Mitarbeitergespräche in radiologischen Praxen
„Mitarbeitergespräche führen“ war ein sehr gut besuchter Workshop auf dem Radiologentag. Und das nicht ohne Grund. Denn Mitarbeitergespräche (MAG) bestimmen nicht nur das Klima zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern nehmen aktiv Einfluss auf die Produktivität des Mitarbeiters und somit auf die Effizienz und den Erfolg einer Praxis. Wir haben mit dem Referenten des Workshops, Markus Schmidt-Tophoff (Institut für Managementberatung Heidelberg), gesprochen, der die Einführung von MAG bereits in verschiedenen Praxen und Unternehmen fachlich begleitet hat. Till Wippermann, Personalmanager der Curagita und auch für die Personalarbeit in den DeRaG-MVZ zuständig, lässt uns ergänzend an seinen Erfahrungen bei der aktuellen Einführung von MAG in der Conradia in Hamburg teilhaben.
Mitarbeitergespräche gehören zum Alltag einer jeden Praxis. Doch noch allzu häufig wird deren Bedeutung missverstanden, so Schmidt-Tophoff: „Es geht um Performance Management und Talent Management in der Praxis, also die Frage, wie ich in der Gesamtmannschaft der Praxis die Leistungen aller Mitarbeiter steuere und Talente – gerade in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels – gezielt entwickle. Es geht also nicht um eine Empfehlung für oder gegen Mitarbeitergespräche, sondern um eine grundlegende unternehmerische Fragestellung und die Verantwortung aller Führungskräfte dabei. Das Mitarbeitergespräch selbst ist die Konsequenz beziehungsweise das Ergebnis dieser Prozesse.“
Performance Management und Talent Management in der Praxis
Performance Management ist der Prozess, mit dem die Führungskräfte in der Praxis systematisch die Erwartungen an die Mitarbeiter in den verschiedenen Funktionen definieren und auf Basis klarer Leistungskriterien die Erfüllung dieser Erwartungen bewerten. Es geht um Themen wie Funktionsbeschreibung, Leistungskriterien und Leistungsbeurteilung. Schmidt-Tophoff: „Konkret bedeutet dies, dass zum Jahreswechsel die Leiterin der Funktionsarbeitsplätze und die Leiterin des Empfangs für alle ihre Mitarbeiter einen Entwurf der Leistungsbeurteilung ausfüllen. Diese Entwürfe werden dann in einer Personalklausur aller Führungskräfte und Gesellschafter abgestimmt, um gemeinsame Maßstäbe sicherzustellen.“ Häufig ist diese Bewertung auch mit einem Leistungsbonus verbunden, der in seiner Höhe an die Leistungsbeurteilung gekoppelt ist.
Talent Management wiederum bedeutet, dass in der gleichen oben genannten Personalklausur auf Basis des Bedarfs abgestimmt wird, welcher Mitarbeiter kurz-, mittel- oder langfristig wohin und wie entwickelt werden kann. Schmidt-Tophoff: „Nur so kann auch zukünftig sichergestellt werden, dass alle Modalitäten und Arbeitsplätze mit ausreichender Mitarbeiter-Kapazität besetzt werden können.“
Das Mitarbeitergespräch steht am Ende dieses Prozesses. Erst wenn die direkte Führungskraft, also zum Beispiel die Leiterin des Empfangs, ihre Beurteilungs- und Entwicklungsvorstellungen für ihr Team im Kreise der Kollegen und Gesellschafter abgestimmt hat, führt sie das Mitarbeitergespräch mit ihren Mitarbeitern. Schmidt-Tophoff: „Dadurch erhalten die Gespräche auch Verbindlichkeit, weil sie einerseits durch die direkte Führungskraft geführt werden, die den Mitarbeiter tagtäglich erlebt und konkretes Feedback geben kann. Gleichzeitig hat die direkte Führungskraft auch die Rückendeckung durch die Gesellschafter aus der Personalklausur.“
Aufbau eines Mitarbeitergespräches
Im Mitarbeitergespräch erhält zunächst der Mitarbeiter das Wort, wie er sich im Job und in der Praxis wohlfühlt. Schmidt-Tophoff: „Als nächstes gibt die Führungskraft als Abgleich von Selbst- und Fremdbild Rückmeldung zur Leistung des Mitarbeiters anhand der Leistungskriterien und fasst die Stärken und Verbesserungspotenziale zusammen.
Damit ist der Rückblick abgeschlossen und es geht in den Ausblick, das heißt, beide Parteien besprechen, was der Mitarbeiter tun kann, um den Erwartungen weiterhin oder noch mehr zu entsprechen, seine Potenziale zu entwickeln, und mögliche zukünftige Änderungen in der Tätigkeit. Schließlich gibt auch der Mitarbeiter Rückmeldung an die Führungskraft, wie er die Zusammenarbeit mit ihr erlebt beziehungsweise was aus seiner Sicht hier noch verbessert werden könnte.
Zum Abschluss unterschreiben beide Parteien den im Gespräch ausgefüllten Mitarbeitergesprächsbogen. Ein Workflow, den auch Till Wippermann gut kennt. Er führt das Thema MAG aktuell bei der Conradia in Hamburg ein: „Die Mitarbeitergespräche sind ein Angebot zum persönlichen Austausch zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. Deshalb ist es wichtig, die richtige Mischung aus einem festen inhaltlichen Rahmen und spontaner, individueller Gesprächsführung zu finden. Wir haben in diesem Sinne einen begleitenden „Mitarbeitergesprächsbogen“ entwickelt. Die Gesprächspartner bekommen den Bogen vorab ausgehändigt und können sich damit auf die Kernthemen vorbereiten.“ Zum einen wird hierbei der Blick auf das vergangene Jahr mit beidseitigem Feedback inklusive Leistungsbeurteilung geworfen. Zum anderen wird das kommende Jahr mit besonderem Fokus auf die Personalentwicklungschancen in Augenschein genommen. Wippermann: „Der Bogen lässt Raum für individuelle Themen und gibt dem Mitarbeiter gleichzeitig die Möglichkeit, seine eigene Sicht auf seine Arbeit und die Organisation zu formulieren.“
Damit die Beurteilung eine gewisse Objektivität erreichen kann, bedarf es – sozusagen im Hintergrund – zusätzlich eines Werkzeugs, das den Leistungs- und Entwicklungsstand der Mitarbeiter regelmäßig erfasst. Wippermann: „Bei der Conradia haben wir ein auf die Radiologie spezialisiertes Kompetenzmanagement-System mit Softwareunterstützung entwickelt, in dem die Fähigkeiten und Potenziale aller Mitarbeiter ständig gepflegt werden. Hier fließen auch die Ergebnisse der Mitarbeitergespräche ein.“
Eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete
Auf ein MAG sollten sowohl die Führungskraft als auch der Mitarbeiter vorbereitet sein. Schmidt-Tophoff: „Ein gutes MAG ist möglichst konkret. Daher sollten beide Parteien, Führungskraft und Mitarbeiter, praktische Beispielsituationen nennen können, um eine Rückmeldung zu erläutern.“
Bei der Conradia werden die Führungskräfte individuell auf die Gespräche vorbereitet. Sie führen vor den Gesprächen mit ihren Mitarbeitern ein eigenes Mitarbeitergespräch mit ihrem Vorgesetzten beziehungsweise der Geschäftsleitung. Wichtig ist, dass sich die Führungskräfte im Gespräch in die Mitarbeiterperspektive versetzen können. Wippermann: „Bei der Conradia ist das Thema neu. Die Auswertung der laufenden Gespräche kann uns aber den zukünftigen Handlungsbedarf aufzeigen, zu dem wir dann gezielte weitere Entwicklungsmaßnahmen anbieten. Wir glauben aber, dass wir nicht nur über dieses eine Werkzeug Mitarbeitergespräch nachdenken dürfen. Ein umfassendes Führungscurriculum, das diesen Aspekt miteinbezieht, aber vor allem den übergeordneten Zusammenhang vermittelt – Organisationskultur, Führungsstil, Teamrollen etc. –, ist aus unserer Sicht nachhaltiger. Eine Führungskraft, die das „große Ganze“ versteht, wird dann auch im Mitarbeitergespräch eher als glaubwürdiger und professioneller Vorgesetzter wahrgenommen.“
Dokumentation und Organisation
Zur Dokumentation dienen bei der Conradia nicht nur die Gesprächsbögen. Die Leistungsbeurteilung und das Entwicklungsgespräch fließen in das Kompetenzmanagement-System ein. Sofern konkrete Entwicklungsmaßnahmen vereinbart worden sind, ist es Aufgabe der Personalabteilung, dafür zu sorgen, dass diese auch wirklich stattfinden. Wippermann: „Das Wichtigste ist, rechtzeitig – zum Beispiel nach einem halben Jahr – eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu prüfen, ob die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt worden sind. Wir halten es auch für sinnvoll, unterjährig eine oder mehrere Rückkopplungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter zu veranlassen, damit sich eventuelle Fehlentwicklungen rasch identifizieren und beheben lassen. Was wir definitiv nicht wollen, ist angestauter Frust, der sich dann einmal im Jahr im Mitarbeitergespräch entlädt!“
Die Verantwortung für den Gesamtprozess trägt bei der Conradia Wippermanns Personalabteilung. Dazu gehören die Entwicklung, Einführung und Pflege der Werkzeuge, die Organisation und Durchführung des turnusmäßigen Personalmeetings, die Vorbereitung der Gesprächsteilnehmer und schließlich die Auswertung der Gespräche. Wippermann: „Die einzelnen Gespräche und ihre Terminierung gehören in die Hände der Führungskräfte, aber es ist unsere Aufgabe sicherzustellen, dass alle Gespräche stattfinden und erfolgreich sein können. Die Personalabteilung muss dafür ihrerseits eine entsprechende Ausbildung und Kompetenz mitbringen oder entwickeln. Es muss auch klar sein, dass es kein fertiges Modell gibt, das auf jede Praxis passt.“
Kosten-Nutzen-Faktor Mitarbeitergespräch
Das Mitarbeitergespräch kann mehr oder weniger umfangreich gestaltet werden, aber eine Stunde pro Mitarbeiter wird als Minimum gesehen, um wenigstens die grundlegenden Themen – Mitarbeiterzufriedenheit, Leistungsbeurteilung, Personalentwicklung, Verbesserungsvorschläge – ernsthaft besprechen zu können. Wippermann: „Dabei ist die Vor- und Nachbereitung der Gespräche noch gar nicht berücksichtigt. Wenn die Prozesse eingespielt sind, sollte die Führungskraft für Vor- und Nachbereitung etwa ebensoviel Zeit benötigen wie für das Gespräch selbst. Wenn aber stark improvisiert wird, kann dieser Teil auch sehr viel aufwendiger werden als das eigentliche Gespräch oder sogar weitere (Klärungs-)Gespräche mit dem Mitarbeiter erforderlich machen. Deshalb lohnt sich die Investition in eine gute Vorbereitung und ausgereifte Werkzeuge in jedem Fall.“
Bei der Conradia ist damit allein für die Gesprächsführung inklusive Vor- und Nachbereitung mit über vierhundert Arbeitsstunden zu rechnen, wobei an allen Gesprächen zudem Führungskräfte und oftmals Ärzte und Geschäftsführer beteiligt sind. Wippermann: „Wir bewegen uns hier in Hamburg kostenseitig also im deutlich fünfstelligen Bereich pro Jahr.“ Diesen Kosten steht aber ein messbarer Nutzen gegenüber. Die meisten Mitarbeiter wünschen sich regelmäßiges Feedback zu ihrer Arbeit und wollen sich weiterentwickeln. Dann ist ein gut vorbereitetes Gespräch mit durchdachten Angeboten an den Mitarbeiter ein sehr motivierendes Führungsinstrument, das zur Steigerung der Leistung beiträgt und den Mitarbeiter bindet. Wippermann: „Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit sind echte Werte. Die Kosten, die durch Fluktuation entstehen, sind ja bekannt und stehen in direktem Verhältnis zur (Un-)Zufriedenheit der Mitarbeiter. Zudem sind zufriedene Mitarbeiter auch die beste Empfehlung für potenzielle zukünftige Mitarbeiter!“
In vielerlei Hinsicht ist das Mitarbeitergespräch ein wichtiger Baustein für leistungsfähigere und zufriedenere Mitarbeiter, denen weniger Fehler unterlaufen, die höherwertige Aufgaben erfüllen können und die die Organisation insgesamt effektiver machen.
Vielen Dank an Markus Schmidt-Tophoff und Till Wippermann für ihren Input. Kontaktaufnahme und Rückfragen bitte über das Netzmanagement (netzmanagementcuragita.com).
Im Rahmen des diesjährigen CurAcademy-Führungs-Curriculums am 15. September 2018 in Heidelberg wird es ein Follow up zum Thema "Mitarbeitergespräche"geben. Dieses kann separat gebucht werden. Anfragen bitte direkt an das Netzmanagement: netzmanagementcuragita.com