Aktuelle Rolle der Strahlentherapie bei Keimzelltumoren des Hodens
Der Onkologe, Vol.23, Februar 2017, S. 102 – 106, A.L. Hottinger et al., Basel
Im Stadium I eines Seminoms wird heute die Strahlentherapie durch die Carboplatin AUC 7-Therapie mit gleichem Erfolg ersetzt. Im Stadium II A/B wird die Strahlentherapie der Lymphabflusswege durchgeführt. Die Gesamtstrahlendosis liegt bei 36 Gy. Die Heilungsraten liegen zwischen 88 und 95 %. Bei 5 – 8 % der Fälle entsteht auf der Gegenseite eine Neoplasie, die sich in 50 % der Fälle innerhalb von fünf Jahren zu einem invasiven Karzinom entwickeln kann.
Bei der adjuvanten Strahlentherapie des Seminoms im Stadium I konnte in den letzten 20 Jahren sowohl das Zielvolumen (Lymphabflusswege) als auch die Strahlendosis verringert werden. Im letzten Jahrzehnt wurde sie jedoch vollständig durch eine Zyklusbehandlung mit Carboplatin AUC 7 bei gleichem Erfolg ersetzt.
Im Stadium II A/B gehört die Strahlentherapie der ipsilateralen pelvinen und paraortalen Lymphabflusswege zur Standardtherapie. Sie er wies sich mit drei bis vier Zyklen platinhaltiger Substanzen gegenüber der Chemotherapie als überlegen. Die Gesamtstrahlendosis im Stadium II A liegt bei 30 Gy, im Stadium II B bei 36 Gy. Die Heilungsaussichten liegen bei 95 bzw. 88 %. Fast alle Rezidive entstehen außerhalb der bestrahlten Areale.
Eine dosiseskalierte Monotherapie mit Carboplatin unter Response-Evaluation mittels PET wird z.Z. in England getestet. Eine FDG-PET-Untersuchung sechs Wochen nach Ende der Chemotherapie gilt als Standarddiagnostik und ist hilfreich bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen.
Bei 5 – 8 % der Seminom-Patienten kann auf der Gegenseite eine testikuläre intraepitheliale Neoplasie (TIN) im Sinne einer Präkanzerose entstehen. Innerhalb von fünf Jahren entwickeln sich daraus in 50% der Fälle invasive Karzinome, nach sieben Jahren in 70 %, später wahrscheinlich in allen Fällen. Eine diesbezügliche Strahlentherapie wird der Orchiektomie vorgezogen, weil bei einigen Patienten die Leydig-Zell-Funktion und damit die Testosteron-Produktion erhalten werden kann.
Der Fokus zukünftiger Forschung liegt in der Therapie-Deeskalation, um Nebenwirkungen bei einer Erkrankung mit guter Prognose möglichst gering zu halten.
Wir danken unserem Ehrenmitglied Prof. Dr. U. Klein aus München, der Ihnen die Veröffentlichungen aus den Fachzeitschriften auswählt und zusammenfassend erläutert.