Neo-Q: Ergebnisse des Pilotprojekts zur strukturierten Befundung
Das Berliner Start-Up Neo-Q entwickelte das Pilotprojekt „RadioReport“ zur strukturierten Befundung. Die Entwickler bestehen aus einem Team, in welchem auch Radiologen mitarbeiten, sodass ein Produkt von Radiologen für Radiologen entstand. Denn: Wer mit Befundungen arbeitet, weiß genau, worauf es zu achten gilt. In Zusammenarbeit mit den Entwicklern realisierten sie eine technische Lösung, die laut Hersteller den Befundungszeitraum um die Hälfte reduzieren kann.
Ob das möglich ist und wie er „RadioReport“ in seinen radiologischen Alltag integrieren kann, fragten wir PD Dr. Alexander Baur, der sich als Test-Radiologe in der Conradia Berlin zur Verfügung stellte und mit der Befundungssoftware auseinandergesetzt hat.
Herr Dr. Baur, welche Befundungen wurden während Ihres Tests mit der Software gemacht?
PD Dr. Baur: Bisher gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Modulen, die jeweils spezielle Untersuchungen spezieller Körperregionen abdecken. Bei unserem Test haben wir (meine Kollegin Petra Chemlik, welche das Programm ebenfalls testete, und ich) uns vor allem die Module für häufige Standardbefunde wie bspw. die MRT des Kniegelenks und der Lendenwirbelsäule angesehen. Zusätzlich wollten wir jedoch auch die Benutzerfreundlichkeit der Module für etwas seltenere und gerne auch etwas komplexere Befunde, die nicht jeder Radiologe täglich in großer Zahl befundet, testen, wie bspw. die MRT der Halsweichteile und mpMRT der Prostata.
Welche Punkte haben Sie bei der Verwendung der Software besonders überzeugt?
PD Dr. Baur: Zunächst einmal fiel sofort die klar geordnete und auch ästhetische Benutzeroberfläche auf, welche sehr anwenderfreundlich ist. Auf dieser wird man strukturiert anhand der Anatomie durch die gesamte Befundung einer Untersuchung geführt und muss bei der MRT des Kniegelenks bspw. der Reihenfolge nach knöcherne Strukturen, Bänder, Kapsel und Menisken usw. beurteilen. Da wir RadioReport bislang nur im Rahmen einer Testphase nutzen, war das Programm noch nicht in unser RIS und PACS integriert und wir mussten die Patienten selbst anlegen. Das war schnell und unkompliziert möglich. Als vorteilhaft empfand ich, dass Pathologien nicht nur benannt, sondern auch anhand standardisierter Klassifikationssysteme graduiert werden können. Hierfür sind nach gängigen Leitlinien empfohlene Klassifikationen in der Software über eine Nachschlagefunktion hinterlegt und auch mit Illustrationen belegt, sodass durch diese Hilfestellung eine einheitliche Klassifikation in den Befunden gewährleistet wird. Das schafft neben dem strukturierten Aufbau des Befundtextes und einheitlichen Formulierungen ein besseres Verständnis zwischen Radiologen und Zuweisern.
Gab es während Ihres Tests auch Aspekte, die Ihnen eher negativ aufgefallen sind?
PD Dr. Baur: Vor allem am Anfang gehe ich davon aus, dass sich die Befundungszeit erfahrener Radiologen durch die Software nicht erheblich verkürzen wird. Jeder und jede hat sich im Laufe der Karriere ein eigenes strukturiertes Schema für die Bildbetrachtung und Befundung erarbeitet. Dieses ist häufig auf die eigenen Bedürfnisse angepasst und teilweise jahrelang optimiert und entspricht nicht zwingend der von der Software vorgegebenen Struktur, sodass man sich initial an die Herangehensweise des Programms gewöhnen und darauf einlassen muss. Einerseits sind die klaren Strukturen und Schemata von großem Vorteil für eine bessere Einheitlichkeit, jedoch verlieren sich zwangsläufig die persönlichen Nuancen, die wir Radiologen gerne in Befunde einfließen lassen, insbesondere bei uneindeutigen und ungewöhnlichen Fällen. Dann erscheint die Software zwangsläufig etwas starr. Man muss jedoch sagen, dass es auch Kommentarfelder gibt, die einem die Möglichkeit bieten, mehr Informationen hinzuzufügen. Insbesondere bei Untersuchungen, für die der einzelne Radiologe aufgrund fehlender Routine kein allzu starres Schema im Kopf hat, kann das geleitete System sehr hilfreich sein. In diesen Fällen war auch die Nachschlagefunktion der Software sehr hilfreich.
Stichwort Einarbeitungszeit – wie lang muss man mit der Software arbeiten, bis sie wirklich unterstützend wirkt?
PD Dr. Baur: Die grundsätzlichen Abläufe und Funktionen der Software hat man nach ein bis zwei Fällen bereits gut verstanden, da sie sehr intuitiv funktioniert. Um sie jedoch auch in der Tiefe zu verstehen und alle, für die eigene Arbeit wichtigen, Aspekte zu finden, benötigt man etwas mehr Zeit. Wenn man beispielsweise von jeder Körperregion etwa 10 Befunde erstellt hat, versteht man das in der Software hinterlegte Schema schon deutlich besser. Es ist also anfänglich etwas Übung notwendig. Ob sie, wie versprochen, die Hälfte der Befundungszeit einspart, lässt sich schwer sagen, vor allem für erfahrene Radiologen.
Abgesehen von diesem Aspekt bietet die Software, meiner Meinung nach, einen sehr großen Vorteil für die Zuweiser, da die Befunde einheitlich, vergleichbar und standardisiert erstellt werden. Ein weiterer unterstützender Faktor ist die Möglichkeit der Übersetzung per Knopfdruck. Auch das spart enorm viel Zeit, wenn es nötig ist. Der gesamte Befund (bis auf die eigenen Kommentare) kann sofort bspw. ins Englische übersetzt werden und weitere Sprachen sollen folgen.
Für welche Radiologen bzw. Praxen ist solch eine Software denn besonders geeignet?
PD Dr. Baur: RadioReport ist besonders für Praxen geeignet, die in der Schnittbildgebung aktiv sind. Ich kann mir vorstellen, dass es in kleinen Praxen gut funktioniert, aber auch in größeren oder Praxisgruppen, da dort die Vergleichbarkeit der Befundung durch verschiedene Radiologen untereinander und eine einheitliche Kommunikation an die Zuweiser eine noch wichtigere Rolle spielt. Weiterhin sehe ich großes Potenzial in der Einarbeitung neuer Kolleginnen und Kollegen. Wer die Befundung neu erlernt, kann sicher einen Zeit- und wahrscheinlich sogar Qualitätsgewinn dadurch erreichen. Jedoch kann dies auch für ältere Kollegen gelten. Generell kann ich nur empfehlen, die Software einmal zu testen, um zu prüfen, ob sie in den radiologischen Alltag gut integriert werden kann. Die Idee der strukturierten Befundung finde ich absolut überzeugend und zukunftsweisend und vieles davon ist in dieser Software sehr gut umgesetzt.
Ihr Ansprechpartner
Frank Vogel