charakter eines persönlichen Meetings mit dem daraus folgenden Aufbau von persönlichen Beziehungen zu den Netzkollegen/innen ist allerdings langfristig durch nichts zu ersetzen. Vielleicht hilft hier eine Mischung von Online-Veranstaltungen und persönlichem Treffen wie auf dem Radiologienetz-Tag im November als gute Mischung von beidem.
Was wünschen Sie dem Radiologienetz für die Zukunft?
J. Witt: Für die Zukunft wünsche ich allen Mitgliedern im Radiologienetz eine gute und offene Zusammenarbeit und einen regen Austausch von Erfahrungen, Erfolgen und Misserfolgen! Das ist die Grundlage für einen langfristigen Erfolg und Stabilität in den eigenen Unternehmen! Mein Schlusssatz an alle jetzt oder kürzlich in eine Praxis eingetretenen Partner: Schauen Sie auf die Zahlen Ihrer Praxis und behalten sie diese im Blick. Verantwortlich für den langfristigen Erfolg Ihres Unternehmens ist allerdings Ihre persönliche Ausrichtung auf die Radiologie und Nuklearmedizin und die Qualität Ihrer täglichen Arbeit! Stimmt Ihre Qualität, dann kommt der wirtschaftliche Erfolg (wenn man daneben seine Zahlen im Blick behält) ganz automatisch!
Herr Witt, vielen Dank für das interessante Gespräch!
Einer der ersten im Radiologienetz: Dr. Klaus-Michael Ricken
Dr. Klaus-Michael Ricken war von Anfang an mit dabei. Er gehörte zu den ersten Radiologen, die sich die Idee von Johannes Schmidt-Tophoff, ein Radiologienetz zu gründen, anhörten und bald darauf engagiert und effektiv mit am Aufbau des Radiologienetz Rhein-Neckar-Pfalz mitgewirkt haben. Insgesamt vier Jahre war er auch als Curagita-Aufsichtsrat tätig. Vor gut acht Jahren ist er aus seiner Mannheimer Praxis ausgestiegen und genießt den Ruhestand. Curagita-Prokurist Bernd Nagel bat ihn um eine ganz persönliche Rückschau.
Lieber Herr Dr. Ricken, Sie und Ihre Praxis gehörten seinerzeit zu den Pionieren im Radiologienetz Rhein-Neckar-Pfalz. Was hat Sie damals dazu bewogen, sich den Ideen von Herrn Dr. Schmidt-Tophoff anzuschließen?
Dr. Ricken: Mich hat damals die Vision einer Rundumversorgung vom Praxis- und Sprechstundenbedarf bis hin zu Dienstleistungen überzeugt. Auch hatte ich die große Hoffnung, die damals überwiegend als „Einzelkämpfer“ tätigen Radiologen über diese Schiene zu vereinen. Zwar gab es damals in Baden-Württemberg die NORANUK mit einem entsprechenden Versuch, aber wirklich gelungen war das bis dato nicht. Über uns hing das Damoklesschwert deutlicher Honorareinbußen, aber zu echter Kooperation und Interessenbündelung waren die wenigsten bereit. Zaghafte Versuche in diese Richtung sind nach meiner Erinnerung nahezu alle gescheitert. Erst mit Curagita, die ich an dieser Stelle mal als „Einigungsmaschine“ bezeichnen möchte, hat sich hier viel geändert. Über gemeinschaftliche, zum Teil auch von mir angestoßene Projekte und deren Diskussion in den Vollversammlungen sind wir Radiologen seinerzeit in gute und vertrauensvolle Gespräche eingetaucht. Gerne denke ich hier an die damalige Aufbruchstimmung und Aufbauarbeit im Zusammenspiel mit den Kollegen Ach, Bock und Witt zurück. Natürlich waren nicht alle Projekte von Erfolg gekrönt, aber manchmal hat einen schon das Nachdenken und Diskutieren über die eine oder andere Fragestellung weitergebracht.
An welche Projekte denken Sie gerne zurück?
Dr. Ricken: Highlight war für mich damals die Realisierung des Mammographie-Screenings. Dafür gebührt allen Beteiligten ein großes Lob. Das Projekt haben wir seinerzeit nur bekommen, weil wir aufgrund der elaborierten Daten sehr gut argumentieren konnten. Von der Antragstellung bis hin zur Honorarverteilung lief alles wie am Schnürchen. Überhaupt haben uns auch bei zahlreichen anderen Projekten die „Zahlenmenschen“ von Curagita sehr geholfen. Ich denke hier insbesondere an Herrn Krüger, Frau Schmid und Sie, Herr Nagel, die aus Zahlen Informationen erarbeitet haben, die man so vom Steuerberater nicht bekam, zumal wir hier mit zunehmender Größe des Netzes auch mehr und mehr von einer immer breiteren Datenbasis profitiert haben. Ich denke hier z.B. an das Honorarcontrolling-Tool CuraFee, die Benchmarking-Projekte und an die diversen berufspolitischen Aktivitäten. Gerade in der Berufspolitik waren die Analysen von Curagita wie bspw. das damalige EBM-Gutachten von unschätzbarer Hilfe. Aber auch das Thema Qualitätsmanagement verdient hier eine Erwähnung, denn kaum einer hatte die Zeit und die Muße, sich damit eingehend zu beschäftigen. Dass sich CuRaMIS nicht erfolgreich durchsetzen konnte, fand ich persönlich sehr schade. Die Idee einer aussagekräftigen Finanzbuchhaltung unter Berücksichtigung der Spezifika unserer Fachgruppe und eines darauf aufbauenden Managementinformationssystems (Kosten-Leistungs-Rechnung mit Kennziffern und Benchmarks) fand ich damals sehr reizvoll. Ein Herzensprojekt von mir persönlich war damals noch die IT-basierte Dienst- und Urlaubsplanung, verknüpft mit einem Pool von Reservekräften. Hier hat sich in vielen Praxen bereits eine Menge getan. Ideal wäre m.E. in dem Bereich der Einsatz eines entsprechenden KI-Tools.
Gab es auch Projekte, die Sie kritisch gesehen haben?
Dr. Ricken: Hier fällt mir allenfalls die Realisierung einer eigenen KM-Produktion über die Insight Agents ein. Damit habe ich mich in gewisser Weise schon etwas schwergetan. Besonders herausfordernd war für mich darüber hinaus die Gründung der DeRaG (Deutsche Radiologienetz AG). Hier hatten wir als Radiologen-Aktionäre und auch in den Gremien die Möglichkeiten mitzuwirken. Mir jedoch fehlte schlicht die Zeit, mich ausführlich in die vorgeschlagenen Projekte einzuarbeiten. In beiden Fällen war die unternehmerische Überzeugungskraft von JST von großem Vorteil.
Also alles in allem ein überwiegend positives Fazit?
Dr. Ricken: Weitestgehend ja. Als Vorbereitung auf dieses Interview habe ich auch einmal meinen digitalen Kalender durchforstet und im Zeitraum von 2000 bis 2016 über 230 Termine mit dem Betreff „Curagita“ gefunden. Der damit verbundene zeitliche Aufwand war nicht unerheblich, zumal diese Termine (zeitweise war ich auch Fachbeirat und Aufsichtsrat) oftmals vor- und nachzubereiten waren. Ich bin meiner Frau sehr dankbar, dass sie mir privat damals den Rücken für mein Engagement freihielt.
Was wünschen Sie sich und dem Radiologienetz und seinen Praxen für die Zukunft?
Dr. Ricken: Als eine der größten Errungenschaften des Radiologienetz habe ich den stets geförderten Zusammenhalt unter den Praxen des Radiologienetz gesehen. Insofern wünsche ich dem Radiologienetz, dass diese Klammerfunktion und der kollegiale Austausch im Netz erhalten bleiben. Nicht aus den Augen verloren gehen sollte auch das berufspolitische Engagement im Netz. Hier sind aber auch die Radiologinnen und Radiologen in Form von persönlicher Präsenz bei Kammer und KV gefordert.
Herr Dr. Ricken, herzlichen Dank für das Gespräch.
An dieser Stelle gebührt natürlich allen anderen Netzpionieren Dank! Dazu gehören die Radiolog/innen der ersten Stunde aus dem Radiologienetz Rhein-Neckar-Pfalz, aber auch diejenigen, die beim Auf- und Ausbau der weiteren regionalen Netze Württemberg-Nord, Ost-Württemberg, München-Oberbayern (später Bayern), Köln-Bonn-Aachen und Berlin vorne mit dabei waren. Besonders viel Zeit kostete ein Engagement in einem offiziellen Mandat, sei es als Fachbeirat oder später als DeRaG-Aufsichtsrat, wovon die Radiologen Dr. Peter Nunninger, Dr. Friedhelm Roloff, Dr. Frank Rosa und Dr. Stefan Schneider ein Lied singen können. Trotzdem waren diese engagierten Mandatsträger und Pioniere teilweise omnipräsent und immer ansprechbar für andere Netz-Praxen, später auch für die MVZ und natürlich für das Curagita-Team.
Kommentare
Keine Kommentare