Geplante GOÄ macht Quersubventionierung des EBM zunichte

Die in der Diskussion befindliche GOÄ-Novellierung führt, wie in der letzten Vollversammlung ausgeführt, zu einem Umsatzrückgang von durchschnittlich mindestens 29% und wird die niedergelassene Radiologie ins Mark treffen. Um dem entgegenzuwirken, hat der Fachbeirat unter Führung des gewählten Vertreters der Mitglieder des Radiologienetz, Dr. Klaus Mott, einen offenen Brief entworfen.

Dieser soll an Ärztekammern und Krankenkassen, aber auch an die im Rahmen der Radiologienetz-Initiative „Berufspolitik vor Ort“ angesprochenen Bundes- und Landtagsabgeordneten verschickt werden. Wie immer argumentiert das Radiologienetz dabei mit evidenzbasierten Finanzzahlen, hier in Form einer Simulation der offiziellen, letzten Destatis-Zahlen (vgl. Abbildung am Ende). Fraglich ist aber, ob sich der Protest gegen die GOÄ an die Richtigen wendet. Radiologische Untersuchungen von Privatpatienten bleiben auch nach Abzug von 29% der Vergütung profitabel (vgl. folgende Tabelle) und werden den Radiologen nicht von Platz 1 der jährlichen Reinertragsstatistik unter allen ärztlichen Fachgruppen verdrängen. Mitleid ist daher kaum zu erwarten. Das Problem ist also nicht die GOÄ, sondern die Quersubventionierung des EBM durch die GOÄ, wie die erste, grobe Simulation auf Basis der Destatis-Zahlen verdeutlicht:

Nimmt man die kaum angreifbare, neuste Destatis-Praxis (hier je Praxisinhaber, Durchschnitt aller, auch iMVZ-Praxen) lässt sie sich in eine Privat- und eine Kassenpraxis aufteilen. 20% der Patienten inkl. BG, Beihilfe können der Privat- und 80% der Patienten und damit der patientenbezogenen Kosten der Kassenpraxis zugeordnet werden. Setzt man dann die vom Radiologienetz gebetsmühlenartig in die Diskussion gebrachten und mit Gutachten belegten betriebswirtschaftlichen Vollkosten (z.B. für Unternehmerrisiko des hohen Einstiegspreises) an, wobei das vergleichbare Arbeitgeberbrutto-Oberarztgehalt (mit Privatpool, ohne Dienste) heute bei über 160.000 € liegt, kompensierten die Gewinne der Privatpraxis zumindest 2022 noch die Verluste der Kassenpraxis. Kommt nun im nächsten Jahr die GOÄ-Novellierung (-29%) bei Privat- und bei auf GOÄ basierenden Krankenhaus-Einnahmen hinzu und wird die allseits bekannte Kosteninflation (+10% Personal, +5% Sachkosten) einbezogen, dann reicht die Kompensation 2025, hier als Jahr 1 nach GOÄ-Reform angenommen, nicht mehr aus und die Verluste fressen das Arztgehalt komplett auf. Das heißt, der Arzt arbeitet umsonst, ohne dass die Praxis Gewinne erwirtschaftet. Genau dieser Verlust müsste nun auf die Kasseneinnahmen aufgeschlagen werden (+27%), um den Arzt gerecht zu entlohnen und um ihm seinen bereits bezahlten Praxiswert nicht zu entziehen. Beim Praxiswert unterstellen wir einen langfristig geliehenen und gebundenen und daher real und kalkulatorisch mit dem Einlagerisiko zu verzinsenden Kapitaleinsatz bei Einstieg. Hier könnte man sogar 2022 Niedrigzinsen von 1% ansetzen und 2025 4-5%.

Intern haben wir mit Dr. Mott besprochen, dass wir diese zahlenbasierte Argumentation nicht nach außen kommunizieren, sondern uneigennützig dem BDR zur weiteren Verwendung zur Verfügung stellen. Dabei muss uns allen klar sein, dass wir hier ein dickes Brett im GKV-Bereich bohren müssen, um die Wurzel des Honorarübels zu beeinflussen. Dazu wären wohl auch Gutachten von renommierten Gesundheitsökonomen, wie z.B. der Professoren Neubauer oder Wasem, nötig. Aber wie und gegen wen wollen wir sonst in dieser aus unserer Sicht gerechten Sache kämpfen? Herr Dr. Mott und wir werden die Vorgehensweise und die Argumente auf dem Radiologienetztag aus aktuellem Anlass mit Ihnen diskutieren. Auf jeden Fall und unabhängig von einem berufspolitischen Erfolg werden sich die Mitgliedsradiologen auf die Honorareinbussen vorbereiten müssen, weshalb Herr Bernd Nagel mit Ihnen im Rahmen seiner konkreten Case Study auf dem Radiologienetztag Kostenreserven aufspüren und bergen helfen wird.

Entwurf: Offener Brief des Radiologienetz Deutschland zur geplanten Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Radiologienetz Deutschland, ein Zusammenschluss von 400 niedergelassenen Radiologen/-innen in über 100 radiologischen und nuklearmedizinischen Praxen, wendet sich mit großer Sorge an Sie bezüglich des kürzlich vorgestellten Entwurfs der neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).

Der vorliegende Entwurf, der von der Bundesärztekammer gemeinsam mit dem Verband der privaten Krankenversicherungen und Vertretern der Beihilfe erarbeitet wurde, sieht für Radiologie, Nuklearmedizin, Strahlentherapie und weitere diagnostische Leistungen mutmaßlich einen geplanten Rückgang der Einnahmen um 29% vor. Unsere eigenen Vergleichsrechnungen auf Basis aktueller Abrechnungsdaten zeigen jedoch, dass der tatsächliche Verlust noch deutlich höher mit 40-60% ausfallen würde.

Wir möchten auf folgende kritische Punkte aufmerksam machen:

1. GOÄ-Absenkung gefährdet die quersubventionierte Gesamtversorgung

Die neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes1 belegen, dass bedingt durch EBM-Reform und gestiegene Kosten der Reinertrag je Praxisinhaber weiter zurückgeht. Sollten nun die Erlöse aus privatärztlichen Behandlungen tatsächlich um mindestens 29 % sinken, verbleibt unter Berücksichtigung inflationärer Kostensteigerungen seit 2022 und in den Zahlen unberücksichtigter kalkulatorischer Kapitalkosten2 nur noch ein Überschuss, der weder ein angemessenes Arztgehalt zulässt (s. Anlage) noch eine zukunftsfähige radiologische Versorgung. Diese hat naturgemäß einen gegenüber anderen Arztgruppen hohen Investitionsbedarf und auch einen kostenintensiven laufenden Betrieb. Schon heute quersubventionieren Einnahmen von Privatpatienten die GKV-Patienten und eine defizitäre Kassenradiologie. Eine Reduktion der Privateinnahmen im geplanten Ausmaß destabilisiert die aktuelle Versorgung. Medizinischer Fortschritt, der dem Wohl der Menschen dient, wird so der finanzielle Boden entzogen.

2. Gewollte Kooperationen mit Krankenhausradiologien nicht mehr möglich

Die in Deutschland weitverbreitete ambulant-stationäre Versorgung – volkswirtschaftlich, gesundheitspolitisch eine ideale Konstellation zur Ressourcennutzung - von Krankenhausradiologien wird über die GOÄ abgerechnet. Mit der Änderung der GOÄ wird diese versorgungskritische und für manche Krankenhäuser überlebenswichtige Kooperationsform auf den Kopf gestellt.

3. Enteignung durch die Hintertür

Der staatlich betriebene, geplante Gewinnentzug hat massive Auswirkungen auf den Praxiswert: In Deutschland wird ärztliches Unternehmertum in der geräteintensiven Radiologie aussterben – die innovativen, aber teuren Investitionsgüter können zukünftig kaum finanziert werden. Praxisnachfolger sind bereits heute Mangelware und mit der neuen GOÄ ginge der Praxiswert auf 0. Eine radiologische Praxis wäre durch den staatlichen Eingriff nahezu unverkäuflich. Damit würde dem Radiologen seine mit Praxiseinstieg und auch weiterhin getätigte Investition in die kapitalintensive, hochinnovative Radiologie und seine Altersversorgung genommen. Die Folge wäre eine massive Gefährdung der flächendeckenden radiologischen Versorgung in Deutschland.

4. Systemische Einheit der Vergütungssysteme

Die geplante Abwertung technischer Leistungen in diesem Umfang stellt einen klaren Systembruch dar. Das Bundessozialgericht weist in mehreren Urteilen (u.a. B 6 KA 76/00 B vom 14.03.2001) darauf hin, dass die Vergütungssysteme „ein als ausgewogen zu unterstellendes Tarifgefüge bilden“. Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung regelt, keine grundlegenden Änderungen, „die das Zusammenspiel von GKV und PKV beeinflussen könnten“ zu beschließen. Eine einseitige Abwertung des privatärztlichen Honorars würde dieses Gleichgewicht empfindlich stören, da die Vergütung in der GKV keine ausreichende Kostendeckung einer radiologischen Praxis gewährleistet.

5. Unzureichende Berücksichtigung der Inflation

Die vorgesehene Steigerung des Vergütungsvolumens um jährlich 4,2% steht in keinem Verhältnis zum Inflationsausgleich seit 1996, der bei 67% liegt. Dies gefährdet gerade die wirtschaftliche Tragfähigkeit radiologischer Praxen erheblich, die zugunsten einer hochinnovativen Patientenversorgung langfristig in neue Technologien investiert und auf eine angemessene Vergütung vertraut haben.

6. Mangelnde Transparenz und Einbeziehung der Fachverbände:

Die Verhandlungen der Bundesärztekammer fanden hinter verschlossenen Türen statt, ohne inhaltliche Informationen an die betroffenen Fachgruppen weiterzugeben. Wir fordern eine Erklärung für die geplante Abwertung und eine Einbeziehung der Fachgesellschaften in den Prozess.

Die vorgeschlagene Neuverteilung der Mittel zwischen "sprechender Medizin" und "diagnostischer Medizin" führt zu einer unerwünschten Spaltung der Ärzteschaft. Eine solche Verschiebung von Mitteln, die einen Bereich gegen den anderen ausspielt, ist nicht zielführend für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung.

Wir fordern daher dringend:

1. Eine aufwandsentsprechende Gesamtvergütung von Radiologieleistungen für alle, für EBM-GKV- und GOÄ-Privatpatienten, die einem niedergelassenem Radiologen/-in angesichts der Risiken einen arztüblichen Verdienst ermöglicht und junge Radiologen/-innen nicht weiter abschreckt.

2. Eine Neubewertung des GOÄ-Entwurfs unter Einbeziehung der betroffenen Fachgesellschaften.

3. Eine transparente Darlegung der Berechnungsgrundlagen für die geplanten Abwertungen.

4. Die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für moderne medizintechnische Geräte und deren Betrieb.

5. Eine angemessene Anpassung der Vergütung an die Inflationsentwicklung seit 1996.

6. Die Beibehaltung des Prinzips der freien Verhandlung der Gebührenordnung für einen freien Beruf, statt einer Annäherung an das System der begrenzten Gesamtvergütung.

Das Radiologienetz Deutschland verfügt über Finanzzahlen verschiedenster GKV- und PKV-Untersuchungen sowie von Praxen unterschiedlicher Art und steht für konstruktive, evidenzbasierte Gespräche zur Verfügung, um eine für alle Beteiligten tragfähige Lösung zu finden, die sowohl die Qualität der medizinischen Versorgung als auch die wirtschaftliche Zukunft der radiologischen und nuklearmedizinischen Praxen in Deutschland sicherstellt. Gerne erläutern wir Ihnen die unseren Berechnungen zu Grunde liegenden Daten und Annahmen.

Mit freundlichen Grüßen,

Der Fachbeirat des Radiologienetz Deutschland

 

Anlage: Simulation anhand neuster Destatis-Zahlen zur niedergelassenen Radiologie unter der Annahme, dass die GOÄ-Reform wie derzeit geplant ab 2025 gilt.

1 Kostenstrukturstatistik im medizinischen Bereich 2022:“Radiologie“ vom 3.9.2024

2 Die bei Destatis erhobenen Einnahmenüberschussrechnungen spiegeln nicht die tatsächliche Umsatz- und Kostensituation des Radiologenunternehmers wider, der zugleich Leistungserbringer, Praxismanager und Investor ist Berücksichtigt werden müssen u.a. Zins und Tilgung für Einstiegskosten in Millionenhöhe bzw. die Amortisation von Investitionen in Geräte in Höhe des Wiederbeschaffungswertes. 

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