Terminservice- und Versorgungsgesetz – Licht und Schatten für Radiologen
Nun hat der Bundestag am 14. März also das lang diskutierte Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) verabschiedet. In den letzten Stunden hat noch die eine oder andere Veränderung Eingang in den Text gefunden, am Ende hat sich der Minister mit den schon frühzeitig von ihm festgelegten Leitlinien weitgehend durchgesetzt.
In der Tages- und Publikumspresse wurde hauptsächlich auf die Themen „schnellere Terminvergabe“, „offene Sprechstunde“, „Unterstützung beim Finden eines Haus- oder Kinderarztes“, „Digitalisierung und elektronische Patientenakte“ sowie „Investorengesteuerte Versorgung in der Zahnmedizin“ berichtet. Für die Fachpresse und viele Berufs- und Interessenverbände stand der Zwang zur Erweiterung der Mindestsprechstunden von 20 auf 25 Stunden und die viel geforderte Entbudgetierung im Mittelpunkt des Interesses.
Nun, da das Gesetz zum 1. Mai dieses Jahres in Kraft getreten ist, beschäftigt sich CuraCompact mit den für Radiologen wichtigen Themen des TSVG. Hier sind es im Wesentlichen drei Aspekte, die herausragen:
Extrabudgetäre Honorare – gute Beziehungen zu TSS und Hausärzten lohnen
Medizinische Versorgungszentren – wer darf noch gründen und Stellen nachbesetzen?
EBM-Reform – sinkt der Wert radiologischer Leistungen?
Extrabudgetäre Vergütung
Die wichtigste und interessanteste Neuerung für Radiologen ist, dass die Leistungen für Patienten, die von der Terminservicestelle vermittelt werden, ab sofort extrabudgetär vergütet werden. Die Vergütung erfolgt zunächst außerhalb der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (M-GV), vergleichbar den Leistungen für Strahlentherapie oder Prävention. Allerdings hat das zur Folge, dass im Folgejahr die gedeckelte Vergütung entsprechend bereinigt wird. Die Zeche zahlen schlussendlich nicht die Kassen alleine, sondern wieder einmal alle Fachärzte.
Außerdem wird ab 1. August 2019 auf die sogenannte Grund- oder Versichertenpauschale ein extrabudgetärer Zuschlag gezahlt, der wartezeitabhängig ist. Dieser beträgt z.B. 50%, wenn der Termin auf Anfrage der TSS innerhalb von acht Tagen zustande kommt.
Der EBM kennt allerdings keine Grund- oder Versichertenpauschale für Radiologen. Hier wird es sich bestenfalls um die Konsiliarpauschale handeln.
Damit schafft die Bundesregierung einen Anreiz zur Kooperation mit den TSS. Das entschärft natürlich die ebenfalls eingeführte Verpflichtung der Praxen, Termine auf Anfrage der KVen zu melden. So bietet sich auf den ersten Blick an, größere Terminslots für die TSS-Patienten frei zu halten und so die eigene Vergütungssituation zu verbessern. Aber Vorsicht: Die Mitarbeiter der TSS werden sich sicher nicht in die Organisation Ihrer Anmeldung einbinden lassen. Sie werden einen Patienten auch dann zum Wirbelsäulen-MRT vermitteln, wenn Sie an diesem Tag eigentlich nur Knie untersuchen wollen.
Besser steuerbar und nicht minder attraktiv macht das TSVG zukünftig die Zusammenarbeit mit Hausärzten. Auch Leistungen für Patienten, die direkt von einem Hausarzt zu einer dringlichen Untersuchung an den Facharzt vermittelt werden, sind künftig außerhalb des Budgets zu vergüten. Darüber hinaus erhält der Hausarzt selbst einen Anreiz, nämlich 10 € für jeden vermittelten Patienten. Da lohnt es sich durchaus, mit den wichtigen hausärztlichen Zuweisern ins Gespräch zu gehen und einen Prozess zu finden, wie deren Patienten zukünftig zum beiderseitigen Vorteil in Ihre Praxis kommen.
Neuerungen bei den Medizinischen Versorgungszentren
Ende vergangenen Jahres wurde in hohem Maße über eine starke Zunahme der von Kapitalinvestoren gegründeten MVZ in angeblich lukrativen Fachrichtungen berichtet. Vor allem die zahnärztlichen Interessenverbände beklagten eine Zerstörung der bisherigen Praxisstrukturen durch sogenannte Ketten-MVZ, wodurch sie die Gefährdung der flächendeckenden Versorgung befürchteten. Sie traten daher für ein Verbot der Investoren-MVZ ein. In der Folge sprangen auch die KVen und die Bundesärztekammer auf den Zug auf und erreichten, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf des TSVG Einschränkungen einforderte: Zulassungen sollten nur dann möglich sein, wenn der MVZ-Träger im jeweiligen KV-Bezirk seinen Sitz hat und wenn er die im MVZ angebotenen Fachrichtungen auch im stationären Versorgungsangebot vorhält. Schlussendlich ist der Gesetzgeber dem aber nicht in diesem Ausmaß gefolgt. Bei den Zahnärzten bleibt die Gründung eines zahnmedizinischen Versorgungszentrums möglich, allerdings mit starken Einschränkungen, was eine möglicherweise marktbeherrschende Stellung betrifft.
Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen dürfen künftig nur fachbezogene MVZ gründen. Es besteht aber auch dann ein Fachbezug, wenn ärztliche Leistungen zur Versorgung von nephrologischen Patienten erbracht werden, die zur Behandlung von Grund- und Begleiterkrankungen über rein nephrologische Leistungen hinausgehen.
Zulässig sind neben beispielsweise hausärztlichen, internistischen, urologischen und kardiologischen auch radiologische Leistungen. Mit einer weiteren Änderung im § 95 SGB V wird klargestellt, dass in einem MVZ in der Rechtsform der GmbH nicht nur zugelassene Vertragsärzte, sondern auch die im MVZ angestellten Ärztinnen und Ärzte Gesellschafteranteile dieses MVZ übernehmen können. Bislang drohte der Wegfall der Gründungsvoraussetzungen, wenn der letzte verbliebene ärztliche Gesellschafter der MVZ-GmbH ausschied. Eine Weiterführung der GmbH war dann nur durch einen anderen Vertragsarzt oder ein Krankenhaus möglich. Dies nutzt neben ausscheidungswilligen Ärzten der MVZ-GmbH z.B. auch denen, die ihren Vertragsarztstatus grundsätzlich beibehalten, aber z.B. einen halben Vertragsarztsitz abgeben möchten.
War in den ersten Referentenentwürfen noch davon die Rede, dass der Zulassungsausschuss künftig auch bei Nachbesetzungen von Anstellungsgenehmigungen, egal ob bei Vertragsärzten oder im MVZ, eine Bedarfsprüfung vornehmen müsse, wurde diese Regelung kurz vor Verabschiedung wieder gestrichen. Das BMG hat wohl im letzten Moment verstanden, dass es damit einer weiteren Überbürokratisierung Tür und Tor geöffnet hätte.
EBM-Reform
Über eine Reform des EBM wird bereits seit der Zeit kurz nach seiner Einführung verhandelt.
Die Leistungsbeschreibungen und betriebswirtschaftlichen Bewertungskriterien stammen vom Ende der 90er Jahre. Da ist es kaum verwunderlich, dass vor allem bei den technischen Leistungen über die Preise von Medizintechnik und die Kalkulation von Arztzeiten im Detail gestritten wird. Die Partner der Selbstverwaltung versuchen sich schon seit Jahren an neuen Bewertungen. Die Tatsache, dass die Kassen auf Ausgabenneutralität bestehen und auf der Ärzteseite erbittert über die Auswirkungen der zu erwartenden Umverteilung gestritten wird, hat eine Einigung im Bewertungsausschuss bisher verhindert – obwohl schon mehrfach Daten für eine solche Reform der fachärztlichen Kapitel genannt wurde.
Im TSVG hat die Bundesregierung nun auf Gesetzesebene reagiert. Das Ministerium fordert in der Neufassung des § 87 SGB V die „Überprüfung und Aktualisierung … hinsichtlich der Bewertung technischer Leistungen zur Nutzung von Rationalisierungsreserven zur Förderung der „sprechenden Medizin“.
In der sehr ausführlichen Gesetzesbegründung machen die Autoren auch klar, was sie darunter verstehen und welche Ergebnisse dieser Prozess zeitigen soll:
„Der Bewertungsausschuss hat die nächste Aktualisierung … spätestens bis zum 30. September 2019 mit der Maßgabe durchzuführen, insbesondere die Angemessenheit der Bewertung von Leistungen zu aktualisieren, die einen hohen technischen Leistungsanteil aufweisen.“
„Im Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist die Bewertung … insbesondere bei medizinisch-technischen Geräten … auf in bestimmten Zeitabständen zu aktualisierender betriebswirtschaftlicher Basis durchzuführen.“
Das alleine wäre nicht weiter schlimm und im Grunde sogar zu begrüßen, würden steigende Personal- und Mietkosten dabei endlich mit abgebildet. Der nächste Satz allerdings lässt Kenner der Materie zusammenzucken: „Basis der Kalkulation bilden grundsätzlich die Daten der Kostenstruktur … des Statistischen Bundesamtes.“
Diese Daten verheißen nichts Gutes für die Radiologie. Alleine deren Struktur verschleiert in Verbindung mit der insuffizienten STABS-Systematik die in radiologischen Praxen so wichtigen Gerätekosten. Die Preiskalkulation mit vergangenheitsbezogenen IST-Daten muss betriebswirtschaftlich als kapitaler Fehler gelten. Unterblieben in der Fachgruppe in den vergangenen Jahren dringend notwendige Ersatzinvestitionen in Geräte, sinken die Gerätekosten in der Statistik des Statistischen Bundesamtes mit negativen Wirkungen auf die Vergütung der einzelnen Leistung. Damit manifestiert sich sozusagen der Investitionsstau. Richtigerweise müsste mit kalkulatorischen Kosten gerechnet werden. Bekanntermaßen gibt es viele weitere „Fehler“ in der EBM-Kalkulation zu Lasten der Radiologie
Bei der Bewertung technischer Leistungen möchte der Gesetzgeber zukünftig eine Fixkostendegression verankert sehen: „Dabei soll die Bewertung der technischen Leistungen, die in einem bestimmten Zeitraum erbracht werden, insgesamt so festgelegt werden, dass sie ab einem bestimmten Schwellenwert mit zunehmender Menge sinkt.“
Damit möchte er einer renditegetriebenen Ausweitung dieser Leistungen begegnen und die so eingesparten Mittel der „sprechenden“ Medizin zugute kommen lassen. Welchem Schema diese Absenkung bzw. die Berechnung der kostendeckenden Menge folgt, ist noch völlig unklar. Wird es hier eine Begrenzung je Arzt (Vollzeitstellen) geben oder wird tatsächlich auf das einzelne Gerät abgestellt? Wie werden diese Daten bei der KV und in der Quartalsabrechnung erfasst? Werden die tatsächlichen Vollkosten einer Gerätekategorie angesetzt oder wird es, wie z.B. beim Sprechzimmer, auf Praxismodelle (sog. „Tarifgeber“) hinauslaufen?
Ebenfalls kolportiert wird, dass die Kalkulationszeiten für ärztliche Leistungen neu berechnet werden. Auch hier wird mit einer weitgehenden Absenkung der Minutenwerte gerechnet, was wiederum zu einer niedrigeren EBM-Bewertung führen wird.
Wie sich dann die Wertansätze des neuen EBM in den Honorarverteilungsmaßstäben der regionalen KVen niederschlagen, ist ebenfalls offen. Werden nur die Fachgruppentöpfe neu berechnet oder führen die EBM-Reformen zu einer gänzlich neuen Struktur der Budgetierung?
Viele offene Fragen, über deren Antworten sich die Protagonisten bislang in Schweigen hüllen. Durch das TSVG wird nun geregelt, dass der Bewertungsausschuss die Neufassung bis zum 30.9.2019 verabschiedet haben muss, damit der reformierte EBM zum Jahresbeginn 2020 in Kraft treten kann.
Moment, 2020? Da gab es doch noch was? Genau, bis zu diesem Jahr soll die „Wissenschaftliche Kommission für ein modernes Vergütungswesen“ (KOMV) dem Minister ihren Ergebnisbericht übergeben. Aufgabe der Kommission ist zu prüfen, welche grundsätzlichen Ansätze für ein modernes Vergütungssystem für ambulante ärztliche Leistungen, das insbesondere zur Behebung bestehender, durch die unterschiedlichen Honorarordnungen verursachten Probleme beitragen kann, in Betracht kommen können, und wie sie hinsichtlich ihrer Eignung zu bewerten sind. Vielleicht führt das dazu – verwunderlich wäre es nicht – dass die EBM- und mit ihr die GOÄ-Reform erneut verschoben wird.
Rückenwind für TSS
Die im Jahr 2015 eingeführten Terminservicestellen (TSS) bei den Kassenärztlichen Vereinigungen wurden zunächst für die Vermittlung dringlicher Termine bei Fachärzten geschaffen. Mit dem TSVG werden sie bis zum 1.1.2020 zu Servicestellen für ambulante Versorgung und Notfälle weiterentwickelt:
Ab dann übernehmen sie auch die Terminvermittlung zu Haus- und Kinderärzten und unterstützen bei der Suche nach dauerhaft versorgenden Haus-, Kinder- und Jugendärzten. Die Vier-Wochenfrist gilt auch für die Vermittlung termingebundener Kindervorsorgeuntersuchungen U-Untersuchungen). Über die bundesweit einheitliche Notdienstnummer (116117) müssen sie 24 Stunden täglich an sieben Tagen pro Woche (24/7) erreichbar sein.
In Akutfällen werden Patienten auch während der Sprechstundenzeiten an Arztpraxen oder Notfallambulanzen oder auch an Krankenhäuser vermittelt.
Schließlich hat der Gesetzgeber verpflichtende Online-Angebote für die Terminservicestellen ins Gesetz geschrieben, damit Termine nicht nur telefonisch, sondern auch online oder per App vereinbart werden können.Die Kassenärztliche Bundesvereinigung regelt Näheres zur einheitlichen Umsetzung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen.
Ihr Ansprechpartner:
Carsten Krüger