Zerebrale Venenthrombose, Fallbeschreibung und Vorgehen
HNO, Vol.64, März 2016, S.179-183, A. Koch et al., Luxemburg und Homburg/Saar
Die zerebrale Sinusvenenthrombose hat eine Inzidenz von 1,5/100.000 Einwohnern. Sie ist auch schon im Kindesalter zu beobachten. Sie führt zu Resorptionsstörungen des Liquors mit nachfolgenden Kopfschmerzen, Übelkeit, Papillen-Ödem und hirnorganischen Störungen. Ursachen sind Otitis, Mastoiditis oder ein Cholesteatom. Diagnostisch stellt die MRT die
Methode der Wahl dar. Die Rekanalisationsrate nach Gaben von Vitamin K-Antagonisten beträgt ca. 85 %, die Frühletalität 5 %, die Spätletalität 15 %.
Fallbeispiel: Eine 45-jährige Frau mit seit sechs Tagen bestehenden therapieresistenten Kopfschmerzen zeigte in der Anamnese keine Besonderheiten. HNO-Befund, Neurologiebefund und ein Nativ-CT des Kopfes waren unauffällig. Die MRT zeigte in der T2-Sequenz eine rechtstemporale Signalanreicherung als Zeichen für ein Hirnödem mit geringen Einblutungen. Nach KM-Gabe zeigte sich ein fehlendes Signal im Bereich des Sinus laterales, bis in die Vena jugularis hineinreichend. Der D-Dimer-Wert lag bei 1175 ng/ml. Es wurde die Diagnose einer Sinusvenenthrombose gestellt, die Antikoagulationstherapie mit Enoxaprim eingeleitet und nach der Akutphase auf einen Vitamin K-Antagonisten umgestellt. Die Patientin erholte sich folgenlos. Als Ursache kam wahrscheinlich eine kürzlich umgestellte hormonelle Kontrazeption in Betracht.
Die zerebrale Sinusvenenthrombose (ZVT) hat eine Inzidenz von ca. 1,5/100.000 Einwohnern/Jahr. Frauen sind häufiger als Männer und in einem früheren Lebensalter betroffen, bei Neugeborenen und im Kindesalter ist eine ZVT selten zu beobachten. Im HNO-Bereich tritt sie als Komplikation bei einer eitrigen Mittelohrentzündung, bei einer Mastoiditis oder beim Cholesteatom auf. Die Sinusvenenthrombose führt zu Resorptionsstörungen des Liquors und damit zur Erhöhung des intrakraniellen Drucks (mit Kopfschmerz, Übelkeit, Papillen Ödem) und zu einer venösen Abflussstörung mit konsekutiven hirnorganischen Störungen, zu Hirn-Ödemen und zu Nekrosen. Folgen davon sind neurologische Ausfallerscheinungen, Krämpfe und Aphasien. In 89 % der Fälle steht der unerträgliche Kopfschmerz im Vordergrund der Beschwerden. Meist setzt er plötzlich ein und spricht kaum auf die gängigen Schmerzmittel an.
Die kranielle CT ist bis zu 30 % der Fälle unauffällig. Allerdings ist die Diagnose durch die CT-Venographie zu stellen. Die MRT (T2-Wichtung) und die MRT-Venographie sind die diagnostischen Methoden der Wahl. Die Bestimmung der D-Dimere ist im positiven Fall aussagekräftig, der Wert kann aber auch normal sein. Die Behandlung mit Vitamin K Antagonisten dauert bei Erwachsenen zwischen drei und 12 Monate, bei Kindern zwischen drei und sechs Monate. Als Verlaufskontrolle kann die transkranielle Farb-Doppler Untersuchung eingesetzt werden.
Die Rekanalisationsrate nach drei Monaten beträgt ca. 85 %. Bei Progredienz der Thrombosierung kommt eine systemische oder endovaskuläre Thrombolyse z.B. mit Urokinase in Betracht. In 85 % der Fälle lässt sich mindestens eine prädisponierende Grunderkrankung nachweisen. Bei Frauen z.B. eine hormonelle Kontrazeption, verbunden mit einer Raucheranamnese bzw. einer Schwangerschaft oder einer Autoimmunerkrankung, wie z.B. Lupus. Die Prognose einer ZVT ist gut. Die frühe Letalität liegt bei 5 %, die Langzeit-Letalität bei ca. 15 %.
____________________________________________________________________________
Wir danken unserem Ehrenmitglied Prof. Dr. U. Klein aus München, der Ihnen die Veröffentlichungen aus den Fachzeitschriften auswählt und zusammenfassend erläutert.