„Mallorca war ein tolles Team-Erlebnis.“

Ein Interview mit Dr. med. Sebastian Steil über Mitarbeitermotivation

„Schon wieder Montag. Ich muss leider zur Arbeit.“ Aussagen wie ­diese werden millionenfach zum Wochenbeginn in ­deutschen Arbeit­nehmerköpfen gedacht. Schade eigentlich. Und nicht nur das: Es ist betriebswirtschaftlich auch bedenklich. Denn unmotivierte Mitarbeitende leisten weniger und sind öfter krank. Zudem steigt das Risiko eines Job­wechsels. In der Radiologie Hunsrück-Mosel-Westerwald sind Motivationsprobleme in der Belegschaft kein Thema. ­

Dr. med. ­Sebastian Steil erklärt im­ Interview mit der CuraCompact, weshalb das so ist.

Herr Dr. Steil, wie viele Mitarbeitende ­sind in der Praxis Hunsrück-Mosel-Westerwald tätig?

Dr. Steil: Gemeinsam mit Dr. Stefan Ader führe ich die Praxis. Mit weiteren drei Ärzten in Anstellung plus 25 MTRA, MFA und weiterem Personal arbeiten an unseren drei Praxisstandorten insgesamt dreißig Personen. Wir haben uns zum Gespräch verabredet, weil Sie im Bereich der Mitarbeitermotivation einen besonderen Ansatz verfolgen.
 

Erzählen Sie doch bitte, wie dieser aussieht.

Dr. Steil: Es ist im Grunde recht einfach. Es geht um gelebte Wertschätzung. Wenn ich in meine Mitarbeiter investiere und ihnen Hochachtung für ihre Arbeit entgegenbringe, fühlen sie sich wahrgenommen und arbeiten gerne und auch sehr gut bei uns in der Praxis. Seit 2018 organisieren wir zur Anerkennung beispielsweise für das gesamte Team mehrtägige Reisen.
 

Im vergangenen Jahr waren wir vier Tage am Gardasee, in diesem Jahr ging es nach Mallorca. Wie verbringen Sie die gemeinsamen Team-Tage?

Dr. Steil: Wir setzen zu 100 Prozent auf Entspannung, Genuss und Erlebnis. Es sind also keine Einheiten mit Coaching oder Schulungen vorgesehen. Jeder soll einmal runterfahren können, sich außerhalb des straff getakteten Alltags in der Praxis austauschen dürfen und meine Mitarbeiter sollen eine gute Zeit miteinander haben. Unterstützt werden wir da von einem professionellen Event-Anbieter, der die Reisen jeweils als ein Überraschungsprogramm für uns plant. Am Gardasee gab es beispielsweise eine Bootstour, Canyoning, gutes Essen, tolle Hotelzimmer und so weiter.
 

Was sagen Ihre MTRA und MFA zu diesem Angebot?

Dr. Steil: Was glauben Sie? Natürlich wird es bestens angenommen. Alle freuen sich schon lange vorher auf den gemeinsamen Ausflug. Beispielsweise haben sich die Kolleginnen für dieses Jahr extra ein T-Shirt zum Anlass drucken lassen. Aber mal im Ernst und ohne überheblich wirken zu wollen: Ein Hubschrauberflug über Schneefelder, eine Schneeschuhwanderung und Rast an einer Schneebar, wie wir es vor zwei Jahren im Allgäu erlebt haben, ist für manchen im Privaturlaub nicht drin. Wir machen das, weil es etwas wirklich Besonderes sein soll und das ist es für viele auch: eine außergewöhnliche Wertschätzung. Natürlich, man könnte auch Bonuszahlungen auf das Konto überweisen und das war’s. Dann fehlte allerdings der entspannte Austausch, das Zusammenwachsen im Team und das Gefühl, dass wir an einem Strang ziehen. „Das ist auch mein Laden“ soll jede und jeder einzelne Arzt, MTRA, MFA und anderweitig Beschäftigte verinnerlichen.
 

Würden Sie diese Art der Mitarbeiterbindung und -motivation anderen Praxen empfehlen?

Dr. Steil: Ich würde es unbedingt empfehlen aus folgenden Gründen: Erstens: Vertrauen schafft Offenheit. Niemand ist perfekt, ich auch nicht. Bei uns ist es normal, Probleme sachlich anzusprechen und zu lösen. Und das tun wir, weil wir uns kennen und vertrauen. Ich höre öfters von anderen Ärzten, die Personalangelegenheiten et cetera innerhalb der Belegschaft schlichten müssen. Das kommt bei uns wirklich sehr selten vor. Man klärt es untereinander. Zweiter Punkt: Jeder investierte Euro ins Team rentiert sich betriebswirtschaftlich. Wenn ich keine Fluktuation auf personeller Seite habe, schaffen wir gemeinsam mehr. Wenn mein Team motiviert ist, arbeitet es schlicht mehr Patienten ab. Wir haben in der ersten Hälfte des Jahres 6.000 mehr Patienten untersucht, ein Riesenaufwand. Und die Mitarbeiter haben das einfach abgearbeitet. Wir Ärzte sehen das, was sie hier leisten. Wenn man dann Bilanz zieht, sind die benannten Investitionen in die Belegschaft unterm Strich wirtschaftlicher.
 

Gerade heute bei immens steigenden Energiepreisen sucht man nach Einsparungspotenzialen. Wären dann beispielsweise die Events ein Posten zum Kürzen?

Dr. Steil: Die aktuelle Entwicklung nötigt uns bislang nicht dazu. Ich habe Ihnen ja gerade die Steigerung der Fallzahlen aufgrund besten Engagements genannt. Vielleicht ist Ihnen der Lopez-Effekt (* Anm.d.R.) bekannt. Irgendwann verliert man Geld, weil die Qualität der Leistung am Patienten durch knallharte Kosteneinsparungen beispielsweise durch weniger Personal oder niedrige Gehälter nicht mehr gewährleistet ist. Wertschätzung wird bekanntlich auch von Mitarbeitenden an die Praxis zurückgegeben. Das ist aus ­meiner Sicht betriebswirtschaftlich der bessere Ansatz. Es ist wichtig, maßvoll zu sein und nicht gierig zu werden. Und es ist wichtig, die ­Bodenhaftung nicht zu verlieren.

Was meinen Sie damit?

Dr. Steil: Ich bin ein wertkonservativer Mensch. Was ich bin und erreicht habe im Leben, hat mit Glück zu tun. Ich empfinde eine persönliche soziale Verpflichtung und Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Das beginnt nicht zuletzt in der Praxis bei meinen Mitarbeitern.
 

Danke für diesen Gedanken. Eine andere Sache: Wenn das gesamte Team auf Reisen ist, schließen Sie dann die Praxis?

Dr. Steil: Ja. Unsere Praxis bleibt zwei Tage geschlossen. Allerdings läuft dann der Notdienst für unsere Patienten über Teleradiologie. Zudem takten wir die Wartungstermine für unsere Geräte in diese Schließzeiten ein, sodass wir hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und unnötige Stillstände vermeiden.
 

Herr Dr. Steil, ich danke Ihnen für die Einblicke und Anregungen für mehr motivierte Mitarbeiter.

 


* Lopez-Effekt: José Ignacio López ist als „Kostenkiller“ der Autobranche bekannt. Er sorgte bei General Motors und später bei VW mit seinem „Sparwahn“ dafür, dass die Qualität der Fahrzeuge drastisch sank und die Autohersteller Image-Schäden erlitten. Der Lopez-Effekt gilt bis heute als Synonym für schlechte Qualität aufgrund von hohem Kostendruck.

Die Bilder sind Eigentum von Dr. Steil bzw.liegen in den Rechten der Praxis Hunsrück-Mosel-Westerwald.