Netzprojekt Rekrutierung ausländischer Fachkräfte: Chancen und Herausforderungen

Viele Praxen haben Probleme, MTRA-Stellen zu besetzen. Warum sich daher nicht mit ausländischen Kräften behelfen? Bereits vor ein paar Jahren bestand über einen Conradia-Rahmenvertrag auch für Mitgliedspraxen im Radiologienetz die Möglichkeit, das fehlende Personal damals in Süditalien zu rekrutieren. Im Radiologienetz wird gerade ein Neustart geplant!

Viele italienische Fachkräfte aus dem Rekrutierungsprojekt mit dem IB Stuttgart sind in den beteiligten Praxen nicht mehr übrig. Das hat verschiedene Ursachen, die nicht nur im schlechteren deutschen Wetter zu suchen sind. Sie können in der Praxis oder in der Person der Fachkraft liegen oder eben auch in den Umständen, die das ausländische Recruiting zur Herausforderung machen. Das Fazit der beteiligten Praxen ist daher durchaus kritisch, aber nicht durchweg negativ. Es zeigt aber, dass es sich bei einer Auslandsrekrutierung um einen wesentlich aufwendigeren Prozess handelt als bei der Anstellung einer inländischen Fachkraft, der nur dann zum Erfolg führt, wenn man die Stolperfallen von Anfang an kennt, akzeptiert und bewältigt.

Trotz der Globalisierung der Arbeitsmärkte im Pflege- und Gesundheitsbereich bestehen für die Fachkräfte (abhängig von ihrem Herkunftsland) erhebliche Hürden beim Arbeitsmarktzugang in Deutschland, und es ist zu hoffen, dass der neue Bundesgesundheitsminister das Versprechen des Koalitionsvertrags, diese abzubauen, bald (und nicht nur in den Krankenhäusern) umsetzt. Auch die Übertragbarkeit der Qualifikationen und Kompetenzen bleibt ein wichtiges Thema. Die Vorbereitung der Fachkräfte auf ihren Einsatz in Deutschland bleibt im Anwerbungsprozess den Prozessbeteiligten überlassen, häufig spezialisierte Agenturen, die die Erwartungen der Fachkräfte prägen und die später den Hintergrund für die betriebliche Integration darstellen. 

Klar ist, dass durch ausländische Fachkräfte die eigene Belegschaft heterogener wird: Es bestehen erhebliche Unterschiede in der Ausbildung der Fachkräfte, die am Berufsbild im jeweiligen nationalen Gesundheits- und Sozialsystem ausgerichtet ist. Außerdem bringen die Fachkräfte verschiedene Erfahrungen mit unterschiedlichen organisationalen und beruflichen Hierarchien in ihren Herkunftsländern mit. Dies bedeutet, dass in den Praxen verschiedene berufliche Selbstverständnisse aufeinandertreffen, die Gegenstand von Auseinandersetzungen werden können. Dies alles sind Erkenntnisse einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2019

Aufschlussreich ist auch eine aktuelle Befragung der jungen Filipina namens Grace Lugert-Jose, die selbst als interkulturelle Beraterin tätig ist, von Landsleuten aus dem Pflegesektor. Sie berichtet, dass die Zufriedenheit der eingewanderten Kräfte „leider absolut nicht auf einem Niveau, das man als akzeptabel bezeichnen würde“ sei. Nur 17 Prozent der hier arbeitenden philippinischen Pflegefachkräfte würden befreundeten Kolleg:innen auf den Philippinen ihren aktuellen Job empfehlen. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Befragten fühlten sich „nicht willkommen“, 64 Prozent empfänden sich in ihren fachlichen Qualifikationen abgewertet. In ihrer Studie hat Grace Lugert-Jose statistisch ausgewertet, welche Faktoren die Zufriedenheit bestimmen. Es seien in erster Linie die weichen Faktoren: Fühle ich mich willkommen, fühle ich mich wertgeschätzt? Kann ich die Freizeit genießen? Der einzige „harte“ Faktor mit einem großen Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit war in ihrer Befragung die Unterstützung bei der beruflichen Anerkennung. Ihrer Meinung nach muss vor allem die Sprachbeherrschung priorisiert werden. Viele andere Faktoren hingen davon ab, dass die ausländischen Fachkräfte sich schnell gut ausdrücken könnten. Sie beendet das Interview auf recruiting2go mit dem Appell, dass Arbeitgeber die Entscheidung, ausländische Pflegefachkräfte anzuwerben, als eine weitreichende Entscheidung begreifen müssten, die die gesamte Organisation zu Veränderungen zwingt. Die wichtigsten Faktoren, also das Gefühl der Anerkennung und das Gefühl, willkommen zu sein, hänge von der Einstellung der gesamten Belegschaft ab. Es reiche nicht, einige Führungskräfte zu schulen und ein paar Mentor:innen zu benennen.

Ein Blick auf die Rekrutierungskosten zeigt, dass es sich durchaus um eine ordentliche Summe handelt. Zu den Margen der Agenturen, die sich sehr unterscheiden, kommen die Reisekosten, die Fortbildungskosten zur in den meisten Fällen notwendigen „Defizitbehebung“ und die Gehälter für die erste unproduktive Zeit, manchmal auch zuzüglich Unterbringung der Neuen. Das kann sich, großzügig und in Vollkosten gerechnet, durchaus addieren und zwischen 30.000 und 40.000 € betragen. Im Vergleich hören sich die inzwischen rasant steigenden Vermittlungskosten von MTRA auf dem Arbeitsmarkt (30-40% vom Jahresgehalt) gar nicht mehr so hoch an. Aber: Es ist und bleibt die Ausnahme, dass diese Vermittlung gelingt. Bedenkt man die Ausfallzeiten einer Modalität, weil keine Fachkraft vorhanden ist, diese zu bedienen, liegt man ungleich höher, je nach Gerät und Annahmen.

Aber es sind nicht die Kosten, sondern vielmehr die langfristige Offenheit eines Praxisteams und die damit einhergehende Integrationsbereitschaft und -fähigkeit, die den Ausschlag geben, ob das Recruiting aus dem Ausland ein passendes Projekt für eine radiologische Praxis ist. „Drum prüfe, wer sich darauf einlässt“ – lieber vorher genau überlegen, ob man als Team in der momentanen Praxissituation eine solche Herausforderung annehmen will. Ehrlicherweise gehört noch zur nüchternen Bilanz des Themas die Anerkennungsproblematik dazu, da sich die zuständigen Behörden – vom Bundesland abhängig – häufig sehr sperrig verhalten und die finale Anerkennung der Abschlüsse trotz Defizitbehebungskursen und Praktika zumeist in der Nuklearmedizin und der Strahlentherapie sehr lange hinziehen.

Netzprojekt Rekrutierung ausländischer MTRA

Trotz der Hürden wissen viele Praxen auch, dass sie mit ausländischen Mitarbeitern, deren „Ankommen“ in der Praxis gelingt, zuverlässige, belastbare und treue Teammitglieder gewinnen können. Daher haben bei einer ersten Abfrage im Januar bereits neun Praxen ernsthaftes Interesse an einem entsprechenden Netzprojekt geäußert, mit einem jährlichen Gesamtbedarf von über 20 MTRA.

Curagita hat mit Luisa Schmidt-Tophoff eine junge Betriebswirtin als Interimsmanagerin für dieses Projekt engagiert, die 2021 nach mehreren Jahren Tätigkeit in einer renommierten Unternehmensberatung als Unternehmerin und Exist-Stipendiatin eine digitale Plattform für das internationale Recruiting von Pflege- und Fachkräften aufbaut und die Fallstricke im In- und Ausland kennt und beherrscht.

Sie wird die Agentursteuerung übernehmen und den Bedarf aus den Radiologienetz-Praxen bündeln und verhandeln. Dabei ist sie überzeugt: „Grundsätzlich entscheidend für eine erfolgreiche Auslandsrekrutierung ist ein kontinuierlicher Ansatz, welcher Kandidaten und Praxen entlang des gesamten Prozesses begleitet, d.h. noch vor der Rekrutierung im Herkunftsland ansetzt und weit über die Ankunft der Kandidaten in der jeweiligen Praxis hinausreicht.“ Dabei nennt sie aus ihrer Sicht drei Erfolgsfaktoren:

 

Auf der nächsten Vollversammlung wird sie die konkreten Eckpunkte des geplanten Netzprojekts vorstellen und anschließend mit den konkreten Interessenten vertiefen. Weitere Praxen, die dann auch mit dabei sein wollen, sind herzlich willkommen.

Luisa Schmidt-Tophoff
Geschäftsführerin Camea GmbH und Interimsmanagerin
bei Curagita für das Netzprojekt Rekrutierung
ausländischer MTRA


Ihre Ansprechpartnerin:

Eva Jugel

ejucuragita.com