Neue Herausforderungen beim nicht-ärztlichen Praxispersonal

Über die allgemeine Fachkräfteknappheit wird allenthalben geklagt und Praxen buhlen um gute Kräfte. Die „Marktpreise“ für MTRA sind deutlich gestiegen. Durch die Übernahme der Ausbildungsträgerschaft nach dem MTRA-Reformgesetz ab 2023 kommen nicht unerhebliche Investitionen auf Praxen zu. Weiterhin steigen die – wenn auch im Vergleich eher niedrigen – Gehälter der MFA.

Die Kostenseite in radiologischen Praxen ist weitgehend fix. Den Hauptanteil einer Durchschnittspraxis machen in der Regel die Personalkosten (ca. 22% ihrer Gesamterlöse) aus. Darunter versteht man die gezahlten Gehälter plus Arbeitgeberanteil und sonstige Arbeitgeber-Leistungen. In radiologischen Praxen stellen neben einigen angestellten Ärzt:innen und Verwaltungskräften die Berufsgruppen der medizinischen Fachangestellten (MFA) und der medizinisch-technischen Radiologieassistenten (MTRA) die meisten Mitarbeiter. Radiologische Praxen konkurrieren bei diesen beiden Berufsgruppen mit anderen Arbeitgebern im ambulanten und stationären Sektor.

MFA – Plus 12% Gehalt gemäß neuem Tarifvertrag

Gemäß dem im Januar in Kraft getretenen neuen Tarifvertrag für Medizinische Fachangestellte sind die Gehälter der MFA zum 1. Januar 2021 linear um sechs Prozent gestiegen. Insgesamt summieren sich die Gehaltssteigerungen bis 2023 auf zwölf Prozent, hinzu kommen einige strukturelle Verbesserungen. Damit haben die Tarifparteien nach übereinstimmender Einschätzung einen substanziellen Schritt zur Angleichung an die Tarifgehälter von MFA in den Krankenhäusern geschafft.

Ebenfalls wurden für die Ausbildungsvergütungen stufenweise Erhöhungen vereinbart, die allerdings nicht so stark ausfallen: Sie stiegen zum ersten Januar 2021 von 865 auf 880 Euro (plus 1,7 Prozent) im ersten Ausbildungsjahr, von 910 auf 935 Euro (plus 2,75 Prozent) im zweiten Ausbildungsjahr und von 960 auf 995 Euro (plus 3,65 Prozent) im dritten Ausbildungsjahr.

Neu ist eine Berufsaltersstufe ab dem 29. Berufsjahr. Je nach Tarifgruppe steigen die Gehälter noch einmal zwischen 50 und 72,50 Euro. Mit dieser erweiterten Differenzierung soll der Berufserfahrung und der wichtigen Funktion dieser MFA bei der Ausbildung des Nachwuchses Rechnung getragen werden.

Die Tarifparteien werteten das Verhandlungsergebnis als Zeichen der Wertschätzung der Leistungen der MFA in der ambulanten Versorgung. Das Ziel sei, die Abwanderung der Fachkräfte zu Kliniken zu stoppen. Aktuell liegen die MFA-Gehälter dort um rund 500 Euro monatlich über dem Niveau der ambulanten Medizin. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hatte im November 2020 die Einstiegsgehälter der Medizinischen Fachangestellten (MFA) in Krankenhäusern und Vertragsarztpraxen nach Tarifvertrag zwischen 2018 und 2020 verglichen. Das Ergebnis: „Wegen der in den vergangenen Jahren stärker gewachsenen Finanzierungsgrundlage in der stationären Versorgung liegt das monatliche Einstiegsgehalt (ohne Berücksichtigung von Sonderzahlungen) von MFA im Krankenhaus um rund 500 Euro höher als für MFA in Arztpraxen. Aufgrund der Tatsache, dass in Kliniken deutlich mehr Geld zur Finanzierung des Personals zur Verfügung steht, wird es für immer mehr Vertragsarztpraxen immer schwieriger, geeignetes medizinisches Fachpersonal zu finden bzw. zu binden.“ Diese Informationen wurden der gemeinsamen Pressemitteilung der Tarifparteien auf der Internetseite der Bundesärztekammer entnommen.

Die meisten radiologischen Praxen sind nicht tarifgebunden, manche orientieren sich in ihrer Vergütungspolitik jedoch am Tarifvertrag und sehen dies sogar schriftlich in den Arbeitsverträgen vor. Falls das nicht der Fall ist, besteht die Möglichkeit, die Gehaltssteigerungen mitzumachen und beispielsweise gleichzeitig mit Maßnahmen zur Leistungssteigerung zu verbinden.

MTRA-Reformgesetz ab 1.1.2023: Praxis wird Träger der praktischen Ausbildung

Wie schon in der letzten Ausgabe des CuraCompact berichtet, wird sich in der MTRA-Ausbildung einiges ändern. Besonders gravierend für radiologische Praxen:  Während bisher eine vollschulische Ausbildung durchgeführt wurde mit der Schule als Ausbildungsträger, werden ab 2023 die Ausbildungsverträge zwischen den MTRA-Auszubildenden und den Trägern der praktischen Ausbildung abgeschlossen, welche sowohl Krankenhäuser als auch ambulante Praxen sein können. Die Schule muss dem Vertrag im Anschluss zustimmen, damit er rechtskräftig wird.

Dies hat für Praxen verschiedene und erhebliche Konsequenzen:


Hohe Investitionskosten

Die Finanzierung der Ausbildung und die Vergütung der Auszubildenden liegt in den Händen des Trägers der praktischen Ausbildung. Geschätzt handelt es sich um einen Gesamtbetrag von ca. 85.000 €, der sich im Wesentlichen aus Ausbildungsvergütung und Schulgeld zusammensetzt. Bei Trägern gemäß §2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) wird dies durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz gedeckt. Tina Hartmann, Diplom-Medizinpädagogin, leitet die MTRA-Schule der Märkischen Kliniken in Lüdenscheid und war viele Jahre ehrenamtlich als Vorstandsmitglied für den Bereich Bildungswesen im DVTA zuständig. Sie berichtet: „Krankenhäuser bekommen derzeit pro Auszubildenden ca. 12.000 € pro Jahr für die Kosten der theoretischen Ausbildung (Schule) und die praktische Ausbildung (Praxisanleitung). Eine Ausbildungs-Vergütung für die angehenden MTRA von ca. 12.000 €/Jahr kommt dazu. Bei ambulanten Einrichtungen muss der Betreiber der Praxis die Finanzierung aus eigenen Mitteln stemmen. Eine Planung von Ausbildungsfonds auf gesetzlicher Ebene für den ambulanten Sektor wie beispielsweise in der Pflege ist nicht in Sicht. Dazu kommt die Finanzierung der Ausbildung von Praxisanleitern sowie die Freistellung der praxisanleitenden Personen für die gesetzlich geregelte Praxisanleitung.“ Für Praxen empfiehlt sie, statt selbst Träger zu werden, Verhandlungen mit den bisherigen und zukünftigen Trägern der praktischen Ausbildung – also Schulen und Krankenhäusern – um am Ausbildungsmarkt künftig weiter zu partizipieren.

Praxisanleiter vor Ort

Praxen, die MTRA ab 2023 ausbilden möchten, müssen Mitarbeiter mit pädagogischen Zusatzqualifikationen, sogenannte Praxisanleiter (PA), vorweisen. Dies gilt auch dann, wenn die Praxen keine Ausbildungsträgerschaft selbst übernehmen, sondern „nur“ in Kooperation Praktikanten für bestimmte Ausbildungszeiträume und in bestimmten Fachgebieten ausbilden. Die Praxisanleiter müssen sich in mindestens 300 Stunden an einer geeigneten Einrichtung qualifizieren. Praxisanleiter sind für die Praxisanleitung während der praktischen Ausbildung und zur Durchführung der praktischen Prüfung zuständig. Die praktischen staatlichen Abschlussprüfungen finden in Zusammenarbeit mit Lehrpersonal der Schule und dem PA in der radiologischen Praxis statt. Diese Regelung gilt final ab dem Jahr 2026, dem Ende des ersten Ausbildungsjahrgangs von 2023. Eine Fortbildung zum Praxisanleiter kostet 2.000-2.500 €; ratsam ist es, mindestens zwei Personen pro Fachbereich (z.B. Radiologie und Nuklearmedizin) in der Praxis fortzubilden, um eine Personalreserve zu bilden. Momentan werden in Deutschland an zwei Standorten, nämlich in Berlin (DIW-MTA e.V.) und am Klinikum Lüdenscheid diese spezialisierten Ausbildungen angeboten. In Lüdenscheid handelt es sich um Hybrid-Lehrgänge, so dass auch vieles online absolviert werden kann. Wie die Schulleiterin Tina Hartmann unterstreicht, wächst die Nachfrage nach den Kursen ständig.

Kooperationen sind möglich und sinnvoll

Falls sich beispielsweise große Praxen dafür entscheiden, künftig Ausbildungsträger zu sein, müssen sie mit der Schule Inhalte und Abläufe der praktischen Ausbildung absprechen und sind für alle Bereiche der praktischen Ausbildung (radiologische Diagnostik, Nuklearmedizin, Strahlentherapie, Dosimetrie) verantwortlich. Sollte nicht alles durch die Praxis abgedeckt werden können, müssen Kooperationspartner gefunden werden, z.B. andere (Netz-)Praxen, Krankenhäuser, die das fehlende Ausbildungsspektrum der praktischen Ausbildung abdecken. Dies ist in Abhängigkeit vom jeweiligen Landesrecht auch KV-/Bundesland übergreifend möglich. Häufig wird das allerdings wahrscheinlich andersherum passieren. Die Krankenhäuser werden als Ausbildungsträger mit den ambulanten Praxen Kooperationen suchen, insbesondere in den Bereichen, die sie selbst nicht abdecken wie z.B. Nuklearmedizin und Strahlentherapie.

Im Rahmen einer engeren Kooperation können Praxen die Kosten der PA-Ausbildung zumindest teilweise über das Krankenhaus laufen lassen, da auch diese Kosten durch den Ausgleichfonds des KHG gedeckt werden können. Tina Hartmann kommentiert dies so: „Ja, das muss verhandelt werden. Die Krankenhäuser bekommen zwar die Kosten zurück, aber es ist nicht sicher, ob in vollem Umfang.“

Die Präsidentin des MTA-Berufsverbands DVTA für Radiologie und Funktionsdiagnostik ist Claudia Rössing. Sie setzt sich seit Jahren für die Aufwertung des MTRA-Berufs berufspolitisch ein und ist der Meinung, dass das Gesetz zumindest inhaltlich eine Fixierung der bislang in der Praxis von MTRA schon ausgeübten Tätigkeiten ist: „Nach wie vor erhält der/die MTRA nach Beendigung der Ausbildung die Fachkunde und wird dadurch in die Lage versetzt, entsprechende vorbehaltliche Tätigkeiten eigenständig auszuführen. So dürfen beispielsweise ausschließlich MTRA (keine MFA mit Röntgenschein) in der Teleradiologie eingesetzt werden, Kontrastmittel oder Radiopharmaka ohne Anwesenheit eines Arztes (nach vorheriger Indikationsstellung durch den Arzt) applizieren oder Radiopharmaka im Heißlabor herstellen. Alle Aufgaben geschehen, wie bisher, auf ärztliche Anweisung. Somit sind die vorbehaltenen Tätigkeiten den aktuellen Anforderungen und dem aktuellen Kompetenzniveau des MTRA-Berufes angepasst worden.“

Darauf angesprochen, sieht auch Claudia Rössing die „Wettbewerbsnachteile“ von niedergelassenen radiologischen Praxen gegenüber Krankenhäusern und die Gefahr, dass diese durch die neue Situation weiter verstärkt werden könnten. „Das neue MT-Berufe-Gesetz (MTBG) hat leider die Refinanzierung der Ausbildung der Medizinischen Technologinnen und Technologen im ambulanten Sektor nicht berücksichtigt, so dass kreative Lösungen in der Zusammenarbeit nötig sind, damit die ambulanten Träger in der Refinanzierung nicht allein gelassen werden“, sagt sie.


Praxisanleiter (PA)

  • Ausbildungsumfang (300 Std.)
  • Jährliche Auffrischung (24 Std.)
  • 2023 erforderlich, falls Praxis MTR ausbilden möchte
  • Ausfallkonzept (2 PA pro Praxisabteilung oder Kooperationen)
  • Anzahl der durch PA zu betreuenden Auszubildenden durch Landesbehörde vorgeschrieben (z.B. in NRW 4 Azubis : 1 PA)

Fazit: Der Kampf um die Fachkräfte setzt sich fort. Höhere Gehälter oder attraktive Fort- und Ausbildungen sind Möglichkeiten für radiologische Praxen, sich langfristig als attraktive Arbeitgeber zu positionieren. Dabei kommt insbesondere mit dem MTRA-Reformgesetz (MTBG) einiges auf die Praxen zu. Hier können diejenigen Praxen die Nase vorn haben, die frühzeitig PA-Ausbildungen in ihrem Praxisteam anbieten, z.B. ehrgeizigen und geeigneten jüngeren Kräften, die sich dadurch für die Stelle einer leitenden MTRA qualifizieren können. Weiterhin können sich Praxen um Kooperationen bemühen. Den Krankenhäusern, die auch um gute Kräfte buhlen, das aufwendige Feld zu überlassen, scheint keine gute Alternative. Bildungsexpertin und Schulleiterin Tina Hartmann sieht hier durchaus Chancen: „Es existieren auch gute und partnerschaftliche Lösungen zwischen Krankenhäusern und Praxen. So arbeiten wir seit Jahren eng mit einem großen radiologischen Verbund im Rahmen der praktischen Ausbildung zusammen und haben dadurch eine Win-Win-Situation geschaffen.“ Darüber hinaus berichtet sie: „Die Krankenhäuser, an denen Schulen angeschlossen sind, können künftig formal auch alle Aufgaben der Trägerschaft an die Schule übertragen. Dann könnte die Organisation (und damit auch der Einsatz in ambulanten Praxen) bleiben wie bisher.“ Sie verweist hier auf die Nuklearmedizin und die Strahlentherapie und fügt hinzu: „Krankenhäuser als Träger können nicht ohne den ambulanten Sektor ausbilden. Im Miteinander liegt auch die Chance der Praxen, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und zum Beispiel durch eine gute Betreuung der Auszubildenden zu punkten. Dabei ist sie sicher: „Die Praxisanleiter werden künftig eine Schlüsselrolle spielen: als Personalentwicklungsinstrument der Praxis und im Rahmen des Employer Brandings als Träger der Praxiskultur“.

Die CuraCompact-Redaktion dankt den DVTA-Vertreterinnen Tina Hartmann und Claudia Rössing für den fachkundigen Input. Weitere Infos zur Entwicklung dieses Themas können nachverfolgt werden auf den Homepages des Verbands: dvta.de und mta-dialog.de.

Am 28. September um 18-19 Uhr beantwortet Tina Hartmann interessierten Teilnehmer:innen aus Radiologienetz-Praxen alle Fragen zum Thema „Praxisanleiter nach dem neuen MTRA-Gesetz“ im Rahmen eines CurAcademy-Webinars.