Vestibularisschwannom: Faktoren bei der Therapieentscheidung
Laryngo-Rhino-Otologie, Vol. 103, März 2024, S. 176–186 J.
Esser et al., Köln
Das Vestibularisschwannom (VS) oder Akustikusneurinom ist der dritthäufigste gutartige intrakranielle Tumor und betrifft in 80 % – 98 % den N. vestibulocochlearis (N. VIII) im Sinne einer Hörbeeinträchtigung. Die MRT-Diagnostik hat eine Sensibilität von 100 % und eine Spezifität >90 %. Weitere funktionsdiagnostische Maßnahmen (audiologische Diagnostik, Elektrocochleographie) ergänzen die Morphologie. Therapeutisch kommen drei Optionen in Betracht: Wait and scan (WAS), chirurgische Resektion sowie stereotaktische oder konventionelle Radiochirurgie.
Das Vestibularisschwannom (VS) ist ein benigner Tumor des peripheren Nervensystems, der aus den Schwann-Zellen des N. vestibulocochlearis (N.VIII) entsteht. Die andere Bezeichnung „Akustikusneurinom“ ist berechtigt, weil die Hörbeeinträchtigung die wesentliche Symptomatik (94 %) darstellt, gefolgt von Tinnitus (83 %). Nach Meningiomen und Hypophysenadenomen ist das VS der dritthäufigste gutartige intrakranielle Tumor und betrifft in 80 % – 98 % der Fälle den vestibulären Teil des N. VIII. Das VS macht 8 % aller intrakranieller Tumoren und 85 % der Tumoren im Kleinhirnbrückenwinkel (KBW) aus. Letzterer wird u.a. vom N. facialis, vom N. intermedius, vom N. VIII und der A. cerebelli inferior anterior (AICA) und posterior (PICA) durchzogen. Die Inzidenz eines VS beträgt in den USA 1,92/100.000 Einwohner/Jahr bei einem Altersgipfel von 65–79 Jahren. Große VS können zur Affektion des N. trigeminus führen sowie zu einem Hydrocephalus. Diagnostisch hat die MRT eine Sensibilität von 100 % und eine Spezifität >90 %. Sie zeigt das VS als solide noduläre Masse und eine hypo- bis isodense Bildgebung im Vergleich zum Hirnparenchym bei der T1-Wichtung sowie eine heterogene hypertense Bildgebung bei der T2-Wichtung, teilweise mit starkem inhomogenem KM-Enhancement, z.T. in Folge von Nekrosen oder Zysten. Die CT ist lediglich eine Option bei Kontraindikationen gegen eine MRT. Die Einteilung des VS erfolgt nach der Klassifikation nach Koss bzw. nach Samii. Grad 1: intrameatal; Grad 2: intra-extrameatal; Grad 3: erreicht den Hirnstamm; Grad 4: Kompression des Hirnstamms/Verlagerung des 4. Ventrikels.
Therapeutisch kommen „wait and scan“ (WAS), die chirurgische Resektion sowie die stereotaktische oder konventionelle Radiochirurgie (SRS) in Betracht. Bei großen Tumoren hat eine Kombination von partieller Resektion mit der SRS gezeigt, dass bei der Funktion des Gesichtsnervs und dem Erhalt des Gehörs bessere Ergebnisse erzielt werden können. Präoperativ kommt zusätzlich eine audiologische Diagnostik, eine Elektrocochleographie sowie ein Promontorium-Test in Betracht. Postoperative Hörstörungen können mittels Cochlea-Implantaten überwunden werden. Die morphologischen Charakteristika des VS und die Ergebnisse der Funktionsdiagnostik bestimmen das individuelle therapeutische Vorgehen.