Honorarfalle Job-Sharing – oder: Warum es sich lohnt, Honorarbescheide genau zu prüfen
Im Verlauf der letzten Jahre haben viele KVen ihre Honorarverteilungsmaßstäbe (HVM) vereinfacht. Orientierten sich die Praxis- oder Arztbudgets vor 2019/2020 oftmals an Fallzahlen oder Leistungsmengen des Vorjahresquartals, finden wir heute in den meisten KV-Regionen HVM, die auf Werte des jeweiligen Abrechnungsquartals aufbauen. Oft kann man diese Regeln nicht mehr als Budget bezeichnen; sie dienen nur noch der Mengenbegrenzung durch differenzierte Arten der Quotierung. Bei Drucklegung dieses Artikels stellten nur noch die KVen Berlin und Baden-Württemberg auf Vorjahresfallzahlen, Rheinland-Pfalz auf Punktevolumen des Vorjahresquartals (VjQ) ab. In Bayern spielt das VjQ nur noch für die Fallzahlzuwachsbegrenzung MRT eine Rolle.
Dass es dennoch sinnvoll ist, Transparenz über das KV-Honorar und die Honorarverteilungsmechanismen der eigenen KV zu haben, zeigt das folgende Beispiel aus unserer Beratungspraxis. Es könnte so in jedem KV-Bezirk vorkommen, unabhängig nach welchen Kriterien eine Mengen-(vulgo Honorar-)begrenzung stattfindet. Es zeigt, dass es jenseits von Regelleistungsvolumen oder Auszahlungsquoten mehr zu beachten gilt.
Der Fall
Die Radiologische Gemeinschaftspraxis Musterhausen verfügt über fünf Sitze (alle Radiologie) und drei Standorte. Drei Versorgungsaufträge sind jeweils mit einem Radiologen zu 100 % besetzt. Die Sitzverteilung ersehen Sie aus Tabelle. Zusätzlich beschäftigt die Praxis einen Job-Sharing-Arzt in Teilzeitanstellung (32 Stunden).
Im Oktober 2021 reduziert Dr. med. D (1,0 Sitz) seinen Versorgungsauftrag um ein Viertel. Die Gesellschafter beschließen, dass der bisherige Job-Sharing-Arzt diese 0,25 Stelle besetzen soll. Der Zulassungsausschuss beschließt die Anstellung wie beantragt zum Quartalsbeginn 4/2021.
Mit dem Honorarbescheid 2/2022 bemerkt die Praxis einen Rückgang des Honorars, den sich die Ärzte nicht erklären können. Der Leistungsmix hat sich nicht verändert und die Fallzahlen sind sogar leicht gestiegen. Auch die Höhe der Regelleistungsvolumen lässt keine Erklärung erkennen.
Wir erhalten die Abrechnungsbescheide zur Prüfung. Nach der ersten Durchsicht aller Unterlagen fällt auf, dass es eine „Anlage § 101 SGB V“ gibt. Darüber hinaus entspricht die Verteilung der Fallzahlen auf die Ärzte in keiner Weise den prognostizierten Werten vor Abgabe der Abrechnung. Beides deutet auf die Leistungsbegrenzung beim Job-Sharing hin. Dieses allerdings sollte doch zu Beginn des vierten Quartals des Vorjahres enden. Aus der erwähnten Anlage zum Honorarbescheid geht hervor, dass die Praxis die Leistungsobergrenze überschritten hatte und daher das Gesamthonorar entsprechend gekürzt wurde.
Nachforschungen bei der KV treffen zunächst auf Unverständnis. Nach längerer Recherche und Nachfrage bei der KV bzw. der Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses ergibt, dass Dr. I zwar über eine Anstellungsgenehmigung (10 Stunden = ¼ Sitz) verfügt, die KV ihn aber gleichzeitig weiter als Job-Sharing-Angestellten führt.
Das mutet zunächst wie ein Widerspruch in sich an. Eine parallele Tätigkeit mit und ohne Leistungsbegrenzung ist unter den Maßgaben des HVM widersinnig. Seltsam mutet auch an, wie die KV das Dilemma löst: Die Hälfte der von Dr. I erbrachten Leistungsfälle werden ihm zugeordnet, die andere Hälfte der Seniorpartnerin A. Das erklärt, warum die Fallzahlverteilung von der prognostizierten abweicht. Da die Praxis die Job-Sharing-Obergrenze in den übrigen Quartalen des Jahres teils deutlich unterschritten hat, wäre eine Ausgleichszahlung über die Kompensation von vier Quartalen zu erwarten. Im KV-Bereich der Praxis erfolgt diese Kompensation mit der Abrechnung des ersten Quartals des Folgejahres. Im Honorarbescheid des Quartals 1 findet sich aber keine solche Zahlung. Wir formulieren einen Widerspruchstext, der von den Gesellschaftern selbst fristgerecht eingereicht wird. Wenige Tage danach hören wir telefonisch nach. Die KV anerkennt, dass die Praxis bei der Berechnung der Kompensation „vergessen“ wurde. Die Nachberechnung, die Curagita angestellt hat, wird in voller Höhe anerkannt. Innerhalb von zwei Wochen erhält die Praxis eine à Konto-Zahlung in Höhe von 90 % des Nachvergütungsbetrags. Die Spitzabrechnung erfolgt mit dem Honorarbescheid 2/2023.
So weit, so gut – oder? In Anbetracht des geplanten Wachstums wollte die Praxis das Job-Sharing-Verhältnis durch die Nachbesetzung des 1/4-Versorgungsauftrags beenden. Da dem ZA aber kein neuer Arbeitsvertrag vorgelegt wurde, ging ersterer davon aus, dass die Arbeitszeit von Dr. I unverändert blieb. Da mit dem 0,25-Versorgungsauftrag aber nur eine KV-gebundene Arbeitszeit von max. 10 Stunden möglich ist, hat der ZA das Job-Sharing nicht beendet. Dies hätte separat beantragt werden müssen. Nach der Kündigung eines der angestellten Ärzte erhielt Dr. I einen weiteren ¼-Sitz dazu. Mit Wirkung zum Quartal 4/2023 endete das Job-Sharing und damit die Leistungsbegrenzung.
Zulassungsausschuss und KV sind – trotz weitgehender Raum- und Personenidentität – zwei unterschiedliche nebeneinander operierende Behörden. Die oben geschilderte Komplikation mit den Honorarverteilungsregeln spielt für den Ausschuss keine Rolle. Da die KV vom ZA keine Information über die Veränderung erhielt, blieb der Status des Dr. I für die Honorarabteilung der KV unverändert. Dieses reale Fallbeispiel zeigt die komplexen Zusammenhänge im Zulassungs- und Honorarrecht. Auch wenn auf den ersten Blick mit Ihren Honorarzahlungen alles in Ordnung scheint, ist es sinnvoll, die Unterlagen von Experten durchleuchten zu lassen.
Der Expertentipp
Auch wenn in Ihrer Konstellation kein Job-Sharing-Verhältnis vorliegt, sollten Sie bei Wechsel von Partnern oder angestellten Ärzten das Praxis-RLV kontrollieren. Hier passieren manchmal Fehler seitens der KV. Die RLV-Zuweisung vor Quartalsbeginn bildet den tatsächlichen Sachstand meist nicht ab, da Arztregisterdaten teils weit nach den Beschlüssen der Zulassungsgremien aktualisiert werden. Zur besseren Steuerung von Fallzahlen und Leistungen empfehlen wir, diese Daten zu überprüfen und für die interne Verwendung anzupassen. So kann es z. B. sinnvoll sein, dass ein nachrückender Arzt nicht auf die Jungarztregelung setzt, sondern die Fallzahlen des Vorgängers übernimmt, wenn er dessen Patientenzahl voraussichtlich nicht erreichen kann. Dieser Schritt ist auch innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Honorarbescheids im Widerspruchsverfahren nachzuholen.
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