Schneller draußen als man denkt – die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Das Arbeitsrecht in Deutschland bietet Arbeitnehmern einen weitreichenden Schutz bei Kündigungen. Allerdings gibt es Situationen, in denen nur eine fristlose Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses die adäquate Antwort des Arbeitgebers auf das Fehlverhalten des Arbeitnehmers ist.

Eine solche fristlose Kündigung ist aber nur rechtens, wenn fünf Voraussetzungen allesamt vorliegen. Fehlt eine der Voraussetzungen, ist eine fristlose Kündigung nicht rechtens.

Fristlos kündigen kann der Arbeitgeber nur, wenn:

1. ein erheblicher Pflichtverstoß oder dringender Verdacht gegeben ist;

2. der Pflichtverstoß rechtswidrig und schuldhaft, fahrlässig oder vorsätzlich begangen wurde;

3. es kein milderes Mittel als die fristlose Kündigung gibt;

4. das Interesse des Arbeitgebers an einer sofortigen Kündigung überwiegt und

5. die Kündigung nach Kenntnis des Pflichtverstoßes innerhalb von zwei Wochen ausgesprochen wird.

Auch wenn es einen „Katalog von Kündigungsgründen“ gibt, bedarf es immer der Beurteilung des Einzelfalles, um wirksam fristlos kündigen zu können.

Jüngstes Beispiel für eine fristlose Kündigung war der Bruch der Verschwiegenheitspflicht einer Medizinischen Fachangestellten in einer radiologischen Praxis. Die Mitarbeiterin war zuständig für die Terminvergabe. Eine Patientin, die sowohl der Mitarbeiterin wie auch deren Tochter bekannt war, sagte einen Termin in der Praxis ab. Daraufhin fotografierte die Mitarbeiterin das Patientenblatt per Smartphone und schickte dieses per WhatsApp an ihre Tochter mit dem Kommentar: „Was die wohl schon wieder hat …“. Die Tochter zeigte dann abends im Sportverein sämtlichen Interessierten die WhatsApp-Nachricht mit den ganzen Patientendaten. Hiervon erhielt der Vater der Patientin Kenntnis und rief in der radiologischen Praxis an, um sich zu beschweren. Die daraufhin erfolgte fristlose Kündigung der Mitarbeiterin war rechtens (LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 11.11.2016 12 Sa 22/16).

Aber auch andere Pflichtverstöße, die auf den ersten Blick dem Arbeitnehmer nicht als so schwerwiegend erscheinen, können zu einer fristlosen Kündigung führen. Droht z. B. ein Mitarbeiter wegen eines nicht gewährten Urlaubs oder einer ungeliebten Sonderschicht damit, dass er dann „halt krank macht“, kann das das sofortige Aus für das Arbeitsverhältnis bedeuten. Hier gilt es aber auch wiederum, den Einzelfall zu beleuchten. Hat der Mitarbeiter jahrzehntelang beanstandungsfrei in dem Unternehmen gearbeitet, wäre in diesem Fall eine Abmahnung ausreichend und angemessen.

Fazit: Seit dem „Emmely-Urteil“ des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09) ist immer zu bedenken, dass der Arbeitnehmer durch eine lange beanstandungsfreie Tätigkeit ein großes „Vertrauenskapital“ erworben hat, das durch eine einmalige und untypische Verfehlung nicht auf einen Schlag zerstört wird – auch wenn die Verfehlung eigentlich „ziemlich krass" ist. In dem Fall der Supermarktkassiererin „Emmely“ hatte diese nach langer beanstandungsfreier Betriebszugehörigkeit zwei Pfand-Bons im Wert von insgesamt 1,30 Euro entwendet, um diese für sich einzulösen. Sowohl das Arbeitsgericht wie auch das Landesarbeitsgericht sahen hierin einen so schwerwiegenden Vertrauensverstoß, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Erst das Bundesarbeitsgericht nahm eine Abwägung zu Gunsten der Arbeitnehmerin vor. Daher genügt nach über 30jähriger Beschäftigung auch ein angekündigtes Krankmachen nicht immer für eine fristlose Kündigung. Auf wenig Verständnis bei Arbeitgebern und Gerichten dürften jedoch Arbeitnehmer stoßen, die einen Arbeitszeitbetrug begehen, d. h. wer seine Arbeitszeiten vorsätzlich falsch erfasst, weil er Pausenzeiten nicht aufschreibt, Zeiterfassungsbögen falsch führt oder Stempeluhren austrickst, täuscht den Arbeitgeber über den Umfang der geleisteten Arbeitszeit und damit über die Höhe der Vergütung. Dass die Höhe der so erschwindelten Vergütung häufig gering ist, spielt bei der Beurteilung meistens keine Rolle. Dass Rauchen nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für den Bestand eines Arbeitsverhältnisses schädlich ist, musste eine langjährige Mitarbeiterin erfahren, die über Jahre hinweg mehrere Abmahnungen erhalten hatte, da sie sich nicht zum Rauchen ausgestempelt hatte. Nachdem diese Abmahnungen nicht fruchteten, kündigte ihr der Arbeitgeber fristlos. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin blieb ohne Erfolg (ArbG Duisburg, Urteil v. 14.09.2009, 3 Ca 1336/09).

Öffentliche Kritik des Arbeitnehmers am Arbeitgeber ist grundsätzlich von der Meinungsfreiheit in Artikel 5 GG geschützt, selbst dann, wenn sie in scharfer Form geäußert wird. Von dem Recht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht das Recht auf massive Beleidigung des Arbeitgebers gedeckt. Ein Busfahrer stritt mit einem Kollegen, der daraufhin den Bus verließ. Trotzdem stoppte der Fahrer den vollbesetzten Bus und rief die Polizei. Ohne Rücksicht auf Fahrgäste, Fahrplan und den öffentlichen Ruf seines Arbeitgebers beklagte er sich dann über „menschenunwürdige“ Arbeitsbedingungen. Wegen dieser mehrfachen schweren Pflichtverstöße hielten das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 20.10.2010, 29 Ca 10262/10) und das LAG eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung für zulässig. Vorsicht walten lassen sollten daher Arbeitnehmer auch bei diskreditierenden Äußerungen in sozialen Netzwerken, selbst wenn diese außerhalb der Arbeitszeit getätigt werden, sofern diese nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind.

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Rechtsanwältin

Gabriele Holz

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