11. Radiologentag: Die Intelligenz des Schwarms nutzen

Kann man von einem Kongress der Radiologen erwarten, dass die Teilnehmer mit einem veränderten Mindset am Abend die Print Media Academy verlassen? Man kann. Denn die Organisatoren vom Radiologienetz investierten in neue Ansätze und Technologien, mit deren Hilfe sich die unsichtbaren Grenzen zwischen Podium und den gut gefüllten Zuschauerreihen auflösten und das Wir-Gefühl an Raum gewann.

Bereits im Vorfeld war klar, dass beim Thema Schwarmintelligenz jeder interaktiv mitwirken würde. Unser Schwarm aus 100 Praxen im Netz zeigte sich mit knapp 180 Vertretern am Kongress bereit, seinen Teil einzubringen, damit Ideen, Fragen, Herausforderungen und Perspektiven der Zukunft unter den Prämissen des intelligenteren Schwarms diskutiert würden. Zuerst trat Dr. Michael Kreft an das Rednerpult und kündigte nach einer freundlichen Begrüßung die Gäste für Vortrag, Moderation und Podium an. Dann übernahm der Moderator und Spezialist für Schwarmintelligenz Heiner Koppermann.

Die intelligente Masse im Plenum

Dass gemeinsame Interaktion Spaß macht, bewies Heiner Koppermann ab der ersten Minute. Kurz wies er das Auditorium in die installierte Infrarottechnologie im Raum und das Heben und Senken der SwarmPads (Signalkellen) ein und schon wurde das Agieren im Schwarm direkt beim virtuellen Pong-Spiel erprobt. Aufgeteilt in zwei Teams, versuchte das Publikum den Ball beim Gegner im Tor zu versenken sowie Gegentore zu verhindern – alles mithilfe der Reflektorkellen, die umso präziser das Geschehen auf der Leinwand lenkten, je mehr Teilnehmer sie einsetzten.

Nach diesen Ausführungen ging es in verschiedene Panels mit dem Ziel, durch interaktive Technologien zu guten Diskussionsergebnissen zu kommen.

Schwarmintelligenz in der Praxissteuerung und -organisation

Dr. Michael Kreft griff bei seinem Vortrag die Frage auf, auf welche Weise sich MVZ und Praxen schwarmintelligent steuern und organisieren lassen. Im Speziellen stellte er ein kürzlich erarbeitetes Kennzahlen-System der Conradia-MVZ vor und fragte die Anwesenden, ob sich diese Systematik auch für andere Praxen eigne. Es entspann sich im Podium aus dem kaufmännischen Geschäftsführer der Conradia Berlin Olaf Mallien und dem ärztlichen Leiter von Conradia Berlin und München Professor Dr. Thomas Henzler eine Diskussion über den richtigen Grad von Zentralisierung und Dezentralisierung, von Vorgaben bzw. Hierarchie und ergebnisoffener Mitgestaltung.

Am Beispiel der Conradia zeigt Kreft auf, wie sich durch Kennzahlen vorgegebene Schwarmintelligenz positiv auf die Geschäftsergebnisse innerhalb der Conradia auswirken kann. „Sehr gute Erfahrungen einiger Praxen können anderen Radiologien als Benchmark dienen“, so sein Credo. Je nach Aufgabenstellung kann natürlich auch eine offene Befragung des Schwarms zur Verbesserung der (Zusammen-)Arbeit im Praxisverbund führen. Im Fazit benannte Kreft die Vorteile einer hohen Zahl an Messwerten, die objektive Erkenntnis und Potenziale transparent offenlegen. Ergänzend dazu die im Schwarm manifestierte Kreativität, aus welcher sich mitunter vollständig neue Denkweisen und Handlungsmuster ergeben könnten. Er bot interessierten Netzpraxen an, sich in die Prozesse bspw. das Benchmarking mit einzubinden, um Erkenntnisse und Diskussionsgrundlagen für die eigene Praxis zu gewinnen.

Prof. Dr. Lars Grenacher aus der Conradia Radiologie München stellte in seiner Keynote dem Auditorium die Frage: „Was ist wirklich Chefsache?“ Ist in einem Schwarm wirklich jeder gleichberechtigt oder braucht es stets jemanden an der Spitze, ähnlich wie bei einem Wolfsrudel? Die Antwort ist simpel: Ohne Führung geht es nicht, auch wenn der Rudelführer nicht unbedingt an der Spitze sichtbar marschieren muss. Grenacher stellte die Fülle der Praxismanagement-Aufgaben vor und verwies auf die Ergebnisse der sommerlichen Netzbefragung. Hier hatten sich niedergelassene Radiologen vor allem mehr zeitliche Entlastung gewünscht. Viele Praxen beschäftigen dafür Praxismanager. Doch wie bindet man die wirklich sinnvoll in das Praxisgeschehen ein, damit sie entlasten. Bernd Nagel, Praxismanager der Radiologie Darmstadt, sieht sich als Partner auf Augenhöhe für seine Arbeitgeber. Das ist nicht überall so. Der Kompetenzbereich der meisten Praxismanager umfasst die Koordination des Personals. Volle Transparenz bezüglich Praxisstrategie und -finanzen gibt es eher selten. „Muss es auch nicht“, so Dr. Klaus Mott, Partner in der Radiologie Ortenau und ebenfalls Podiumsgast dieses Panels. Das Auditorium stimmt ihm zu. Nur 35 Prozent der Anwesenden stimmten für eine vollständige Transparenz der Geschäftsinhalte, 22 Prozent sogar vollständig dagegen. Allerdings verwiesen einige Wortmelder auf die stark variierenden Zuständigkeitsprofile der Praxismanager. „Dem Chef obliegt in jedem Fall die Ausgestaltung der Führungskultur“, führte Professor Grenacher zuletzt aus. Entschiedenes Vorangehen und empathisches Eingehen auf die Bedürfnisse von Personal und Patienten zeichnen seiner Meinung nach eine erfolgreiche Führungspersönlichkeit aus.

 

Mehr Schwarmintelligenz durch Praxisnetze und -verbünde?

Nach der Mittagspause folgte ein intensives Panel mit externen Gästen. Das Prinzip der Schwarmintelligenz haben sich Hersteller von Geräten wie Siemens zunutze gemacht. Dr. Stefan Schaller, Europa-Vertriebschef von Siemens Healthineers zeigte an mehreren Beispielen des aktuellen Geräteportfolios, wie mehr als 180.000 protokollierte Scan-Einträge in einen KI-gestützten Workflow eingearbeitet und von Radiologen verifiziert ein Set von zwanzig Entscheidungsbäumen im MRT ergeben, welches der MTRA bei Untersuchungen die Einstellungen erleichtert und die Patientenvorbereitung optimiert. Er wies darauf hin, dass jede Praxis durch die Nutzung der Geräte neue Datenpunkte liefert, welche die AI (Artificial Intelligence) noch intelligenter mache.

Dr. Johannes Schmidt-Tophoff ging das Thema Schwarmintelligenz im Anschluss aus der Perspektive Radiologienetz bzw. DeRaG an. Wie stellt sich dieser Schwarm im Detail dar und was macht ihn stark? Mit welchen anderen Schwärmen oder Raubfischen ist zu rechnen? Seine provokant formulierte These „Der Schwarm sucht leichte Beute“ wurde vom Publikum weiter differenziert. Ob eine radiologische Praxis ein Raub- oder ein Beutefisch sei? Das Publikum war sich zu 70,5 Prozent darüber einig, dass radiologische Praxen eher Beutefische seien. Schmidt-Tophoff bewertete dieses Votum als absolut tragbar, schließlich könne sich der im Schwarm organisierte Beutefisch gut gegen Raubfische verteidigen, beispielsweise bei der Interessenverteidigung gegenüber Zuweisern/Teilradiologen, Industrien sowie den KV/Kassen. Zwanzig Jahre Radiologienetz waren für ihn Beweis genug, dass der intelligente Schwarm Power hat und zukunftsfähig ist.

Ein anderes Beispiel für Schwarmintelligenz brachte Dr. Winfried Leßmann, Vorstand des Praxisverbunds Med 360° in die Diskussion ein. Seine Strategie sei Überleben durch Kooperation. Dies reflektierte er anhand von Beispielen aus den Bereichen Orthopädie und Kliniken. Wichtig war ihm auch zu betonen, welche Verantwortung er als „Rudelchef“ hat. So habe er sich bewusst gegen die Angebote von Private Equity entschieden und damit für eine nachhaltige Sicherung der Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter. Bei Med 360° sind 2018 sowohl Philips als auch Sana als Investoren eingestiegen.

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Das Fazit von Johannes Schmidt-Tophoff am Ende des Kongresses: Dr. Michael Kreft habe gezeigt, dass ein Mix von steuernden Vorgaben und dem Zulassen von Kreativität und Ideen in einer Praxisgruppe funktionieren kann. Dr. Winfried Leßmann sehe dunkle Wolken in der Radiologie aufsteigen und fördere deshalb Kooperationen. Und sein eigenes Fazit: „Beutefische können im intelligenten Schwarm besser überleben als allein.“

 


Ihre Ansprechpartnerin:

Eva Jugel

ejucuragita.com