Medizinische Notwendigkeit bei Privatbehandlungen

Die Abrechnung der ärztlichen Leistungen bei Privatpatienten führt zuweilen zu Auseinandersetzungen mit dem betreffenden Krankenversicherungsunternehmen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage der medizinischen Notwendigkeit der erbrachten Leistungen. Diese Abrechnungsstreitigkeiten sind deshalb besonders ärgerlich, weil das Vertrauensverhältnis mit dem Patienten gefährdet werden kann.

Der zentrale Punkt für die Abrechnung des Arztes: „Vergütungen darf der Arzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich ist.“ Diese Vorgabe im § 2 Abs. 1 Satz 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bedeutet im Umkehrschluss: Alle Leistungen, die für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind, können von der privaten Krankenversicherung (PKV) oder auch von der Beihilfestelle nicht in Frage gestellt werden.

Ganz ohne irgendwelche Restriktionen erfolgt die Behandlung und Abrechnung bei ärztlichen Leistungen, die auf Verlangen des Patienten erbracht werden. Hier gilt § 2 Abs. 1 Satz 2 der GOÄ: „Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er (der behandelnde Arzt) nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind.“

Auf die „medizinische Notwendigkeit“ beziehen sich auch die Versicherungsbedingungen der Unternehmen der privaten Krankenversicherung. „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit und Unfallfolgen.“ (§ 1 Abs. 2 der Musterbedingungen des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband).

Das Maß der medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung ergibt sich grundsätzlich aus dem Gebührenverzeichnis der GOÄ (Oberlandesgericht (OLG) Naumburg, Urteil vom 26. Juni 2014, Az.: 4 U 56/13) (Vorinstanz: Landgericht (LG) Magdeburg: Urteil vom 8. August 2013, Az.: 11 O 379/13).

Bei der Beanstandung von Privatliquidationen beziehen sich die Privatkassen gerne auf die Regelung im § 5 Abs. 2 der Musterbedingungen: „Übersteigt eine Heilbehandlung oder sonstige Maßnahme, für die Leistungen vereinbart sind, das medizinisch notwendige Maß, so kann der Versicherer seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabsetzen. Stehen die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen, ist der Versicherer insoweit nicht zur Leistung verpflichtet.“

Die Versicherer sind nicht berechtigt, mit Verweis auf die Regelung im § 5 Abs. 2 der Musterbedingungen bei einer das medizinische Maß übersteigenden Heilbehandlung (sog. Übermaßregelung) die Erstattung auf einen nach eigenem Ermessen angemessenen Betrag herabzusetzen. Hier gilt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) (Karlsruhe): „Diese Klausel (im § 5 Abs. 2 der Musterbedingungen) räumt dem Versicherer die Befugnis ein, bei das medizinische Maß übersteigenden Heilbehandlungen (sog. Übermaßbehandlungen) seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen. Die Übermaßregelung erstreckt sich nach herrschender Meinung und der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch auf einen im Verhältnis zum medizinisch notwendigen Behandlungsumfang überhöhten Vergütungsansatz. An dieser Auffassung hält der Bundesgerichtshof nicht fest. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann schon dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 MB/KK 76 nicht entnehmen, dass mit der Überschreitung des medizinisch notwendigen Maßes auch ein wirtschaftliches Übermaß gemeint ist. Auch wenn er als Ziel der Übermaßregelung erkennen kann, den Versicherer vor einer unnötigen Kostenbelastung zu schützen, bezieht er die Kürzungsbefugnis auf Heilbehandlungsmaßnahmen, die aus medizinischer Sicht nicht mehr oder nicht in dem abgerechneten Umfang notwendig waren“ (Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. März 2003, Az.: IV ZR 278/01) (Vorinstanzen: Landgericht (LG) Wiesbaden: Urteil vom 10. November 2000, Az.: 1 O 78/00; Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main: Urteil vom 10. Oktober 2001, Az.: 7 U 192/00).

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