Quergefragt: Praxisgespräch mit einem Radiologen und seinem Praxismanager

Es ist Mittwoch, 18 Uhr, die Praxis ist schon ziemlich menschenleer, ein Raum ist frei, in dem sich der Radiologe, der Praxismanager und die Interviewerin treffen. Beide – der Praxispartner und der Praxismanager – sind männlich, Anfang 50, trotz langem Tag hochaufmerksam, kommen direkt von ihren jetzigen Tätigkeiten – dem Befunden und dem Praxismanagement.

Der Praxismanager ist in dieser dynamischen, wachsenden Praxis mit aktuell 70 Mitarbeitern an vier Standorten seit zwei Jahren mit an Bord. Vor ihm gab es in der Praxis die Stelle Praxismanager nicht. Für was denn genau der Praxismanager zuständig ist, will die Interviewerin wissen. „Irgendwie für alles und nichts vollständig.“ Die Antwort klingt engagiert und gleichzeitig ein wenig ernüchtert.

Die sechs Praxisgesellschafter haben die Zuständigkeit der Ressorts untereinander verteilt. Einer ist für KV-Abrechnung und Strategie zuständig – das ist der Senior, der heute mit dabei ist. Andere verantworten jeweils Geräte, Marketing, IT und Personal. Insbesondere mit dem Personal verantwortenden Partner hat der Praxismanager viel zu tun. Sein Job ist es, im Personalbereich gewünschte Strukturen zu etablieren und bestehende entsprechend weiterzuentwickeln.

Zur funktionierenden Zusammenarbeit gehört auch eine funktionierende Kommunikation mit festen Institutionen. „Ich würde mir eine Rücksprache mit jedem Partner 30-60 Minuten pro Woche wünschen“, sagt der Praxismanager und ist ein wenig ratlos, dass dies im Praxisalltag nicht durchsetzbar zu sein scheint. Immer ist etwas anderes dringlicher, den Berg an Arbeit spürt die Interviewerin bei beiden Anwesenden. „Wir zwei haben wenig Schnittmengen im Alltag“, sagt der Praxispartner. Er sieht keine Notwendigkeit, den Praxismanager in seine Themenbereiche zu involvieren. Dieser bringt darüber sein Bedauern zum Ausdruck, zumal er eine kaufmännische Vorbildung hat. „Das wollen Sie gar nicht“, ist sich der Praxispartner sicher. „Das ist Spezialwissen, das ich über viele Jahre aufgebaut habe. Außerdem sind KV-Abrechnung und Strategie keine Aufgabenbereiche, die wir in unserer Praxis an einen Praxismanager delegieren wollen.“

Als zentrales Steuerungstool wurden monatliche Führungszirkel mit allen Partnern, dem Praxismanager und der leitenden MTRA anberaumt. Diese finden bisher nicht so regelmäßig statt wie angedacht. Für den Praxismanager sind sie wichtig. In diesen Meetings könnte man zum Beispiel über die Delegation bestimmter Verantwortlichkeiten an ihn entscheiden. Sie könnten sein Navigationsinstrument und eine feste Institution zur Organisationsentwicklung in der Praxis sein. „Wir haben halt gerade so viel, insbesondere, weil wir wachsen“, sagt der Praxispartner. Auch der Praxismanager sieht sich einem Riesenberg an Aufgaben gegenüber, für die er zuständig ist, für deren zügige und effiziente Erledigung ihm aber seiner Meinung nach in Einzelbereichen die entsprechenden Befugnisse fehlen. Gerade wurde zur Unterstützung im Praxis­management ein zweiter Praxismanager zusätzlich eingestellt. Für den hat der Praxis­manager ein ausführliches On­boarding vorbereitet. Das wird von den Praxispartnern interessiert zur Kenntnis genommen. Notwendig oder nicht? Bei allen guten Arbeitgebern ist das Andocken und das fachliche sowie soziale Integrieren neuer Mitarbeiter der erste Schritt zur Personalbindung und -entwicklung. Davon ist der Praxismanager überzeugt und macht es einfach. Überhaupt scheint das mit dem Personal recht gut zu funktionieren. „Die Kolleginnen respektieren mich“, lächelt er stolz, denn das musste er sich verdienen. Und der Praxispartner pflichtet ihm bei, dass dies aus seiner Sicht eine der Haupterleichterungen der neuen Organisations­ebene ist. „Ein imaginärer Schutzwall zum nicht-ärztlichen Personal“, sagt der Praxis­partner. Wobei der Preis dabei natürlich auch ist, dass nur noch wenige direkte Feedbacks aus dem Team bei ihm landen.

Neben der Zeiteinsparung bei der Personalführung schätzt der Praxispartner die Entlastung in allen Bereichen durch den Praxismanager. „Drucker geht nicht“ hat er seit zwei Jahren nicht mehr gehört. Außerdem geht’s beim Qualitätsmanagement voran. Im Übrigen sei der Praxismanager natürlich auch ein „Hausmeister“ bzw. „Mädchen für alles“. Der Praxispartner, selbst ein zupackender Typ, schätzt das Zuverlässige und Bodenständige an seinem Praxismanager. Er ist ein Mensch, bei dem Vertrauen langsam wächst, das aber dann eine feste Basis für eine fruchtbare Zusammenarbeit sein kann. Der Praxismanager wünscht sich, dass man mehr an ihn delegiert und das Vertrauen hat, dass er die delegierte Aufgabe dann auch im Sinne der Praxis optimal umsetzt. „Kommunikation ist das A und O“, sagt der Praxispartner. Das findet der Praxismanager auch und ergänzt: “Wichtig für mich ist, dass es verbindliche Absprachen gibt, an die sich alle halten.“ Das Jonglieren mit sechs Chefs ist offensichtlich anstrengend. Daran denkt er wahrscheinlich gerade. Der Praxispartner wiederum ist schon wieder beim Konkreten: bei Schnittstellenproblemen des neuen Outlook-Kalenders mit dem Praxisterminierungssystem. Diese können ad hoc gelöst werden, denn durch das Gespräch heute hat man ja tatsächlich ein bisschen Zeit gehabt, Dinge zu besprechen, Wünsche zu formulieren, Wertschätzung zu adressieren.

Die Interviewerin, übrigens auch Mediatorin, freut sich über zwei vielbeschäftigte Männer, die sich aus ihrem Praxisalltag herausgenommen haben und sehr konstruktiv, offen und wertschätzend miteinander kommunizierten. Der Praxispartner steht auf und verabschiedet sich. „Die Herausforderungen in größeren Praxen sind wahrscheinlich überall ähnlich. Und wir wachsen gerade, da gibt es extrem viel zu tun und damit auch Defizite“, sagt´s und setzt sich wieder an den Befundmonitor, denn die Arbeit muss erledigt werden. Es ist 19.30 Uhr.

Die Interviewerin geht zu ihrem Auto und braust wieder los. Ihr Fazit des Gesprächs aus der externen Perspektive:

  • Organisationen muss man aktiv entwickeln, sie gedeihen nicht von selbst. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Praxis mit einem Praxismanager eine neue Ebene in die Organisationsstruktur einzieht. Für diese Entwicklung muss Zeit eingeplant werden.
  • Die Delegation fest definierter Aufgabenbereiche an den neuen Praxismanager muss ihn mit den nötigen Befugnissen und Verantwortlichkeiten ausstatten. Das trägt einerseits zu seiner Arbeitszufriedenheit bei und entlastet andererseits die Praxispartner.
  • Auch bei festen Zuständigkeiten im Gesellschafterkreis: Bereiche sind verschränkt und nicht isoliert zu betrachten. Schnittstellenprobleme gibt es allerorts. Diese müssen behoben werden, was nur geht, wenn alle am Tisch sitzen, die sich an der Schnittstelle tummeln.
  • Eine hohe Arbeitsdichte kann den Blick für Prioritäten verstellen. Eine arbeitsteilige Organisation muss (zeitlichen) Raum schaffen, um diese klar zu machen.
  • Ein Praxismanager kann und muss nicht für alles zuständig sein. Aber er benötigt transparente Informationen, um den Kurs halten zu können.
  • Last but not least: Wertschätzung, Kommunikation, Vertrauen, Motivation sind wichtige Komponenten des Miteinanders.

 

Ihre Ansprechpartnerin

Eva Jugel

ejucuragita.com