Rezension: Von singenden, tanzenden Magnetkreiseln und technischen Fledermäusen
Gustav K. von Schulthess: „Röntgen, Computertomogra e & Co. – Wie funktioniert medizinische Bildgebung?“,
Springer Berlin Heidelberg 2017,
Besprechung von Dr. rer. pol. Johannes Schmidt-Tophoff
Auf 138 Seiten beschreibt der bekannte Ordinarius und Chefarzt für Nuklearmedizin am Unispital Zürich die Verfahren der Bildgebung (Röntgen, CT, Nuklearmedizin / PET, MRT, Ultraschall) und die Themen Strahlenschutz und Kontrastmittel. Es gelingt ihm, den Leser mit einfacher Sprache für die moderne Bildgebung einzunehmen. So ist das „moderne Hörrohr“, der Ultraschall, bei ihm eine „technische Fledermaus“, die „mit den Ohren sieht“. Damit füllt von Schulthess eine Lücke zwischen Fachbuch und Zeitschriftenartikel, das nicht nur mündige Patienten interessieren muss.
Als didaktisch geschickter Physiker bringt er dem Leser die Grundlagen zu den Verfahren, zum Sehen, zu Atomen bzw. ihren Kernen und zur digitalen Bildgebung nahe, sofern dieser ein wenig „Hirngymnastik“ auf Abiturniveau betreiben will. Das Verständnis erleichtert er, indem er anhand einprägsamer Analogien mit Nobelpreisen gekrönte Erfindungen veranschaulicht, wie z. B. die Sudoku-Auflösung analog zur Berechnung von CT-Schichten. Kommt hier sein Talent zum Vorschein, das er als beharrlicher Innovator brauchte, um Dritte von neuen Verfahren zu überzeugen? Gut gelungen sind auch seine „10 Gebote der medizinischen Bildgebung“ (vgl. S. 119 – 122), hier nur verkürzt wiedergegeben:
1. Diagnose stellen
2. Staging
3. Erfolgskontrolle von Therapien
4. Wahl unter verschiedenen Verfahren
5. Kein medizinischer Test ist perfekt (Sensitivität, Spezifität)
6. Ergänzende Untersuchungen manchmal nötig
7. Problem kaum sichtbarer Krankheiten
8. Verfahrenswahl je nach anatomischer Form oder Funktion
9. Güte des Verfahrens abhängig von der Qualifikation des Befunders
10. Optimierung von Nutzen und Schäden bzw. Nebenwirkungen
Das Buch endet mit einer pragmatischen Indikationsliste „aus Krankheitssicht, welche Verfahren bei den häufigsten Krankheiten zu welchem Zeitpunkt am besten zum Einsatz kommen“. Übrigens, die genannten Preise für die Untersuchungen in der Schweiz (in CHF) werden manchen deutschen Radiologen zu Tränen rühren: Röntgen 50-100, CT 400-500 (eine Körperregion, nativ), MRT 500-800 (eine Körperregion, nativ), Ultraschall 50-200.
Insgesamt eine lesenswerte Lektüre für interessierte Laien, junge Menschen, Lehrer-Patienten, Internetvorbereitete Patienten und als Wartezimmerauslage zu empfehlen. Was ich mir für die zweite Auflage wünschen würde, sind – neben der Einarbeitung der Literatur – mehr Aufhellung über die Arbeit des für viele Patienten unsichtbaren Radiologen oder Nuklearmediziners sowie die Problematisierung der Befundqualität (und ihrer Sicherung, z.B. beim Screening) und der diagnostisch-therapeutischen Kooperation des Sekundärarztes mit seinem Zuweiser von der Indikation bis zur Befundkommunikation. Ebenso vermisse ich für Patienten wichtige kritische Hinweise auf die nicht immer nur fachlich begründete Konkurrenz mit alternativen Diagnoseverfahren oder mit der (selbstzuweisenden) Teilgebiets-Radiologie, ein paar Aussagen zur Prävention mittels Radiologie und der immer früheren Erkennbarkeit an der Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit sowie eine Würdigung des gesundheitsökonomischen Nutzens von Bildgebung. Auch hier ist zu fordern: immer feinere Schnitte von Wissens-Salami-Scheiben.
Ihr Ansprechpartner: Dr. Johannes Schmidt-Tophoff jstcuragita.com