Fachkräftemangel in der Radiologie – was sagen die Zahlen?
Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass radiologische Praxen einem Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden entgegenwirken müssen. Seit einigen Jahren besteht dieses Problem und stellt Praxen und Krankenhäuser vor eine immer größere Herausforderung.
Bis auf wenige Ausnahmen beklagen Praxen unbesetzte Stellen für medizinisch-technische Radiologieassistenz (MTRA) und versuchen zunehmend, sich mit Quereinsteigern oder im Ausland rekrutierten Mitarbeitern zu behelfen. Dabei berichten die Schulen, dass durch den Wegfall des Schulgeldes und die Einführung der Ausbildungsvergütung die Nachfrage am Ausbildungsberuf MT(R)A wieder deutlich zugenommen hat. Wie stellt sich denn nun rein zahlenmäßig die Situation dar? Wir haben die zugänglichen Statistiken gesichtet.
Verteilung der medizinisch-technischen Berufe in der Radiologie
Laut aktueller Gesundheitsberichterstattung des Bundes1) waren im Jahr 2019 insgesamt rund 27.000 Personen in den „Medizinisch-technischen Berufen in der Radiologie“ tätig. Davon waren 18.000 Personen in stationären/teilstationären Einrichtungen beschäftigt, 8.000 arbeiteten in Arztpraxen, ca. 1.000 in sonstigen Einrichtungen.
Jene Berichterstattung zählte für das Jahr 2012 24.000 Beschäftigte deutschlandweit – die tatsächliche Anzahl der in diesen Berufen arbeitenden Personen hat sich demnach nicht reduziert, sondern erhöht.
Kann also trotz offensichtlich gestiegener Beschäftigtenzahl zwischen 2012 und 2019 ein Fachkräftemangel der medizinisch-technischen Berufe in der Radiologie entstanden sein?
Ja. Denn was die offiziellen Zahlen nicht zeigen: Bereits 2012 herrschte Fachkräftemangel der medizinisch-technischen Berufe in der Radiologie. Im Gutachten des Deutschen Krankenhausinstituts aus dem Jahr 2009 stellte der Autor Dr. Karl Blum fest, dass rund 20% der MTRA-Stellen in Krankenhäusern unbesetzt blieben. Für die Radiologie-Praxen liegen keine entsprechenden Auswertungen vor.
Dennoch lässt sich aus dem Vergleich der Beschäftigtenzahlen von 2012 und 2019 erschließen, dass sich der bereits 2009 festgestellte erhöhte Personalbedarf in den medizinisch-technischen Berufen in der Radiologie bis heute lediglich durchzieht. In Zukunft wird sich dieser vor allem durch demografische Entwicklungen stationär wie ambulant weiter verschärfen.

Demografische Generationen-Aufgabe
Die demografische Entwicklung in Deutschland ist ein Hauptfaktor im Fachkräftemangel der Radiologien. Während die sog. „Babyboomer“-Generation (Geburtenjahrgänge 1946 bis 1964) der MTA und MTRA bis 2035 vermehrt in das Rentenalter eintritt, können die darauffolgenden, weniger geburtenreichen Generationen die Lücke perspektivisch nicht füllen, die die Babyboomer momentan öffnen.
Laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes gab es 2019 in der Radiologie insgesamt 11.000 medizinisch-technische Beschäftigte mit einem Alter von über 50 Jahren – 2012 waren es noch 7.000. Das Alter der Beschäftigten steigt entsprechend unproportional zu den nachrückenden Dekaden, die jeweils im Durchschnitt nur 5.000 bis 6.000 Fachkräfte stark sind. Bei einem Renteneintrittsalter von durchschnittlich 67 Jahren werden spätestens 2036 also 11.000 Beschäftigte aus dem Beruf ausgeschieden sein. Die stagnierenden Nachwuchszahlen zeigen, dass nicht genug Personal nachrückt, um die Babyboomer-Lücke problemlos zu schließen.
Gleichzeitig wird nicht nur das Radiologie-Personal älter, auch das Durchschnittsalter der restlichen Bevölkerung steigt entsprechend: Ca. 22 Mio. Deutsche waren 2012 über 60 Jahre alt – 2019 sind es schon rund 24 Mio., Tendenz steigend.
Entsprechend erhöht sich parallel zum Alter auch der Bedarf nach radiologischer Versorgung. In naher Zukunft werden deshalb noch gravierendere Mangelerscheinungen in den Radiologien Deutschlands auftreten, sollte der Nachwuchs weiterhin stagnieren. Werfen wir einen Blick auf die Gründe für die Stagnation.

Studium sticht Ausbildung
Dass die Nachwuchszahlen in allen Ausbildungsberufen seit Jahren leicht rückläufig sind, zeigt die Erhebung des Statistischen Bundesamtes: Während 2012 noch rund 1,4 Mio. Azubis einen Beruf erlernen, sind es 2020 knapp 1,3 Mio. Im Vergleich dazu studieren 2012 deutschlandweit ca. 2,5 Mio Menschen an den Hochschulen – 2020 sind es knapp 3 Mio.
Insgesamt lässt sich in der Berufsausbildung deutlich der Trend Richtung Studium beobachten. Eine Ausbildung scheint für junge Menschen nicht mehr in der Form attraktiv zu sein. Zumal Faktoren wie Ausbildungskosten und mangelnder Bekanntheitsgrad gerade der medizinisch-technischen Ausbildungsberufe eine große Rolle spielt, wenn es darum geht, den geeigneten Beruf zu wählen.
Die somit dringend nötige Aktualisierung der Ausbildungsordnung hat der Bund in Angriff genommen, das neue MTA-Reformgesetz wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Lösungsansatz: MTA-Reformgesetz
Ab dem 1. Januar 2023 tritt das „Gesetz zur Reform der technischen Assistenzberufe in der Medizin und zur Änderung weiterer Gesetze“ (MTA-Reformgesetz) in Kraft. Ziel des Gesetzes ist laut Bundesgesundheitsministerium die zeitgemäße und zukunftsorientierte Ausrichtung der Ausbildungen in medizinisch-technologischen Berufen.
Die wichtigsten Regelungen auf einen Blick:
- Die Berufsbezeichnung „medizinisch-technische Assistenz“ wird abgelöst. Die neue Berufsbezeichnung lautet „medizinische:r Technolog:in für den jeweiligen Beruf (Radiologie, Funktionsdiagnostik, Veterinärmedizin und Laboratoriumsanalytik)“.
- Das Gesetz konkretisiert und spezifiziert die Ausbildungsziele der Fachrichtungen sowie die Vorgaben zu den Ausbildungen.
- Mit Inkrafttreten des Gesetzes werden ein Ausbildungsvertrag und eine angemessene Ausbildungsvergütung verbindlich. Zukünftige Ausbildungen sind vom Schulgeld ausgeschlossen.
Kritik am Gesetz
Was die Reformierung laut gemeinsamer Stellungnahme u.a. des Dachverbands für Technolog:innen und Analytiker:innen in der Medizin Deutschland e.V. (DVTA) und der Vereinigung medizinisch-technischer Berufe in der Deutschen Röntgengesellschaft e.V. (VMTB) zum einen nicht berücksichtige, sei die finanzielle Absicherung der Ausbildungskosten auch im ambulanten Bereich. Denn diesen bilde § 74 des Reformgesetzes bislang nicht ab, da er nicht unter das Krankenhausfinanzierungsgesetz falle. Werden niedergelassene Ärzte mit ihren Praxen und MVZ nicht in die Finanzierungshilfe gesetzlich mit aufgenommen, gestaltet sich die reformierte Ausbildungsgestaltung für sie als immense Kostenerhöhung.
Ein weiterer Kritikpunkt, den die Stellungnahme aufgreift, ist die fehlende Akademisierung des Berufsbildes, die u.a. die VMTB (Vereinigung Medizinisch-Technischer Berufe) fordert und das neue Gesetz nicht berücksichtigt. Diese hätte der technischen Komplexität des Berufsbildes sowie der Attraktivität für Schüler:innen Rechnung getragen.
Fazit
Der Fachkräftemangel innerhalb der medizinisch-technischen Berufe in der Radiologie ist längst Realität geworden. Die Gründe sind bekannt, erste Schritte hin zu einer modernen Ausbildung getan. Darüber hinaus müssen dennoch dringend weitere Alternativen erarbeitet werden, um langfristig eine flächendeckende radiologische Patientenversorgung für die immer älter werdende Bevölkerung gewährleisten zu können. Die Kreativität und Flexibilität der Praxisinhaber und Praxismanager ist und bleibt stark gefordert.
Eine Umfrage unter den Radiologienetz-Mitgliedern bestätigte schon 2017 den Fachkräfte-Notstand in den Praxen
Bei einer Mitgliederbefragung im Jahr 2017 im Radiologienetze wurde deutlich: Der Personalbedarf in Radiologienetz-Mitglieder ist hoch und kann nicht voll gedeckt werden.
Insgesamt nahmen 35 Praxen an der Befragung teil, von denen nur zwei angaben, keinerlei Probleme bei der Rekrutierung von MTRA zu haben. Alle anderen hatten zunehmend Schwierigkeiten. Elf Praxen sahen sich zu diesem Zeitpunkt bereits unter erheblichem Druck, offene Stellen zu besetzen.
Zum Zeitpunkt der Befragung befanden sich nur 2.700 Personen in den etwa 100 deutschen MTRA-Schulen in einer Ausbildung. Diese decken den jährlichen Bedarf der niedergelassenen Radiologiepraxen, der Krankenhäuser und der Industrie nicht ab. Aus der Mitgliederumfrage ergab sich ein hochgerechneter Bedarf von 1.260 MTRA-Vollzeitstellen, die pro Jahr in radiologischen Praxen neu zu besetzen waren. Berücksichtigt man, dass größere Betriebe wie Krankenhäuser durchschnittlich um einiges mehr Gehalt pro Monat zahlen (Quellen: Lohnspiegel.de 2015; Medi-Karriere.de) und 20% der Krankenhausstellen 2017 unbesetzt waren, wird klar, warum die Mehrheit der befragten Radiologen (68%) erwarteten, dass sich die Lage weiter verschlechtern wird – in einer Situation, in der sie den Wettbewerbsdruck am Arbeitsmarkt bereits zu 61% als eher hoch erlebten.