Familiäre Staffelübergabe in der Netzpraxis Wiesloch
„Technologie trifft Menschlichkeit“ – dieser Praxisslogan prangt in der Mitte der Webseite des Radiologischen Zentrums Wiesloch. Und es scheint insbesondere bezeichnend für den Praxissenior, Dr. Günther Schneider, der die Praxis mit zuletzt zwei Partnern, Dr. Kai Eichhorn und Dr. Peter Miltner, und einem ärztlichen Team von fünf angestellten Ärzten über Jahrzehnte führte. Zum Jahresbeginn 2021 übergab er nun 68-jährig das Staffelholz an seinen Sohn Till. Mit ihm verließ seine Frau Alwine Schneider, die an seiner Seite das Praxismanagement verantwortete, die Praxis. Dass es den beiden Italien- und Kulturliebhabern langweilig werden könnte, denkt sicherlich keiner, der das umtriebige Ehepaar ein bisschen kennt, auch wenn es Corona- und auch gesundheitsbedingt momentan etwas langsamer geht.
Dr. Günther Schneider wird als Gründungsmitglied im Radiologienetz fehlen. Mit der ihm eigenen, offenen Art beteiligte er sich intensiv am interkollegialen Austausch, sowohl zu fachlichen Themen auf den Vollversammlungen des Radiologienetz Rhein-Neckar-Pfalz, wo über Jahre mit seiner Teilnahme zuverlässig gerechnet werden konnte, als auch bei den Social Events im Radiologienetz, bei denen das Ehepaar Schneider fast immer dabei war. Nicht zuletzt hat die Autorin dieser Zeilen und Netzmanagerin in ihren ersten Curagita-Jahren in der damaligen Praxis Brandelik/Schneider die Abläufe radiologischer Praxen vor Ort und damit auch die Empathie und Zugewandtheit von Dr. Schneider im Umgang mit Patienten kennenlernen dürfen.
Diese glückliche Hand im Umgang mit Anderen und menschliche Kompetenz von Dr. Günther Schneider und auch seinem ehemaligen Partner Dr. Erwin Brandelik sind sicherlich Gründe, dass sich die Wieslocher Praxis gegen einige Widrigkeiten in der Region immer erfolgreich behaupten konnte. Neben der Etablierung zweier Mammographie-Screening-Einheiten in Wiesloch und Sinsheim gelang auch das Kunststück der Praxis-Expansion nach Sinsheim, wo sich bereits der Standort einer Wettbewerbspraxis befand, in die der ehemals dritte Praxispartner kurzfristig gewechselt hatte. Dies hatte seinerzeit nicht nur in der Praxis, sondern, da es sich um eine weitere Netzpraxis handelte, im gesamten Radiologienetz hohe Wellen geschlagen, die auch durch Moderation von Fachbeiräten aus dem Netz wenig geglättet werden konnten. Ein Beispiel dafür, wie schwer und nachhaltig Vertrauensverlust im Gesellschafterteam und Trennungsschmerz bei der Praxispartnerschaft wirken.
Umso mehr ist es für den Senior Schneider bestimmt ein befriedigendes Gefühl, sein Lebenswerk in die Hände seines Sohnes zu legen. Die berühmten 100 Tage sind vorüber und Dr. Till Schneider war bereit für ein Gespräch über seinen Praxiseinstieg. Viel Zeit hat er gerade nicht, aber es wird nicht besser. Im Mai ist er erstmals Vater und gleich von Zwillingssöhnen geworden.
CuraCompact: Herr Doktor Schneider, was sind die größten Unterschiede Ihres aktuellen Arbeitsalltags im Vergleich zu Ihrer Tätigkeit in der Neuroradiologie des Uniklinikums Heidelberg?
Dr. Till Schneider: Zu allererst: Man kann nicht langsam starten! Es geht sofort los in jeder Perspektive. Ich habe im Vergleich zur Uniklinik, wo ich mich in den letzten Jahren besonders auf meinen Schwerpunkt Neuroradiologie konzentriert habe, in der Praxis ein riesiges Diagnostikspektrum, das abgedeckt werden muss. Außerdem sind die Fragestellungen in der Klinik doch sehr verschieden von denen in der Praxis. Ich treffe zwar auch in der Praxis auf sehr spezielle Fragestellungen, die in die Tiefe gehen, aber eben ganz andere als in der Klinik. Weiterhin ist mein Arbeitsalltag nun ein anderer. Während in der Klinik der interdisziplinäre Austausch zum Beispiel im Rahmen von Tumorboards und interdisziplinären Konferenzen viel Zeit einnahm, widme ich in der Praxis die allermeiste Zeit der Befundung meiner Patienten. Ich arbeite ärztlich gesehen mehr auf mich gestellt, die Kommunikation findet eher mit dem nicht-ärztlichen Personal und den Patienten statt. Das ist schon ganz anders.
CuraCompact: Was waren die Beweggründe für Sie, sich für einen Praxiseinstieg zu entscheiden?
Dr. Till Schneider: Ich erhoffe mir von der Tätigkeit als Freiberufler mehr unternehmerische und auch medizinische Autonomie.Weiterhin bin ich klar für eine niedergelassene Radiologie in der Regie freiberuflicher Radiologen, auch wenn ich weiß, dass sich die Branche momentan konsolidiert und andere Fachrichtungen zielstrebig daran arbeiten, die Radiologie für sich zu vereinnahmen. Ich bin davon überzeugt, dass für das Gesundheitssystem und auch den einzelnen Patienten eine Trennung zwischen Überweiser und Radiologen besser ist als eine selbstzuweisende Teilradiologie. Das ist übrigens auch ein Grund, warum ich das Radiologienetz und Curagita sehr schätze. Hier wird an dieser Thematik, die ich natürlich durch etliche Gespräche mit meinem Vater sehr gut kenne, seit Jahren gearbeitet und das mit Erfolg.
Ein erfolgreiches Beispiel der Netzarbeit ist für mich weiterhin das Mammographie-Screening, das sich in der Hand der Radiologie bzw. der radiologischen Praxen hier in der Rhein-Neckar-Region befindet. Hier treffen sich exzellente diagnostische und gynäkologische Expertise in Abklärung und Therapie zum Wohle unserer Patienten. Das Programm stellt zudem fast nebenbei seit Jahren auch eine solide extrabudgetäre Einnahmequelle dar und unterstützt hiermit auch Investitionen in die kurative Brustdiagnostik. Die Vernetzung der Radiologen untereinander im Zusammenspiel mit einem professionellen Curagita-Management waren damals im Bewerbungsprozess und bei der Umsetzung echte Wettbewerbsvorteile.
CuraCompact: Ist es einfacher oder schwieriger, wenn man in die Fußstapfen des eigenen Vaters in der Praxis tritt?
Dr. Till Schneider: Schwer zu sagen. Ich hatte zunächst eine Krankenhaus-Karriere erwogen und auch hier bieten sich interessante Optionen. Diesen habe ich die Möglichkeit eines Praxiseinstiegs gegenübergestellt. Dass es dann am Ende wirklich die Praxis meines Vaters wurde, hat weniger emotionale Gründe, obwohl ich mich wirklich freue, sein Lebenswerk weiterzuführen. Gereizt hat mich aber an dieser speziellen Konstellation in Wiesloch, dass wir ein ärztliches Team sind, das sich fachlich super ergänzt. Herr Eichhorn als Doppelfacharzt ist sehr fundiert in der Nuklearmedizin zu Hause, Herr Miltner ist – nicht zuletzt durch die langjährige Screeningtätigkeit – ein sehr guter Mamma-Diagnostiker und ich bringe die neuesten Kenntnisse zu MRT und insbesondere auch meinen Schwerpunkt Neuroradiologie mit ein. Dann gefällt mir auch, dass wir nur drei Gesellschafter sind. Dadurch sind wir hochflexibel und entscheidungsstark. Im Übrigen hat mich das gesamte Team sehr offen aufgenommen.
CuraCompact: Zusammengefasst: Die ersten 100 Tage liefen gut, bisher überwiegt die Euphorie, das Hamsterrad des aufreibenden Praxisalltags mussten Sie noch nicht besteigen?
Dr. Till Schneider: Naja, es gibt sicherlich einfachere Zeitpunkte, als während einer Pandemie in eine Praxis einzusteigen. Es ist viel zu tun, ärztliche Kollegen fallen aus und die Arbeit muss von uns anderen erledigt werden. Ich muss auch noch viel lernen – tatsächlich auch allerhand eigentlich banales Nicht-Medizinisches: vom Feuerlöscher über Steuern bis zu Gehältern. Oder zum Beispiel, ob es eine Fehlstunde ist, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von Glatteis später beginnt. Aber ich bin frohen Mutes und zuversichtlich.
CuraCompact: Welche Rolle spielen Curagita und das Radiologienetz für Sie?
Dr. Schneider: Zunächst bin ich sehr froh und dankbar, dass wir eine neue Praxismanagerin gewinnen konnten, die mit mir begonnen hat und ja bei Ihnen ausgebildet wurde und gearbeitet hat. Sie ist damit mit der Radiologie voll vertraut. Natürlich ist sie ebenso gut mit Ihrem Heidelberger Team vernetzt und erreicht den Support bei Fragen zu Einkauf bzw. Arbeits- und Datenschutz sehr schnell und zuverlässig. Das entlastet. Von meinem Vater her kenne ich das Netz seit Jahren und finde die Idee, der kleinen Fachgruppe der Radiologen in der Niederlassung eine Stimme zu geben, sehr gut. Ich erhoffe mir auch weiterhin innovative Ideen, die wir als Mitglieder im Radiologienetz dann gemeinsam umsetzen können. Neben den auf die Radiologie spezialisierten Dienstleistungen, die wir ja schon seit Jahren in der Praxis in Anspruch nehmen, schätze ich auch sehr die Möglichkeit, ein Netzwerk zu haben, das die Kommunikation zwischen niedergelassenen Radiologen gestaltet und fördert.
CuraCompact: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute weiterhin!