Zusammenarbeit in der ambulanten und stationären Versorgung
Angesichts der Zunahme ambulanter Behandlungen und gleichzeitig bestehender Überkapazitäten im Krankenhausbereich müssten die ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen bedarfsgerecht angepasst werden. Insbesondere die Vernetzung von ambulanten und stationären Versorgungsbereichen durch eine Weiterentwicklung des Belegarztwesens, indem auch hausärztliche Kompetenz eingebunden werden muss, kann den Strukturwandel im Sinne der Ambulantisierung vorantreiben. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bereitet sich mit dieser Zielrichtung auf eine grundsätzliche Diskussion zur ambulanten und stationären Versorgung nach der Bundestagswahl (am 24. September 2017) vor.
Zur wissenschaftlichen Fundierung der Diskussion hat die KBV ein wissenschaftliches Gutachten namhafter Experten vorgelegt. „Wege zu einer effektiven und effizienten Zusammenarbeit in der ambulanten und stationären Versorgung in Deutschland“ haben Professor Dr. Eckhard Nagel (Universität Bayreuth), Professor Dr. med. Benno Neukirch (Hochschule Niederrhein, Krefeld), Professor Dr. Andreas Schmid (Universität Bayreuth) und Rechtsanwalt Gerhard Schulte (Ministerialdirektor a. D.) ausgelotet.
Die wichtigsten Punkte:
1. Verbesserung der allgemeinärztlichen Versorgungsstrukturen
• Einrichtung multidisziplinärer Teams
• Etablierung arztunterstützender Programme und Leistungen
• Installierung einer zusätzlichen Vergütungskomponente für (digitale) Vernetzungserfordernisse
2. Die Qualifikation ambulanter Fachärzte stärker nutzen
• Praxiskliniken sind strukturell geeignet, um zu einer Substitution von stationärer Versorgung in unterversorgten Gebieten beizutragen und vor allem auf die Versorgungsbedarfe multimorbider, allein lebender Personen adäquat einzugehen.
• Einführung eines neuen, optimierten Vergütungsmaßstabs für Belegärzte, um in spezifischen Indikationen (Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde oder Urologie) die Vorteile dieser Option, insbesondere in ländlich geprägten Regionen, nutzen zu können.
• Die Verbindung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) (angestellte Ärzte) mit Praxiskliniken (kurzstationäre Behandlungen) ermöglicht eine Versorgungsstruktur, die Krankenhäuser der Allgemeinversorgung ersetzen kann. Der aktuelle Rechtsrahmen reicht hierfür aus, soweit die Empfehlungen zu den Praxiskliniken realisiert werden.
• Dem verbreiteten Wunsch nach einer Zweitmeinung muss Rechnung getragen werden. Eine Regelung für alle schwerwiegenderen diagnostischen bzw. therapeutischen Fragestellungen ermöglicht den Patienten eine bessere Kommunikation, vermeidet Missverständnisse und verhindert die ungezielte Mehrfachinanspruchnahme.
• Die Organisationsform der Leistungserbringung darf nicht die entscheidende Rolle bei der Erlaubnis bzw. dem Vorbehalt innovativer Versorgungsformen spielen. Es muss regulatorisch dafür gesorgt werden, dass alle Leistungserbringer gleich behandelt werden.
• Ausweitung der Öffnungszeiten von Portalpraxen als Instrument im Rahmen der stationären Notfallversorgung, um die dadurch mögliche Triage-Funktion der Portalpraxen bestmöglich nutzbar machen zu können.
• Notwendigkeit weiterer gesetzlicher und administrativer Schritte zur Förderung der vertragsärztlichen Beteiligung an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV).
3. Strukturfonds zur Verbesserung der ambulanten und stationären Versorgung
• Volumen: 10 Mrd. Euro für einen Zeitraum von 10 Jahren.
• Finanzierung: Je ein Drittel aus dem Gesundheitsfonds unter Beteiligung der privaten Krankenversicherung (PKV), ein Drittel Bundesmittel, ein Drittel Mittel der Bundesländer für Projekte im jeweiligen Land.
• Förderungsfähige Projekte: regionale Gesundheitszentren mit Haus- und Facharzt-Praxen, Praxiskliniken (bettenführende Praxen), Krankenhaus mit Belegabteilungen bei gemeinsamer Personal- und Gerätenutzung.
• Umwandlung von Krankenhaus abteilungen in Belegabteilungen sowie neue Belegabteilungen in strukturschwachen Regionen.
• Errichtung von MVZ gegebenenfalls in Verbindung mit Praxiskliniken in Trägerschaft von Vertragsärzten oder Kommunen, vorzugsweise in Regionen bei drohender ärztlicher Unterversorgung.
• Einrichtung von Portalpraxen.
4. Duale Krankenhaus-Finanzierung
• Eine Einbeziehung der Investitionskosten in die Kalkulation der Krankenhausentgelte ist der notwendige Weg zum Abbau des Investitionsstaus.
• Dieser Ansatz ermöglicht auch einen objektiven Preisvergleich ambulanter und stationärer Kosten.
5. Sektorenübergreifende Bedarfsplanung
• Eine Zusammenführung der getrennten Planungsinstrumente auf ambulanter wie auf stationärer Ebene würde die Umsetzung beträchtlich erleichtern.
• Das setzt eine Zusammenarbeit der bisherigen Entscheidungsträger der Bundesländer, Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sowie Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen in einem gemeinsamen Gremium voraus. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entwickelt Grundlagen der übergreifenden Planung.
• Im Falle der Nichteinigung ist eine Schiedsinstanz vorzusehen, die sich in ihrer Struktur an den Berufungsausschüssen nach § 97 SGB V unter Einbeziehung der Entscheidungsträger orientiert.
6. Gesteigerte Patientenorientierung
• Der ambulant tätige allgemeinärztliche Facharzt als Koordinator und konstanter Ansprechpartner der Patienten kann zur Überwindung der Sektorengrenzen und zur Herstellung eines Prozesskontinuums im Sinne der Patienten beitragen.
7. Flächendeckende Versorgung sicherstellen
• Eine flächendeckende Versorgung erscheint perspektivisch nur dann möglich, wenn es zu einer konsentierten Kooperation zwischen den Sektoren und der Nutzung diverser weiterer Instrumente, wie beispielsweise der Delegation ärztlicher Leistungen, kommt.
______________
Dieser Artikel stammt vom Leo Schütze Verlag, Herausgeber des „Schütze-Briefs“. Curagita übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit dieser Informationen.
Ihre Ansprechpartner:
Dr. Michael Kreft mikcuragita.com
Carsten Krüger ckgcuragita.com