NEU: Koalitionsvertrag – was ist geplant, welche Auswirkungen sind für die Radiologie zu erwarten?
Der Koalitionsvertrag der 21. Legislaturperiode zwischen CDU/CSU und SPD beinhaltet Pläne zur Reform und Weiterentwicklung des Gesundheitswesens. Unser Honorarexperte Carsten Krüger hat die relevanten Punkte für die ambulante Versorgung sowie übergreifende gesundheitspolitische Aspekte zusammengefasst und interpretiert.
Im Koalitionsvertrag wird es ab Seite 105 gesundheitspolitisch. Vermutlich unter einem neuen Gesundheitsminister und auf jeden Fall mit einigen neuen Weichenstellungen. Naturgemäß bleibt im Koalitionsvertrag noch alles sehr vage. Wann und wie eine Konkretisierung erfolgen wird, ist offen. Hier die aus unserer Sicht interessanten Punkte:
Reformen in der ambulanten Versorgung: Was sich ändern soll
Gemäß dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD steht die ambulante medizinische Versorgung vor einem umfassenden Wandel. So ist die Koalition bestrebt, Wartezeiten zu verkürzen, die Belastung des Personals zu reduzieren und den Zugang zu Fachärztinnen und Fachärzten besser zu strukturieren. Nachfolgend sind die wichtigsten geplanten Maßnahmen aufgeführt. Ein verbindliches Primärarztsystem soll eingeführt werden, um eine gezielte Patientensteuerung zu ermöglichen. Haus- und Kinderärzte übernehmen dabei die Rolle der ersten Anlaufstelle. Sie entscheiden über die Notwendigkeit eines Facharzttermins und legen den Zeitrahmen dafür fest. Ausnahmen bestehen für Augenärzte und Gynäkologen sowie für chronisch kranke Patienten, für die spezifische Lösungen wie Jahresüberweisungen oder die Steuerung über einen Facharzt geplant sind. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die Verpflichtung, Facharzttermine zu vermitteln. Sollte dies nicht gelingen, erhalten Patienten Zugang zu einer ambulanten Facharztbehandlung im Krankenhaus. Digitale Ersteinschätzungen und Telemedizin sollen flächendeckend verfügbar gemacht werden.
Regulierung von Medizinischen Versorgungszentren
Ein neues Gesetz zur Regulierung investorenbetriebener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ) soll Transparenz über Eigentümerstrukturen schaffen und sicherstellen, dass Beitragsmittel systemgerecht verwendet werden.
Honorarsystem
Das Honorarsystem wird reformiert, um nicht bedarfsgerechte Arztkontakte zu reduzieren. Es ist vorgesehen, dass neue Patienten durch Jahrespauschalen und eine flexiblere Vergütung leichter Zugang erhalten. Zudem wird die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin in Praxen gefördert.
Fairnessausgleich zwischen Regionen
Die Bedarfsplanung wird kleinteiliger gestaltet. Überversorgte Gebiete erhalten Honorarabschläge, unterversorgte Regionen erhalten Zuschläge.
Sektorenübergreifende Versorgung
Hybrid-DRGs (sektorenunabhängige Fallpauschalen) werden weiterentwickelt, um die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung zu stärken.
Bewertung aus Sicht der Radiologie
Im Text finden sich Passagen und Formulierungen, die bereits in den Koalitionsvereinbarungen der Vorgängerregierungen zu finden waren. Die Regulierung von iMVZ wurde oft angekündigt, bislang ist jedoch noch keine entsprechende Maßnahme umgesetzt worden. Die Einführung eines Transparenzregisters über die Eigentümerstruktur wird Investoren nicht davon abhalten, Praxen zu übernehmen. Des Weiteren bestehen aus unserer Sicht Bedenken, ob Honorarabschläge in überversorgten Gebieten tatsächlich rechtssicher umgesetzt werden können. Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Rechtsgrundlage Praxen, die seit Jahrzehnten die medizinische Versorgung sicherstellen und keinen Einfluss auf die ohnehin willkürliche Festlegung von Verhältniszahlen haben, für ihren etablierten Standort bestraft werden sollen. Eine Praxisverlegung aus einer über- in eine rechnerisch unterversorgte Region ist kaum vorstellbar. Die Einführung eines Primärarztsystems könnte dazu führen, dass zukünftig weniger Fälle an Fachärzte überwiesen werden, was mittelbar Einfluss auf die Zuweisungen zur Radiologie haben könnte. Unter der Prämisse, dass die Vergütungsvolumina im Vergleich zum Status quo konstant bleiben, würde dies die Preise (Fallwerte) stützen und dem sich kontinuierlich beschleunigenden Teufelskreis entgegenwirken. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es bei einer Nutzung des Systems zur Umverteilung von Honoraranteilen oder zur Reduktion der Ausgaben der Kassen zu Widerstand von Seiten der (Fach-)ärzte kommen wird. Der Koalitionsvertrag legt einen klaren Fokus auf die Stärkung der ambulanten Versorgung durch Digitalisierung, Reformen der Vergütungssysteme und gezielte Fördermaßnahmen für strukturschwache Regionen. Darüber hinaus werden übergreifende Themen wie Pflege, Finanzierung des Gesundheitssystems und Fachkräftemangel adressiert. Auch in anderen Kapiteln des Vertrags finden sich relevante Ansätze, die indirekt Einfluss auf die Gesundheitspolitik haben könnten, beispielsweise im Hinblick auf Digitalisierung und Infrastruktur.
Die Krankenhauslandschaft und deren Finanzierung
Die Krankenhausreform soll fortgeführt und tiefgreifend verändert werden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Stärkung der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen. Die Reform baut auf den bisherigen Maßnahmen auf und wird bis Sommer 2025 gesetzlich geregelt. Krankenhäuser werden in Leistungsgruppen eingeteilt. Diese definieren, welche Behandlungen wo angeboten werden. Qualitätskriterien und Personalstandards spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Ab dem Jahr 2027 wird ein neues Abrechnungssystem eingeführt, das auf den Leistungsgruppen basiert. Eine dreijährige Konvergenzphase soll den Übergang erleichtern. Ein Transformationsfonds, der bis zu 50 Milliarden Euro umfassen kann, wird die Umgestaltung der Krankenhauslandschaft finanzieren. Das Vergütungssystem wird reformiert. Statt sich ausschließlich auf Fallpauschalen zu stützen, werden Kliniken künftig einen Großteil ihrer Vergütung für das Vorhalten von Leistungen erhalten. Dadurch erfahren kleinere Häuser eine Entlastung, während eine wohnortnahe Versorgung gefördert wird. Die Parteien versprechen sich von der Reform eine nachhaltige Krankenhauslandschaft mit besserer Qualität und Spezialisierung. Für Radiologen eröffnen sich durch Kooperationen mit Fachkliniken und telemedizinische Angebote Chancen, eine zentrale Rolle in der neuen Versorgungsstruktur einzunehmen.