TSVG – so möchte Minister Spahn das Gesundheitssystem verändern
Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) – so soll nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) die nächste Gesundheitsreform heißen. Darin bündelt Minister Spahn die Vorhaben der neuen Bundesregierung, die am 1. April 2019 in Kraft treten sollen.
Der nun vorliegende Referentenentwurf sieht zahlreiche Maßnahmen vor, die aber nicht alle für niedergelassene Radiologen und Nuklearmediziner relevant sind. Wir haben daher die aus unserer Sicht wichtigsten Themen des Gesetzentwurfs zusammengefasst:
Viele Themen, die sich im Gesetzentwurf wiederfinden, wurden in den vergangenen Wochen bereits in der Presse diskutiert. Dass die Bundesregierung mit den Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht zufrieden ist und plant, deren Aufgaben zu erweitern, ist eines davon. Außerdem sollten niedergelassene Ärzte verpflichtet werden, mehr Sprechstunden anzubieten. In unterversorgten Regionen müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig außerdem eigene Praxen eröffnen oder Versorgungsalternativen anbieten.
Auf die Forderung zahlreicher Verbände nach Entbudgetierung der ärztlichen Leistungen reagiert Spahn teilweise. Für die erfolgreiche Vermittlung eines dringlich notwendigen Behandlungstermins durch den Hausarzt zum Facharzt soll es extrabudgetäre und zusätzliche Vergütungen geben. Eine extrabudgetäre Vergütung von ärztlichen Leistungen ist ebenfalls vorgesehen, wenn Termine von der Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung vermittelt werden. Darüber hinaus fordert das Gesetz eine extrabudgetäre Vergütung und erhöhte Bewertung der ärztlichen Leistungen der Versicherten- und Grundpauschalen bei der Behandlung von in den Arztpraxen neuen Patienten.
Extrabudgetäre Vergütung – auf Kosten der Radiologie?
Dieses Kapitel – in der Begründung zur Gesetzesvorlage „Vergütungsanreize“ überschrieben – steht hauptsächlich im Zeichen der Hausärzte und grundversorgenden Fachärzte. Deren Verbände fordern, unterstützt vom KBV-Vorstand, schon lange, dass die Budgetierung ihrer Leistungen aufgehoben wird. Dieser Forderung möchte der Minister nun wohl teilweise nachkommen, indem er Leistungen zu besonderen Anlässen aus dem Budget nimmt.
Zukünftig sollen außerhalb des jeweiligen Budgets vergütet werden:
- Hausärzte, wenn sie erfolgreich einen dringlichen Behandlungstermin beim Facharzt vermitteln
- Leistungen für Patienten, die von der TSS der Kassenärztlichen Vereinigung vermittelt werden
- Leistungen in Akut- und Notfällen während der üblichen Sprechstundenzeiten
- Leistungen der Versicherten- und Grundpauschale bei der Behandlung von für die Praxis neuen Patienten.
Von allen diesen Punkten – außer vielleicht den von den TSS vermittelten Terminen – werden Radiologen nicht profitieren. Ausgehend davon, dass kein neues Geld zur extrabudgetären Vergütung zur Verfügung steht, ist daher eher mit negativen Effekten auf die Erlöse einer radiologischen Praxis zu rechnen. In diesem Zusammenhang steht die Diskussion um eine Neugestaltung des EBM. Das BMG bringt wieder einmal die Abstaffelung technischer Leistungen aufs Tapet. Die Bundesregierung erwartet, dass hier durch Neubewertung der Gebührenordnungsziffern Rationalisierungsreserven gefunden werden, die wiederum der sprechenden Medizin zugute kommen sollen. Offenbar soll u.a. die Radiologie für die Gegenfinanzierung aufkommen.
Medizinische Versorgungszentren – mehr Bürokratie bei der Nachbesetzung
- Laut Gesetzesbegründung soll die Nachbesetzung von Angestellten- Arztstellen „auf ein sachgerechtes Maß“ beschränkt werden. Künftig prüft der Zulassungsausschuss, ob eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen notwendig ist. Damit entfällt ein Grund für die Gründung eines MVZ, nämlich die Sicherung von Sitzen vor dem Zugriff des Zulassungsausschusses. Allerdings prüft der ZA nur das „ob“, nicht das wie. Die MVZ dürfen nach wie vor ohne Auswahlverfahren bestimmen, mit wem sie frei werdende Stellen nachbesetzen.
Durch diese gesonderte Bedarfsprüfung werden alle Bemühungen um eine Entbürokratisierung konterkariert. Auf die Zulassungsausschüsse kommt dann bei jeder Nachbesetzung einer Arztstelle ein enormer Verwaltungsaufwand hinzu. Es ist damit zu rechnen, dass das die Verfahren vor den Ausschüssen weiter verlängert. Man kann nur hoffen, dass das BMG vor der letzten Lesung den Fehler, die Nachbesetzung einer Zulassung mit der einer Anstellungsgenehmigung gleichzusetzen, erkennt.
- Klar gestellt hat der Gesetzgeber nun, dass angestellte Ärzte – obwohl sie formal keine Vertragsärzte sind – GmbH-Gesellschafteranteile von ausscheidenden Vertragsärzten übernehmen dürfen, wenn sie in dem MVZ selbst tätig waren. Über Fristen, wie lange diese Anstellung bestanden haben muss, ist in dem Referentenentwurf nichts gesagt.
Wie bereits in der CuraCompact-Ausgabe 3/2017 Seite 14 dargelegt, können bis heute nur Vertragsärzte und zugelassene Plankrankenhäuser Gesellschafter einer MVZ-GmbH sein. Wer zwar im MVZ angestellt ist, aber vorher nicht Vertragsarzt war, kann zurzeit nicht Teilhaber der GmbH sein. Diesen Zustand will Spahn verändern, indem er angestellten MVZ-Ärzten ermöglicht, Gesellschaftsanteile der ausscheidenden Senioren zu übernehmen.
- Um den Einfluss von reinen Kapitalinvestoren zu begrenzen, wird die Möglichkeit von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen, MVZ zu gründen, auf fachbezogene MVZ beschränkt.
Dies scheint zumindest ein Teilerfolg der KVen zu sein, die schon länger ihren Sicherstellungsauftrag gefährdet sehen und Medizinische Versorgungszentren, die mehrheitlich im Besitz von Krankenhauskonzernen oder Private Equity-Gesellschaften sind, bekämpfen. Die KVen und auch einige Berufsverbände sehen die Gefahr, dass diese durch Zukäufe von bisher inhabergeführten Praxen immer mehr politische Macht gewinnen. Allerdings haben die Gegner bisher kein wirksames Konzept vorgelegt, wie sie dem Wandel in der jüngeren Ärzteschaft (Stichwort: Generation Y) begegnen wollen. Nur durch das Festhalten am tradierten Praxismodell wird man Nachfolgeprobleme und Ärztemangel nicht in den Griff kriegen. Offenbar sucht Jens Spahn hier einen Kompromiss, indem er zwar den Weg zum MVZ über die nichtärztlichen Dialyseeinrichtungen erschwert, Krankenhaus-MVZ aber unangetastet lässt.
Die Terminservicestellen (TSS) werden zu Servicestellen mit zusätzlichen Aufgaben weiterentwickelt:
- Bisher vermittelten die TSS der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) bei Vorliegen einer Überweisung innerhalb von einer Woche einen Termin beim Facharzt mit einer Wartezeit von regelmäßig nicht mehr als vier Wochen.
- Im neuen Gesetz ist vorgesehen, dass auch in Akutfällen und bei einem lebensbedrohlichen Notfall während der üblichen Sprechstundenzeiten unmittelbar die Vermittlung einer ärztlichen Versorgung in einer geöffneten Arztpraxis oder im Bedarfsfall in der nächsten Notfallambulanz erfolgt.
- Sie sollen über eine bundesweit einheitliche Rufnummer (116 117) 24 Stunden täglich an sieben Tagen der Woche (24/7) erreichbar sein.
- Künftig muss sichergestellt sein, dass Termine bei den TSS nicht nur telefonisch, sondern auch online oder per App vereinbart werden können.
- Zukünftig unterstützt die TSS auch bei der Terminvermittlung zu Haus-und Kinderärzten und bei der Suche nach dauerhaft behandelnden Haus-, Kinder- und Jugendärzten.
Neuregelung der Mindestsprechstunden
- Bisher muss ein niedergelassener Arzt bei vollem Versorgungsauftrag mindestens 20 Stunden pro Woche Sprechstunde bzw. Präsenzzeit für gesetzlich Versicherte anbieten.
- Diese Mindestzeit soll auf 25 Stunden erhöht werden, wobei die KVen verpflichtet werden, diese Sprechzeiten zu veröffentlichen und ihre Einhaltung zu überwachen. Dies sollen sie anhand der abgerechneten Leistungen und der im EBM hinterlegten Prüfzeiten (Tages- und Quartalsprofile) tun. Über die Ergebnisse müssen sie jährlich der Aufsicht sowie den Landes- und Zulassungsausschüssen schriftlich berichten.
Mit diesen Regelungen wird einmal mehr deutlich, dass die Politik mit der Erfüllung des Sicherstellungsauftrags durch die KVen nicht zufrieden ist. Das BMG will die Daumenschrauben deutlich anziehen, indem es immer stärker auf die Ausgestaltung von Sicherstellung und Gewährleistung Einfluss nimmt und die Selbstbestimmung der KVen beschneidet. Vordergründig wird insbesondere den Hausärzten eine zusätzliche außerbudgetäre Vergütung in Aussicht gestellt, wobei diese nur durch Umschichtung aus anderen Töpfen zustande kommt. Wieder einmal zahlen die Niedergelassenen die Zeche selbst.
Bedarfsplanung
Hier geht es in erster Linie um eine Festlegung der Frist (30.6.2019), innerhalb derer der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die von der vorherigen Bundesregierung im Versorgungsstärkungsgesetz (VStG) erteilten Auflagen zu einer bedarfsgerechteren Planung umsetzen muss.
Aus dem TSVG selbst ergeben sich zunächst keine Ansätze, die die Radiologie direkt betreffen. Diese finden sich allerdings durchaus im vom G-BA beauftragten Gutachten zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung. Lesen Sie dazu mehr auf Seite 16 in dieser Ausgabe.
Der gesamte Referentenentwurf umfasst inklusive Begründung 144 Seiten. Über das Berichtete hinaus sind darin viele weitere Maßnahmen wie bspw. Strukturfonds und Eigeneinrichtungen der KVen, zahnärztliche Versorgung, Sozialdatenschutz enthalten, die für die Radiologie/Nuklearmedizin bzw. die ambulante Versorgung keine oder nur geringe Bedeutung haben.
Ihr Ansprechpartner:
Carsten Krüger