DeRaG: Praxisführungsmodell der DeRaG beim Bundesgesundheitsministerium platziert
Wie schon in der letzten Ausgabe berichtet, plant das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein Gutachten über den Einfluss von Finanzinvestoren auf die radiologische Versorgung. Die Vorstände der DeRaG, Dr. Schmidt-Tophoff und Dr. Kreft, nutzten die Gelegenheit, auf das DeRaG-Modell als genossenschaftliche, von Ärzten betriebene Alternative zu den rein investorengetriebenen MVZ-Modellen, hinzuweisen. Es zeigt einen zukunftsfähigen eigenen Weg auf, der die für die weitere radiologische Versorgung nötigen Vorteile von MVZ nutzt, ohne auf Freiberuflichkeit zu verzichten, falsche Anreize zu setzen und Ärzte aus dem Markt zu drängen. Dies schrieben sie – wie schon in der letzten Ausgabe berichtet – in einen Brief an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Dieser nahm den Faden prompt auf und stellte den Kontakt zum Gutachter-Team her. Das dreiköpfige Team besteht aus dem auf Gesundheitsrecht spezialisierten Professor Dr. Andreas Ladurner von der Hochschule Aalen, der Münchener Fachanwältin für Medizinrecht Professor Dr. Ute Walter sowie der Volkswirtin Professor Dr. Beate Jochimsen von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Sie wurden vom BMG beauftragt, ein Gutachten über die rechtliche Weiterentwicklung des Leistungserbringertypus medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zu erstellen.
Professor Ladurner nahm bereits Ende März Kontakt auf und zeigte sich sehr interessiert am in der Branche einzigartigen DeRaG-Modell. Da die Fragen, die sich ihm und seinen Mitstreiterinnen stellten, Themen umfassen, die auch innerhalb der Radiologenschaft immer wieder zur Diskussion und zu Nachfragen führen, stellen wir an dieser Stelle nochmal den begonnenen Dialog zwischen Gutachtern und DeRaG nach, der zwischenzeitlich auch im persönlichen Gespräch (Corona-bedingt via Web) fortgesetzt wurde.
Professor Ladurner:
Wie wird eine Einflussnahme der nicht-ärztlichen Gesellschafter („Fremdbesitz“) auf ärztliche Entscheidungen verhindert? In der Literatur wird insbesondere der Einfluss von Medizinprodukteherstellern auf vertragsärztliche Leistungserbringer kritisch bewertet. Wie wird in Ihrem Modell der Einfluss des Siemens-Konzerns als mittelbarer Mitgesellschafter beschränkt? Verfügen die nicht-ärztlichen Minderheitsgesellschafter über Sperrminoritäten, insbesondere in der einzelnen MVZ GmbH?
Dr. Schmidt-Tophoff:
Zum einen haben alle Ärzte einen Passus in den Dienstverträgen, der ihnen die ärztliche Diagnose- und Therapiefreiheit zusätzlich zu den gesetzlichen Vorschriften garantiert. Zum anderen hat der MVZ-Leiter eine besondere Unabhängigkeit. Darüber hinaus haben wir uns im Poolvertrag der Aktionäre (Gesellschaftervereinbarung) für alle MVZ und in den jeweiligen MVZ-Satzungen und -Geschäftsordnungen zum Primat ärztlichen Handelns vor Gewinn- oder Wertemaximierung und zur aktiven Förderung des Berufsbilds eines „Geschäftsführenden Gesellschafter“-Arztes, wie aus der Industrie bekannt, verpflichtet. Der Siemens-Einfluss ist dreifach gebremst: Erstens hat sich Siemens Finance, nicht die von Siemens durch Börsengang verselbstständigte Siemens Healthineers (Medical-Sparte) beteiligt. Zweitens hat sich Siemens Finance minderheitlich (30 %) und drittens an der bei DeRaG minderheitlich beteiligten Betreibergesellschaft Curagita beteiligt, die satzungs- bzw. poolvertragsgemäß in der Minderheit gegenüber den Radiologenaktionären bleibt. Der Beteiligungsvertrag mit Siemens Finance ist unbefristet (Laufzeit länger als 30 Jahre), sodass wir keinen Exitdruck haben, und verzichtet auf eine Dividendenpolicy, sodass wir keinen Ausschüttungsdruck haben. Zudem akzeptiert er explizit unseren „genossenschaftlichen“ Ansatz, der im Poolvertrag festgeschrieben ist. Es bestehen weder von Curagita noch von DeRaG Abnahmepflichten gegenüber Siemens und wir kaufen im Rahmen unserer Ausschreibungen Medizingeräte und -software von Siemens-Wettbewerbern. Es gibt keine unüblichen Sperrminoritäten in den MVZ (außer bei Neu- oder Zukäufen von MVZ), die zudem nicht über Beherrschungsverträge an deren Muttergesellschaft DeRaG gebunden sind.
Professor Ladurner:
Sie betonten, dass die MVZ dezentral „unter der leitenden Geschäftsführung eines Radiologen mit Durchsetzung gegenüber einem Kaufmann bzw. gegenüber der DeRaG“ geführt werden. Wie wird die starke Stellung des ärztlichen Leiters/Geschäftsführers des einzelnen MVZ arbeits-/gesellschaftsrechtlich abgesichert?
Dr. Schmidt-Tophoff:
Die starke Stellung des oder der ärztlichen Geschäftsführer gegenüber dem kaufmännischen wird durch den o.g. Poolvertrag unter den DeRaG-Aktionären, die jeweiligen Dienstverträge und die jeweiligen MVZ-Geschäftsordnungen (bzw. Geschäftsordnungen der Geschäftsführung) garantiert und vom mehrheitlich radiologischen Aufsichtsrat überwacht. Die radiologischen DeRaG-Aufsichtsräte üben eine Patenrolle gegenüber jedem MVZ aus, beraten den Vorstand und die örtlichen Praxismanager zusätzlich in Fragen des ärztlichen Handelns und Praxismanagements und sind zusätzlicher Ansprechpartner der geschäftsführenden Radiologen vor Ort mit Durchgriff auf Unternehmensentscheidungen. Diese besondere Art der Unabhängigkeit in einer großen starken Gruppe hat sich bereits herumgesprochen und wir konnten führende deutsche Nachwuchsradiologen gewinnen, die bei uns sogar mehr ärztlichen und unternehmerischen Freiraum als in einer großen (fünf bis 10 Partner), paritätisch und damit potenziell konfliktgeladen gehaltenen Gemeinschaftspraxis-GbR mit Senior- und Juniorpartnern sehen. Besonders freut uns, dass bereits einige Radiologenaktionäre ihre Praxen in die DeRaG, teilweise gegen Aktien, verkauft haben und überraschend gut mit dem Wechsel von der Freiberuflichkeit in die neue Rolle als angestellter Geschäftsführer zurechtkommen, was zeigt, dass die Unabhängigkeit gewahrt bleibt.
Professor Ladurner:
Bei der DeRaG handelt es sich um eine Aktiengesellschaft. Wie wird die „Annäherung“ der Rechtsform der Aktiengesellschaft an die Genossenschaft erreicht, z.B. beim genossenschaftlichen Grundprinzip des Stimmrechts nach Köpfen (§ 43 Abs. 3 Satz 1 Genossenschaftsgesetz)?
Dr. Schmidt-Tophoff:
Der Poolvertrag unter den DeRaG-Aktionären, der über zwei Jahre unter Einbezug zahlreicher Interessen entwickelt wurde, verbrieft die „genossenschaftliche“ Struktur durch viele Regelungen. Neben den Prinzipien der Praxisführung gibt es festgeschriebene Mehrheitsrechte der Radiologenaktionäre (z.B. 51 % der Stimmrechte bei häufig einfachen Mehrheitsbeschlüssen, Besetzung des Aufsichtsrats mit vier von sechs Räten) und Vorkaufsrechte, die die Mehrheit der Radiologenaktionäre und der MVZ-Radiologen, die immer eine Beteiligungsoption haben, nachhaltig sichern. Aus der Praxis ausgeschiedene Radiologen dürfen ihre Aktien nur noch fünf bis10 Jahre halten und nicht weitervererben, weil wir aktive Ärzte im Aktionariat haben wollen. Die 140 Radiologen poolen ihre Stimmanteile (Wertanteile jeweils zwischen 2.000 € und 1 Mio. €, im Schnitt 120.000 €) und kein Einzelradiologe darf mehr als 5 % des Aktienkapitals halten. Es wird Sie aber nicht wundern, dass wir in den letzten fünf Jahren trotz Sanierung und Kapitalisierung nur (fast) einstimmige Entscheidungen unter und mit den Radiologen hatten. Um rein wert- oder profitorientierte Motive einzudämmen, haben wir im Poolvertrag eine konservative Formel zur Aktienkursermittlung und den Verzicht auf kurzfristige Dividenden festgelegt.