Das Radiologie-MVZ – ein zukunftweisendes Modell? - Teil II
Bereits in der Frühjahresausgabe haben wir uns mit dem Modell Radiologie-MVZ beschäftigt. In der aktuellen Ausgabe erläutert Carsten Krüger, was bei der Umwandlung zu tun und beachten ist. Der Curagita-Prokurist steckt tief in der Thematik und hat bereits mehrere Praxen in verschiedenen KV-Regionen bei der MVZ-Umwandlung unterstützt.
Frage:Sie hatten im Sommer den Fall einer radiologischen Praxis in „Niederbock-Steißlingen“ skizziert und eine Fortsetzung versprochen! Wenn nun nach gründlichem Abwägen von Vor- und Nachteilen die Praxispartner ihre Praxis in eine MVZ GmbH umwandeln wollten, was ist zu tun?
Carsten Krüger: Dem Grunde nach ist das ein einfacher Vorgang. Der Weg erfolgt in vier Schritten:
• Die Ärzte, die Gesellschafter werden beziehungsweise bleiben wollen oder der übernehmende Investor gründen notariell eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).
• Das MVZ beziehungsweise die neu gegründete und im Handelsregister eingetragene GmbH stellt beim zuständigen Zulassungsausschuss den Antrag auf Zulassung.
• Die niedergelassenen Ärzte verzichten nach § 103 Abs. 4a SGB V auf ihre jeweilige Zulassung, um sich in einem Medizinischen Versorgungszentrum anstellen zu lassen.
• Das MVZ beantragt für jeden der Ärzte eine Anstellungsgenehmigung.
Das ist in einer Zulassungssitzung möglich. In diesem Fall, bei dem auf eine formale Ausschreibung der Vertragsarztsitze verzichtet wird, müssen die verzichtenden Vertragsärzte nach einem Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Mai 2016 mindestens drei weitere Jahre im MVZ tätig sein. Die ersten zwölf Monate im gleichen Umfang wie zuvor. Wer also einen vollen Sitz in das MVZ einbringt, muss in der Anstellung im ersten Jahr mindestens 31 Stunden/Woche arbeiten. Sollte sie oder er die Arbeitszeit früher reduzieren, kann die freiwerdende Zeit auf Dauer nicht durch einen anderen angestellten Arzt wiederbesetzt werden. Nach diesem Jahr kann schrittweise auf bis zu ein Viertel des Anstellungsumfangs reduziert und in diesem Maße mit einem anderen Arzt nachbesetzt werden. In seltenen Fällen wird eine frühere Nachbesetzung möglich sein, wenn der bisherige Sitzinhaber erkrankt, sich seine Lebenssituation stark verändert (zum Beispiel berufliche Veränderung des Partners in eine andere Stadt) oder eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für beide Seiten nicht mehr zumutbar ist.
Frage:Was ist, wenn die Praxis mehrere Standorte umfasst?
Carsten Krüger: Das kommt darauf an, wie die Sitze über die Standorte verteilt sind. Ein standortübergreifendes MVZ gibt es nicht. Vielmehr müssten an dieser Stelle zwei MVZ gegründet werden, die sich dann wiederum in einer standortübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft in der Rechtsform der GbR zusammenschließen. Natürlich könnte man versuchen, den zweiten Standort als Zweigpraxis des MVZ zu beantragen, allerdings spielen bei diesem Vorhaben erfahrungsgemäß nur wenige KVen mit. Die KV nämlich (nicht der ZA) ist für die Genehmigung von Zweigpraxen zuständig.
Diese Art der Filiale ist dann möglich, wenn:
1. die Versorgung am neuen Standort verbessert wird und
2. die Versorgung am Hauptstandort nicht leidet.
Die Rechtsprechung hat Kriterien herausgearbeitet, was unter „Verbesserung der Versorgung“ zu verstehen ist. Ein reines zusätzliches Radiologieangebot und kürzere Wartezeiten reichen nicht aus. Es müssen deutliche qualitative Zusatzleistungen angeboten werden.
Je nach KV-Bereich ist es wichtig, dass es an jedem Praxisstandort, der zum MVZ umgewandelt wird, mehr
als eine echte Zulassung gibt. Schwierig wird es, wenn es z.B. nur einen niedergelassenen und einen zweiten angestellten Sitz gibt. In diesem Fall käme die Rückumwandlung der Anstellungsgenehmigung in Betracht oder einer der anderen Niedergelassenen verlegt einen oder einen halben Sitz an den Ort der zweiten Praxis. In beiden Fällen sollte man aber davon ausgehen, dass der Zulassungsausschuss erst nach zwei bis vier Quartalen in dieser neuen
Konstellation einen Antrag auf MVZ-Gründung entgegennimmt. Verzögerungen sind hier systemimmanent.
Frage: So beschrieben, ist die MVZ-Gründung also recht kompliziert und zeitaufwendig?Carsten Krüger: Zumindest gibt es viele Fallstricke, die man vorher kennen muss, und mögliche zeitliche Warteschleifen, die man bei einer Planung bedenken sollte. Je eindeutiger von Anfang an die Struktur der Umwandlung geklärt wird, umso besser und umso einfacher wird es, das Projekt am Ende umzusetzen.
Frage:Der Anfang ist also entscheidend. Gibt es denn im weiteren Verlauf Risiken, die hier nicht angesprochen wurden?
Carsten Krüger: Auch während der verschiedenen Phasen kommt es auf die richtige Steuerung an. Von der Vertragsunterzeichnung bis zur endgültigen Umwandlung können je nach Praxiskonstellation mehrere Jahre vergehen. Während dieses Zeitraums kommt es darauf an, dass das Projektmanagement stets auf dem aktuellen Stand ist und bei unerwarteten Schwierigkeiten reagieren kann. Wir haben gelernt, dass das Zusammenwirken von KV, Zulassungsausschuss und Praxis aktiv begleitet werden muss. Und schließlich müssen Sie die jeweilige Rechtsprechung der Sozialgerichte im Auge haben. Hier ist durchaus Kreativität und Know-how im Verlauf der Umsetzung gefragt, damit eine einzige gerichtliche Entscheidung nicht den Gesamtplan kippt.
Frage:Wie kommt es, dass die Behörden der Selbstverwaltung, die ja eigentlich für die Ärzte da sein sollen und sich auch als erster Dienstleister gerieren, derart rigide und bürokratisch vorgehen?
Carsten Krüger: Kassenärztliche Vereinigung haben politisch kein Interesse daran, dass MVZ von Investoren, die keine Ärzte sind, Marktmacht gewinnen. Die KV hat den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag und wird bei dessen Erfüllung von den Kassen argwöhnisch beobachtet. Auch in der Politik gibt es Kräfte, die die Sicherstellung eher bei den Kassen oder einer staatlichen Aufsicht sehen, als bei der Selbstverwaltung der Ärzte. Wenn immer größere Ketten von MVZ entstehen, die alle durch einen Träger gelenkt werden, kann zumindest regional eine marktbeherrschende Stellung dieses Trägers entstehen. Ein KV-Vorstand will sich in dieser wichtigen Frage unter keinen Umständen von einem gewinnorientierten Unternehmen abhängig machen wollen. Einzelne, unabhängige Praxen mit verschiedensten Interessen lassen sich besser steuern und stellen eine geringere Gefahr dar als ein Unternehmen, das vom Management her mit einer Stimme spricht und handelt.
Frage: Ist in dieser Frage in absehbarer Zeit Abhilfe zu erwarten? Zum Beispiel durch eine Klarstellung der Politik?
Carsten Krüger: Der Gesetzgeber hat, willentlich oder unbewusst, Freiräume in der Formulierung von Gesetzen und Verordnungen gelassen – diese werden nach und nach zunächst durch das Handeln der Ausschüsse, später dann durch die Rechtsprechung geschlossen.
Beispiel angestellte Ärzte: Mittlerweile sind mehr als ein Viertel der ambulant tätigen Ärzte Angestellte. Allerdings haben diese nur geringen Einfluss in den KVen. Denn nur wer mindestens über eine halbe Anstellungsgenehmigung verfügt, ist überhaupt Mitglied seiner Kassenärztlichen Vereinigung. Eigentlich kann das nicht mehr lange so bleiben. Eine repräsentative Teilnahme in den Gremien der Vertreterversammlungen ist aber noch in weiter Ferne.
Auch bei der Gründung von MVZ wird es kompliziert durch die vielen angestellten Ärzte, die es inzwischen gibt: Viele Zulassungsausschüsse weigern sich, diese Angestelltensitze mit ins MVZ zu übertragen, wenn die zugelassenen Praxisinhaber (Freiberufler) auf eine Anstellung verzichten. Anders als bei der herkömmlichen Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes hat der Gesetzgeber nämlich nicht geregelt, was bei Verzicht mit der Anstellungsgenehmigung passiert.
Frage:Der Anfang ist also entscheidend. Gibt es denn im weiteren Verlauf Risiken, die hier nicht angesprochen wurden?
Carsten Krüger: Auch während der verschiedenen Phasen kommt es auf die richtige Steuerung an. Von der Vertragsunterzeichnung bis zur endgültigen Umwandlung können je nach Praxiskonstellation mehrere Jahre vergehen. Während dieses Zeitraums kommt es darauf an, dass das Projektmanagement stets auf dem aktuellen Stand ist und bei unerwarteten Schwierigkeiten reagieren kann. Wir haben gelernt, dass das Zusammenwirken von KV, Zulassungsausschuss und Praxis aktiv begleitet werden muss. Und schließlich müssen Sie die jeweilige Rechtsprechung der Sozialgerichte im Auge haben. Hier ist durchaus Kreativität und Know-how im Verlauf der Umsetzung gefragt, damit eine einzige gerichtliche Entscheidung nicht den Gesamtplan kippt.
Frage:Was raten Sie Praxen und niedergelassenen Radiologen?
Carsten Krüger: Das ganze Thema ist im Fluss und wird sich permanent weiterentwickeln. Für eine Praxis, die sich mit den Themen Praxiswert, Praxisnachfolge oder gar Praxisverkauf beschäftigt, gilt es dementsprechend früh anzufangen und sich von einem kompetenten und erfahrenen Expertenteam begleiten zu lassen.
Ihr Ansprechpartner:
Carsten Krüger