9. Radiologentag in Heidelberg – Kongress für die niedergelassene Radiologie
Am 18. November 2017 war es soweit: Radiologienetz hatte zum nunmehr 9. Radiologentag in die Print Media Academy eingeladen und knapp 200 Gäste, davon über 100 Radiologen und circa 60 nicht-ärztliche Mitarbeiter aus Mitgliedspraxen konnten zum Kongress der niedergelassenen Radiologie willkommen geheißen werden.
Bereits am Tag zuvor fanden die Sitzungen des Fachbeirates und der RaDiagnostiX-Fokusgruppe sowie die DeRaG-Pool-(Haupt)-Versammlung statt. Am Samstag brachte der Radiologentag dann die Mitgliedspraxen sowie an Niederlassung und Netz Interessierte zusammen.
Die Themen des diesjährigen Radiologentages nahmen Bezug auf drei Felder: Medizin, Praxismanagement und Zukunft der Radiologie. Das Thema Berufspolitik blieb erstmals außen vor, da die aktuelle Situation der deutschen Bundesregierung keine neuen, unmittelbaren Schlussfolgerungen für die Radiologie zulässt. Klar ist lediglich, dass irgendwann mit einem neuen Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) zu rechnen ist.
Radiologie-(Praxis) 2017/2018
Dr. Johannes Schmidt-Tophoff begrüßte die Teilnehmer und ging über eine tagespolitische Brücke von Jamaika, wo 2,7 Millionen Einwohner mit 10 Kernspintomographen versorgt werden, zum Tagungsort Heidelberg mit ebenfalls schwarz-gelbgrünem Stadtwappen und einer 36-mal so hohen MRT-Versorgung. Er skizzierte die Heidelberger Radiologielandschaft mit Privat- und internationaler Patientenklientel und mit spezialisierten Teilradiologen aus den Fachbereichen Kardiologie und Orthopädie und stellte die Frage in den Raum, ob dies bereits als typisch für die Entwicklung der niedergelassenen Radiologie in Deutschland angesehen werden könne.
Neben dem Anspruch der Nachbardisziplinen auf die Radiologie ist für ihn ein weiterer Trend schon klar sichtbar: der Trend – weg von der klassischen freiberuflichen Praxis hin zu Betreibermodellen. Großgeräteund Pharmahersteller entwickeln sich schon seit Längerem im Ausland zu Radiologie-Betreibern in Praxis und Krankenhaus à la Fresenius, und die Private Equity-Szene hat die deutsche niedergelassene Radiologie als profitable Branche entdeckt. Noch gibt es regulatorische Hürden und Vorbehalte niedergelassener Radiologen. Viele ältere Radiologen sehen aber ihren Exit optimiert und auch Jüngere sehen in starken Partnern und Verbünden zukunftssichernde Optionen. Schmidt-Tophoff prognostiziert, dass 2018 Private Equity ca. 350 Mio. € Umsatz und damit 13% des ambulanten, sich weiter ausdifferenzierenden Marktes kontrollieren wird. Der Blick über den Ozean bestätigt diese Trends: In den USA sind beispielsweise bereits mehr als die Hälfte aller Radiologen in Verbünden/Gruppen angestellt. Doch Schmidt-Tophoff warnte auch vor negativen Konsequenzen des scheinbar besonders lukrativen Geschäfts mit Finanzinvestoren und stellte den typischen Lebenszyklus einer Private Equity-Beteiligung vor. Da diese auf eine stetige Wertsteigerung angewiesen seien, müssten sie restrukturieren, wachsen, Kosten senken, sanieren und am Ende teuer verkaufen. Dass dies mit einschneidenden Konsequenzen für Mitarbeiter und Patienten einhergehe und die Praxis für die Radiologie „verloren“ sei, sei unvermeidbar. Als eine Alternative zu reinen Finanzinvestoren oder industriellen Betreibern haben Mitgliedsradiologen von Radiologienetz vor nunmehr sieben Jahren die Deutsche Radiologienetz AG (DeRaG) als eigenes Betreibermodell gegründet – von Radiologen für Radiologen. Auf Basis der in 2017 gekauften und sanierten Praxen betreibt die DeRaG in Zukunft 21 Standorte mit 39 Arztsitzen und Großgeräten, deren knapp 250 Mitarbeiter (darunter 50 Ärzte) einen Umsatz von über 40 Mio. € erzielen.
Schmidt-Tophoff beendete seinen Begrüßungsvortrag mit dem Appell an Praxisinhaber, sich mit angemessenem zeitlichen Vorlauf mit diesen hochstrategischen Praxis-(Exit-)Themen zu beschäftigen und ihr Netz zu nutzen, um Synergien zu schaffen und Verhandlungsstärke als Gruppe optimal zu entfalten – sei es für berufspolitische oder Gruppenbeschaffungszwecke.
Im Anschluss begann ein umfangreiches Workshop-Programm.
Am Nachmittag kamen alle ein weiteres Mal im großen Auditorium der Print Media Academy zusammen. Zunächst wurde der Dritte Deutsche Medienpreis für Radiologie und Nuklearmedizin verliehen.
Blick in die Zukunft der Radiologie
Curagita-Vorstand Dr. Michael Kreft eröffnete das Podium mit einem Update des „Szenarios Radiologie 2020“, das bereits 2006 im Radiologienetz unter Einbeziehung vieler Branchenexperten erstellt worden war und ziemlich treffgenau viele Entwicklungen in der niedergelassenen Radiologie der letzten zehn Jahre beschrieben hatte. Unter dem Schlagwort „Szenario Radiologie 2030“ stellte Kreft seinen Plan zur Fortschreibung dieses Zukunftsentwurfs vor. Er rief insbesondere die jüngeren Mitglieder auf, sich aktiv an dieser Prognose, deren Auswirkungen sie in ihrem Arbeitsleben noch direkt betreffen werden, zu beteiligen – entweder durch Beiträge/Kommentare zum Thema oder durch die Teilnahme an einem Zukunftsworkshop, der im nächsten Jahr stattfinden soll.
Wohin entwickelt sich die Medizintechnikindustrie?
Dr. Christian Weis von Siemens Healthineers stellte anschließend die aktuellste Technologie in Sachen Computertomographie vor. Bei der Entwicklung werde heute, so Weis, vor allem auf Standardisierung, Qualitätssicherung und Kostenreduktion über die Laufzeit großen Wert gelegt. Er betonte in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der Kooperation von Radiologen als Anwender mit Medizintechnik-Entwicklern. So haben bei der Entwicklung des SOMATOM.go.Up 50 Ingenieure mit 500 Ärzten zusammengearbeitet.
Radiomics, künstliche Intelligenz, etc. – was dürfen wir für die Zukunft erwarten?
Einen Schritt weiter im Thema Technologie der Zukunft ging anschließend Prof. Dr. Horst Hahn vom Fraunhofer Institut für Bildgestützte Medizin in seinem Vortrag. Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildete der Aspekt, dass die immens steigende Menge an Daten mit einer wachsenden Fehleranfälligkeit seitens der (menschlichen) Befunder einhergeht. Andererseits werde durch immer bessere Bildgebungstechnik Fehlerfreiheit und Befundsicherheit angestrebt. Für Hahn eine Herausforderung, die nur durch den Einsatz von Computern gemeistert werden kann. So können Computer hochgenau Muster erkennen und räumliche Korrelationen suchen. Am Beispiel der Verlaufsanalyse, bei der Bilder von einem Patienten, die zu verschiedenen Zeitpunkten entstanden sind, miteinander verglichen werden, machte Hahn deutlich: Der Computer legt die Bilder übereinander und subtrahiert die Unterschiede. Dadurch kommt er in Sekundenschnelle zu qualitativ exakteren Ergebnissen als jeder Mensch.
Hahn ist sich sicher: Computer können zukünftig vieles der radiologischen Arbeit schneller und besser erledigen. Die Entwicklung ist bereits voll im Gange. Er sieht die Radiologen dabei nicht als Verlierer, sondern leitet den Anspruch ab, dass ihre Rolle sich verändern wird und es an ihnen liegt, ob sie die Initiative ergreifen, um sich zu einer Art interdisziplinärer Diagnoselotse mit führender Funktion entwickeln.
Wie Radiologienetz auf die Zukunft vorbereitet
Vierter auf dem Podium war Jürgen Witt, niedergelassener Radiologe und Fachbeirat im Radiologienetz. Er schlug den Bogen von der Zukunft seines Fachgebiets zu den aktuellen Themen des radiologischen Praxisalltags. Dazu stellte er die Ergebnisse der vom Fachbeirat gerade durchgeführten Mitgliederumfrage zum Netznutzen vor. Denn klar ist: die Mitgliedschaft soll jederzeit einen klaren Nutzen für die Radiologen im Radiologienetz darstellen. Abgeleitet aus den Befragungsergebnissen sind dann auch die Schwerpunkt-Themen für die Vollversammlungen im nächsten Jahr: Teleradiologie, Nuklearmedizin in der radiologischen Praxis, Strahlenschutzgesetz und Dosismanagement. Ein Anliegen von Witt war auch die noch bessere Aktivierung aller Mitglieder zum Nutzen jedes einzelnen Mitgliedsradiologen – es gelte, die Synergien der Kooperation optimal auszuschöpfen – heute und auch in Zukunft mit allen ihren Herausforderungen für die niedergelassene Radiologie.
Vier Referenten mit hoher Übereinstimmung in der Einschätzung zentraler Entwicklungen: Modernste Technologien und Automation werden in absehbarer Zeit die Radiologie und die Rolle des Radiologen verändern. Die anschließende Diskussion mit dem Auditorium zeigte, dass alle Anwesenden die skizzierten Entwicklungen für realistisch hielten. Die Schlussfolgerungen der Radiologen bezüglich der Auswirkungen auf die Niederlassung und ihre künftige Rolle fielen jedoch sehr unterschiedlich aus.
Um 18 Uhr ging ein langer Radiologentag zu Ende, der von den Teilnehmern vielfältig genutzt werden konnte, um sich zu informieren und eigene Kenntnisse zu erweitern, aber auch ausreichend Gelegenheiten bot, sich in angeregten Gesprächen kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen.
Gesellige Runden an den Abenden
Für einen unterhaltsamen Auftakt des Radiologentages sorgte am Freitagabend das Duo „Huub Dutch“ mit einem originellen Mix aus Gesang, Keyboard und „Wäscheleinophon“ zum kulinarischen Feierabend. Traditionell sind die Gastgeber des „Cura-Pub“ in den Büroräumen im Haus der Radiologie das Curagita-Logistik- Team um Sebastian Rudolph mit selbstgezimmerter Bar und in lockerer Happy hour-Atmosphäre.
Am Samstag konnten die Teilnehmer den langen Kongresstag, der mit viel Sitzen und Stehen einherging, im nahegelegenen Racket-Center bewegt ausklingen lassen. Für eine umfangreiche Aktivierung der Geschmacksnerven sorgte ein italienisches Buffet im Center-Bistro.
Die erste Resonanz der Teilnehmer fiel sehr anerkennend aus. „Welche Inspiration, so viel spannende Themen, es war ein Genuss und mehr als anregend, dabei sein zu dürfen“ war ein besonders schönes Lob eines langjährigen Mitgliedsradiologen, über das sich die Veranstalter freuen durften.
Der kommende 10. Radiologentag findet am 17. November 2018 statt.
Weitere Informationen zu den Radiologentagen finden Sie unter www.radiologentag.de.
Unseren Rückblick auf die Workshops zum 9. Radiologentag finden Sie hier.
Ihre Ansprechpartner:
Dr. Johannes Schmidt-Tophoff
Dr. Michael Kreft
Organisation Radiologentag:
Eva Jugel