Differenzialdiagnostische Aspekte der Sarkoidose anhand eines Fallberichtes
Baur et al., Berlin- Freiburg, Pneumologie, Vol.70, März 2016, S.201-204
Eine Berylliose kann eine Sarkoidose vortäuschen mit hilärem Lymphknotenbefall und Hautsymptomen. Eine sorgfältige Arbeitsplatz-Anamnese ist für eine richtige Diagnose von besonderer Bedeutung.
Fallbeschreibung: Bei einem 1942 geborenen Patienten kam es mit 29 Jahren (1971) zu Kurzatmigkeit unter Belastung. Gleichzeitig traten vergrößerte Lymphknoten in beiden Axillen auf, und es zeigten sich gerötete Hautknötchen am rechten Unterarm und an beiden Unterschenkeln. Das Röntgenbild des Thorax zeigte eine bihiläre Lymphadenopathie. Ohne histologische Abklärung wurde eine Sarkoidose angenommen und Cortison verabreicht. Danach kam es zu einer Rückbildung der Veränderungen. Später wurden jedoch von Zeit zu Zeit Hautveränderungen beobachtet. 1983 traten wieder vermehrte Luftnot, Depressionen und eine Größenzunahme der hilären Lymphknoten auf. Wegen der therapieresistenten Atemnot wurde eine COPD II angenommen und entsprechend behandelt.
Der Patient war Kfz-Mechaniker von Beruf und arbeitete von 1969 bis 1975 in Ostberlin als Triebwerkmechaniker. Dabei reparierte er in einem separaten Raum Turbinenteile älterer MIG-Flugzeuge, deren Schaufeln aus einer Aluminium-Beryllium-Legierung bestanden. Es fiel erheblicher Schleifstaub an, der auch inhaliert wurde.
2009 zeigte das Röntgenbild eine netzig-streifige Zeichnungsvermehrung in den Lungen-Mittel- und Unterfeldern, gedeutet als Sarkoidose II. 2010 erfolgte erstmals ein Lymphozyten-Proliferationstest mit Zellenausstrich der broncho-alveolären Lavage (BAL) und dem peripheren Blut. Die Beryllium-Stimulation der Blut- und BAL-Zellen ergab einen grenzwertigen Befund. Der Empfehlung, diese Untersuchung zu wiederholen, wurde nicht gefolgt.
Die Begutachtung einer anderen erneuten Untersuchung ergab wiederum die Diagnose einer Sarkoidose mit der Begründung, dass eine Berylliose in Anbetracht des grenzwertigen Proliferationstests nicht in Frage kommen könne, auch weil die Hautveränderungen untypisch seien. Diese Aussage ist jedoch durch keine Studie belegt und kann daher nicht als Ausschlusskriterium für eine Berylliose herangezogen werden, im Gegenteil: Eine Hautberylliose ist mehrfach beobachtet und beschrieben worden.
Ein kürzlich vom Sozialgericht angeforderter Lymphozyten-Proliferationstest aus der Lavage, der ohne Transportverzögerung ausgewertet wurde, zeigte ein eindeutiges positives Ergebnis. Es handelte sich also seit 1971 um eine therapiepflichtige, chronische Berylliose mit Befall der hilären Lymphknoten und der Lunge sowie intermittierend auch der Haut. Eine Sarkoidose lag nicht vor.
Die Prävalenz der Berylliose unter exponierten Personen ist sehr variabel. Sie ist meist niedrig, kann aber bis zu 20% betragen. Ca. 10% der broncho-pulmonalen Erkrankungen sind durch berufliche Ursachen bedingt. Das vorliegende Beispiel weist auf die diagnostische Bedeutung insbesondere der Arbeitsplatz-Anamnese hin.
(Wir danken unserem Ehrenmitglied Prof. Dr. U. Klein aus München, der die Veröffentlichungen aus verschiedenen Fachzeitschriften für Sie auswählt und zusammenfassend erläutert.)