Qualität in der Medizin durch Ökonomisierung bedroht

Das ist ein Alarmruf der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF): „Ökonomische Ziele dürfen medizinische Entscheidungen nicht unangemessen beeinflussen.“

Die AWMF fordert mit Nachdruck, die Bedürfnisse der Patienten wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Eine gute Patient-Arzt-Beziehung im Sinne der gemeinsamen Entscheidungsfindung sei für eine erfolgreiche Versorgung unverzichtbar und daher zu stärken. Darüber hinaus sei es notwendig, Strukturen zu verändern. In einer aktuellen Stellungnahme zu „Medizin und Ökonomie“ nennt die AWMF verschiedene Ansatzpunkte wie die Stärkung der ärztlichen Kompetenz im Rahmen der Krankenhausführung, eine bedarfsorientierte Krankenhausplanung mit Abbau von Überkapazitäten und die patientenzentrierte Anpassung des Fallpauschalen-basierten Vergütungssystems.

Die AWMF und ihre Fachgesellschaften nehmen eine zu- nehmende Dominanz betriebswirtschaftlicher Ziele vor allem im stationären Gesundheitssektor wahr, so heißt es in der Stellungnahme der AWMF, die sich negativ auf die Patientenversorgung auswirke und diese gefährde. Es bestünden Fehlanreize gegen eine patientenorientierte, wissenschaftliche Medizin durch das Vergütungssystem, die Anzahl und Ausstattung von Krankenhäusern bzw. Fachabteilungen und deren Grundfinanzierung.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, werden Maßnahmen auf allen Ebenen des Gesundheitssystems vorgeschlagen. Es bedürfe der gemeinsamen Anstrengung aller Akteure, der „Ökonomisierung“ in der Medizin entgegenzuwirken und den Patienten und seine Gesundheit wieder in den Mittelpunkt zu stellen.

Auf der Ebene Patient-Arzt wird der Ausbau der sprechenden Medizin adressiert, eine Stärkung der gemeinsamen Entscheidungsfindung und der interdisziplinären Abstimmung. Durch die konsequente Implementierung von Leitlinien und von laienverständlichen Formaten (z.B. „Gemeinsam Klug Entscheiden“) sollen mögliche Überdiagnostik und Übertherapie klar adressiert werden, aber auch Fehlentwicklungen im Sinne einer Unterversorgung.

Krankenhausleitungen haben den Auftrag, Wertemanagement- und Führungskonzepte zu verwirklichen, die medizinische und wirtschaftliche Erwägungen gleichermaßen berücksichtigen, anstatt sich vorrangig an betriebswirtschaftlichen Anforderungen auszurichten. Dafür bedarf es nach Meinung der AWMF einer gemeinsamen Führung (Ärztliche Direktion, Pflegedirektion und kaufmännische Leitung). Die Vergütung nach Fallpauschalen ist im Sinne einer patientenorientierten Medizin anzupassen, Fehlanreize für Interventionen sind zu korrigieren. Die „sprechende Medizin“ einschließlich der interdisziplinären Abstimmung im Krankenhaus und mit weiteren Kollegen sollte besser vergütet werden.