Kooperationsmodelle zwischen Radiologen und Orthopäden
Am 3. März fand mit reger Teilnahme aus dem gesamten Radiologienetz der Workshop „Orthopäden-Kooperationen“ als Online-Vollversammlung statt. Dr. Johannes Schmidt-Tophoff moderierte das Netzmeeting als spannenden Preview zum Covid-19-bedingt nochmals verschobenen Radiologentag.
Dr. Schmidt-Tophoff hat in der Vergangenheit selbst schon Vorträge zu diesem Thema gehalten, hatte diverse Beratungsmandate dazu und setzte im DeRaG-Kontext konkrete Projekte mit um. Um die Perspektive zu erweitern, lud er als fachkompetenten Referenten Professor Dr. Wolfgang Merk ein. Dieser bewegt sich in verschiedenen Fach-(Arzt-)Gebieten und ist bereits seit vielen Jahren von der IHK München und Oberbayern öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger zur Bewertung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen und Professor an der Fakultät Wirtschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart.
Professor Merk kennt die Materie von allen Seiten, als Berater und Gestalter von Kooperationen in der Gesundheitsbranche, aber auch als Gutachter und Sachverständiger bei staatsanwaltlichen Ermittlungen. Das Resümee seines Vortrags zu den Kooperationsmodellen, dessen süffisanter Untertitel „Siamesische Zwillinge oder feindliche Brüder?“ lautete: Es gibt wenig allgemeingültige „Dos und Don´ts“. Stattdessen müsse immer der jeweilige Einzelfall betrachtet werden und der sogar ziemlich genau. Dabei machte er klar, dass neben juristischen Problemen, die durch den Korruptionsparagraphen §299a/b seit 2016 strafrechtliche Konsequenzen für die beteiligten Ärzte haben können, auch diverse steuerliche Problemstellungen (wie eine unverhoffte Gewerbe- und Umsatzsteuerpflicht, die nicht nur die Kooperation, sondern bei einer Personengesellschaft die ganze Praxis infizieren kann) auftreten können. All das sollte im Vorfeld bedacht werden. Dazu kommen natürlich noch weitere Rahmenbedingungen, die ihren Niederschlag bspw. im Vertragsarzt-, Berufs-, Gesellschafts- und Sozialversicherungsrecht sowie auch in Haftungsfragen, betriebswirtschaftlichen Überlegungen und der Marktakzeptanz der jeweiligen Regelung finden. Alles in allem eine sehr komplexe Materie, deren Umsetzung sorgfältig geplant und geprüft werden sollte.
Als Motivation der Orthopäden für eine Kooperation stellte Prof. Merk deren eigene Abrechnungsmöglichkeiten von MRT-Privatleistungen vor. Er verwies dabei auf aktuelle Urteile des OLG Nürnberg (9.3.20, AZ 5 U 634/18, zurzeit in Revision beim BGH) und des Landgerichts Berlin (16.1.19, AZ 84 O 300/17), die die Frage, ob es sich bei MRT um fachfremde Leistungen von Orthopäden und Chirurgen handelt, abschlägig beschieden haben.
Anhand konkreter Fallbeispiele diskutierte er mit den Teilnehmern am Workshop über verschiedene Kooperationsmodelle, die er aus der Praxis kennt:
A) Konstellation A: Ein Orthopäde als MRT-Betreiber möchte sich bei der Befundung absichern und kauft radiologische Zweitbefundung ein. Diesen Fall stufte Prof. Merk in Abhängigkeit von der Vergütungshöhe der Zweitbefundung als relativ unproblematisch ein.
B) Konstellation B: Die Gründung einer privatärztlichen Teil-Berufsausübungsgemeinschaft, z.B. für die Erbringung von MRT-Leistungen. Hier steckt nach Ansicht von Professor Merk der Teufel im Detail. Wenngleich grundsätzlich möglich, ergeben sich seines Erachtens nach antikorruptionsrechtliche Problemstellungen sowie häufig der Verdacht einer Unrechtsvereinbarung. Er verwies dabei auf die Notwendigkeiten einer Beurteilung der Nutzungsüberlassung und der Gewinnverteilung unter Berücksichtigung der individuellen Leistungserbringung der an der Kooperation Beteiligten (siehe Abb. 1).
C) In einem konkreten dritten Fallbeispiel zur Nutzungsüberlassung (siehe Abb. 2) erläuterte Professor Merk neben der antikorruptionsrechtlichen Problematik (z.B. wenn der Orthopäde für die Gerätenutzung ein zu geringes Entgelt bezahlt in Verbindung mit der Zuweisung von BG-Patienten) auch die Umsatz- und Gewerbesteuerproblematik.
D) Interessant war auch die Variante, in der Radiologen am Praxisstandort der Orthopäden eine Filiale betreiben und dort eigene Patienten in den orthopädischen Räumlichkeiten mit dem dortigen Personal und dem vorhandenen MRT untersuchen (siehe Abb. 3). Wie in den Fällen zuvor, scheint auch hier die genaue Ausgestaltung, insbesondere die Entgelthöhe, der ausschlaggebende Faktor für die Zulässigkeit eines solchen Modells zu sein.
E) Zuletzt stellte er die Gründung einer MVZ-GmbH durch einen Radiologen und einen Orthopäden am Standort des Orthopäden vor (siehe Abb. 4). Auch hier steht die rechtliche Problematik im Zeichen der gelebten Praxis. In diesem Fall hob Professor Merk die Gefahr der wettbewerbswidrigen Zuweisung der Orthopädiepatienten in die MVZ-GmbH hervor.
Im Vorfeld des Workshops hatte ein Netzradiologe seine für beide Seiten erfolgreiche Apparategemeinschaft mit einem Orthopäden an zwei Praxisstandorten in Baden-Württemberg mit in die Diskussion gebracht. Hier hat der Orthopäde das eigene Röntgen-Gerät zugunsten der Radiologie aufgegeben, minimiert seine Kosten und erhält zusätzlich einen Aufschlag auf den RLV-Fallwert für jeden Behandlungsfall. Der Radiologe wiederum profitiert de facto von jeglicher Zusatzdiagnostik und erhöht seine Röntgenfallanzahl, was sich in der KV-Budgetsystematik in Baden-Württemberg für ihn als einträglich darstellt.
In einem kurzen, aber aus Professor Merks Sicht unverzichtbaren Exkurs führte er die Teilnehmer in die juristischen Fallstricke u.a. des Antikorruptionsparagraphen §299 a/b ein. Bei diesem kommt es auf die Angemessenheit des verschafften Vorteils und die Unrechtsvereinbarung zwischen Vorteils-Geber und -Nehmer an, d.h. die Frage, ob sie eine sachfremde Entscheidung treffen, die zur Vorteilsverschaffung führt. Bei dieser muss dann zusätzlich beurteilt werden, ob sie zu einer unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb führt, also den „fairen“ Wettbewerb stört. Darüber hinaus sollten bestehende oder geplante Kooperationen unter den Gesichtspunkten der sogenannten Fremdvergleichsfähigkeit auf ihre wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit überprüft werden. Instrumente dafür sind die Angemessenheit von Nutzungsentgelten, Gewinnverteilungen oder marktübliche Honorierungen, wie die ortsübliche Miete. Last but not least ist bei Kooperationen auch zu prüfen, inwieweit Verstöße gegen wettbewerbliche Regelungen (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb oder die Musterberufsordnung Ärzte) vorliegen, wenn Patienten beispielsweise zu einseitig zum Kooperationspartner geschickt werden.
Am Ende nahmen die Teilnehmer:innen wertvolle Anregungen mit, wie dem Netzmanagement mehrfach zurückgemeldet wurde. Dr. Schmidt-Tophoff äußerte – auch angeregt durch Fragen im Chat – die Vermutung, dass Kooperationsmodelle künftig eine eher größere Rolle in der niedergelassenen Radiologie spielen werden und diese in den verschiedensten Spielarten umgesetzt würden, die unter anderem die aktuell schon gelebten Infrastruktur-Modelle à la Medneo oder die interdisziplinären Zentren der Med360Grad-Gruppe umfassen. Er bedankte sich beim Referenten und den Mit-Diskutanten im Netz und verwies auf die Fortsetzung dieser Dauerthematik in weiteren Netz-Formaten, spätestens im Rahmen des nächsten Radiologentags.
Ihr Ansprechpartner
Dr. Johannes Schmidt-Tophoff