Das Radiologie-MVZ – ein zukunftsweisendes Modell?

19. April 2017: Die roten Ziffern der Digitaluhr im Wartezimmer zeigen gerade 21:07 Uhr, als Seniorpartner Dr. Gerhard S. in der Gesellschafterversammlung der Röntgenpraxis Niederbock-Steißlingen zum Thema kommt: „Was haltet Ihr eigentlich davon, wenn wir aus unserer Gemeinschaftspraxis ein MVZ machen? In der Presse lese ich immer öfter, dass MVZ die Praxisform der Zukunft seien. Dort sind flexible Arbeitszeitmodelle möglich, die Sitze sind langfristig gesichert und nachdem mehrere Rechtsfragen mittlerweile geklärt seien, stünde einer solchen Umwandlung nichts mehr im Wege. Und da sowohl ich Ende des nächsten Jahres und die Kolleginnen T. und W. ebenfalls in absehbarer Zeit aussteigen möchten, ist es dringend geboten, eine Entscheidung hierüber zu treffen.“

S. erntet zunächst nur verhaltenes Gemurmel. Seine vier Mitgesellschafter schauen schweigend ins Leere. Das mag einerseits der Uhrzeit geschuldet sein – ein arbeitsreicher Tag und eine lange Sitzung mit kontroversen Diskussionen liegen hinter den Ärzten. Andererseits hat sich keiner von ihnen bislang mit Details dieser Frage auseinandergesetzt. Sie ahnen bereits, dass ihr Kollege S. mal wieder einen Volltreffer gelandet hat. Schließlich ist es die jüngste Praxispartnerin, Dr. Juliane B., die das Schweigen bricht: „Gerhard, ich finde das ist eine berechtigte Frage und gerade für uns jüngere Kollegen von großer Wichtigkeit. Neulich war doch unser Praxispate vom Radiologienetz bei uns. Lasst uns unsere Mitgliedschaft dort nutzen. Die haben mit Sicherheit Berater, die sich in der Materie gut auskennen und uns die verschiedenen Aspekte über Pro und Contra erläutern können.“

Trends zwingen Praxen zur Auseinandersetzung mit ihrer Strategie

Genau wie die Ärzte in Niederbock-Steißlingen sehen sich die meisten Praxen mit strategisch wichtigen, wenn nicht gar existentiellen Fragen konfrontiert, bei denen der Rechtsform - vielmehr aber noch den Anforderungen an Organisation und Management - hohe Bedeutung zukommt:

Droht der Verlust von Sitzen?

Seit Juli 2015 sollen die Zulassungsausschüsse Nachbesetzungen von Vertragsarzt-Sitzen ablehnen, wenn der Versorgungsgrad im Planungsbereich 140 % überschreitet, es sei denn, es sprechen Versorgungsgründe für die Weiterführung. Bereits ab einem Versorgungsgrad von 110 % sind die KVen gehalten zu überprüfen, ob die Wiederbesetzung aus Versorgungsgründen notwendig ist (§ 103 Abs. 3a  SGB V). Da der überwiegende Teil der radiologischen Praxen in Planungsbereichen mit entsprechender Überversorgung liegt, droht der Verlust von Sitzen.

Da diese Regelung bislang im Sinne der Krankenkassen nicht erfolgreich war (Bis Ende 2016 wurden bundesweit nur 70 Sitze auf diese Weise eingezogen. - Quelle: Ärztezeitung online 17.03.2017) wird immer wieder kolportiert, nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 würde aus der Soll- eine Mussvorschrift.

Radiologieunternehmer gesucht!

Die Zahl junger Radiologen, die bereit sind, eine Praxis als selbständiger Unternehmer weiterzuführen, nimmt eindeutig ab. Die neue Generation legt zu großen Teilen mehr Wert auf geregelte Arbeitszeiten, festes Einkommen und planbare Familienzeit als das noch bei den Vorgängergenerationen der Fall war. Die Bereitschaft, langfristig hohe finanzielle Risiken auf sich zu nehmen, schwindet.

In der Folge geraten die Praxiswerte bzw. die Preise, die tatsächlich für eine Übernahme durch einen Nachfolger „aus Fleisch und Blut“ gezahlt werden, unter Druck.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wer in einer Praxis übernimmt strategische- und Managementaufgaben, wenn die klassischen „Unternehmertypen“ die Praxis verlassen haben?

Konsolidierung durch Ketten und Investoren

Die Konsolidierung der letzten Jahre geht weiter. Dahinter steckt Strategie: Große Unternehmen erlauben einerseits, Risiken zu verteilen und damit das Einzelrisiko zu minimieren. Andererseits hilft Größe auch, Synergien zu gewinnen und Marktchancen zu nutzen. Daher drängen Investoren auf den Markt, die Praxen aufkaufen und zukünftig mit angestellten Ärzten betreiben möchten. Diese bringen einerseits Kapital und Investitionen mit, übernehmen aber auch die ungeliebten Managementaufgaben. Dabei handelt es sich meist um Krankenhäuser, die nach der Outsourcing- nun die Insourcingwelle reiten, Fonds, die ausschließlich das Kapital von Investoren anlegen möchten ohne weitergehendes Interesse am Fachgebiet zu haben oder Radiologen, die bislang schon in ihrem regionalen Umfeld Sitze aufgekauft haben und nun bundesweite Radiologieketten planen.

Widerspruch zwischen neuen Gestaltungsmöglichkeiten und mehr Regulierung

Zwar hat der Gesetzgeber immer wieder die Regularien für MVZ und BAGen angepasst und beide nahezu gleich gestellt. Die Rechtsprechung jedoch scheint diesen Willen des Gesetzgebers teilweise zu konterkarieren, indem sie Ärzte, die auf ihre Zulassung zu Gunsten einer Anstellung in einem MVZ für mindestens 3 Jahre bindet (Urteil vom 04.05.2016:  B 6 KA 21/15 R.). Die Zulassungsausschüsse treffen uneinheitliche Entscheidungen und verwirren Ärzte und Träger. Die Krankenkassen und Teile der Politik beklagen die ungleiche regionale Verteilung niedergelassener Ärzte. Beide verfolgen das Ziel einer rigorosen Herabsetzung des Versorgungsgrades vor. Nicht zuletzt nimmt die Bürokratisierung und Regelungsdichte im Bereich der Niederlassung weiter zu. Die Professionalisierung der KV-Vorstände einerseits und die gestiegene Klagebereitschaft haben dazu geführt, dass Entscheidungen der Selbstverwaltung zunehmend formaler werden. Juristisch mag dies einwandfrei sein, im Sinne der Versorgung und der niedergelassenen Ärzte ist das eher nicht.

Und zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass eine neue GOÄ erwartungsgemäß negative Folgen auf die Vergütung der Privatpatienten haben wird. Wird nach der Bundestagswahl die Private Krankenversicherung gar ganz abgeschafft? Können die frisch Eingestiegenen dann noch ihre Kredite bedienen?

Die Zukunft der Strukturen und der Gesundheitspolitik erscheint heute unsicherer als zuvor.

3. Mai 2017: Der Empfang durch die Radiologen ist freundlich und von gespannter Erwartung erfüllt, als Berater K. an diesem Mittwochabend die Praxisräume betritt, um im Rahmen der außerordentlichen Gesellschafterversammlung die Frage „MVZ – ja oder nein?“ mit den BAG-Partnern zu erörtern. Vor allem die jüngeren Partner haben sich in den letzten Wochen oft gefragt, welche Folgen der Austritt der Senioren für sie haben wird und wie sie die Lücken schließen können. Einig sind sich alle in ihrer Einschätzung, dass sich das berufliche Umfeld in den kommenden Jahren deutlich verändern wird, wenngleich kaum vorhersehbar ist, wie sich welcher Bereich entwickelt. Ihnen ist klar, dass sie in naher Zukunft die Weichen für einen langfristigen Fortbestand ihrer Praxis stellen müssen.

Roland T., einer der Dienstältesten beginnt die Diskussion mit der Frage, was denn das Besondere am MVZ sei. Er habe bei einer Fortbildung gehört, dass ein MVZ einen Träger habe, dass es Gründer und Gründereigenschaften gäbe. Dass auch Krankenhäuser MVZ betreiben können sei ja bekannt. Aber dass jetzt Firmen außerhalb des Gesundheitswesens Arztsitze aufkaufen und in Medizinische Versorgungszentren umwandeln, befremde ihn doch ein wenig.

MVZ ist nicht gleich MVZ

Gründen können ein MVZ nur zugelassene Vertragsärzte, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen sowie Kommunen. Wie niedergelassene Ärzte nehmen MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im Rahmen eines Zulassungsverfahrens wird es als Institution zugelassen. Wollen Unternehmen wie z.B. Investmentfonds MVZ betreiben, benötigen Sie als Trägervehikel ein zugelassenes Krankenhaus. Es ist auch denkbar, dass ein zugelassener Vertragsarzt eine Praxis erwirbt und als MVZ betreibt, ohne selbst dort tätig zu sein. Er ist dann lediglich Betreiber und ggfs. Geschäftsführer, wird aber nicht als Arzt dort tätig. Theoretisch könnte also ein niedergelassener Hausarzt ein radiologisches MVZ besitzen.

Ein medizinisches Versorgungszentrum kann in den Rechtsformen „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), der Partnerschaftsgesellschaft, der GmbH und der eingetragenen Genossenschaft (eG) gegründet werden. Während die Genossenschaft und die Partnerschaftsgesellschaft so gut wie gar nicht oder nur sehr selten anzutreffen sind, werden MVZ im Regelfall als GbR oder GmbH gegründet.

MVZ – GbR

Die MVZ-GbR unterscheidet sich nur geringfügig von einer Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) typischer Prägung. Sie nimmt zwar über ihre Ärzte, aber formal als juristische Person an der Versorgung der GKV-Versicherten teil. Hier findet man Strukturen, bei denen die ärztliche Leistungserbringung vom Management getrennt ist, während in Gemeinschaftspraxen Personenidentität zwischen Ärzten und Gesellschaftern zwingend ist.

Zulassung:

In einer MVZ-GbR können sowohl zugelassene – als auch angestellte Ärzte tätig sein. Die Vertragsärzte sind immer auch Gesellschafter des MVZ; wer nicht Gesellschafter ist, kann nur als angestellter Arzt in diesem Versorgungszentrum tätig werden. Da das MVZ selbst zugelassen wird, „leihen“ die Gründer dem MVZ ihre Zulassung bzw. sie wird von der Zulassung des MVZ überlagert. Wird die Gesellschaft aufgelöst bzw. möchte einer der Gesellschafter aus dem MVZ ausscheiden und außerhalb des MVZ tätig werden, erhält er auf Antrag seine höchstpersönliche Zulassung zurück. Soll der Vertragsarzt-Sitz eines Gesellschafter-Arztes nachbesetzt werden, ist dies immer mit einer Ausschreibung vor dem Zulassungsausschuss verbunden.

Haftung:

Der Behandlungsvertrag kommt zwischen Patient und MVZ zustande. Demnach muss der Patient seine Ansprüche im Haftungsfall auch gegenüber dem MVZ geltend machen. In der Rechtsform der GbR bleibt der Gesellschafter-Arzt de facto in der Haftung. Und das auch, weil es –anders als in der Gemeinschaftspraxis – eine im Gesellschaftsvertrag festzulegende gegenseitige Freistellung von Haftungsansprüchen beim MVZ nicht gibt. Die Partner der GbR haften weiterhin gesamtschuldnerisch.

Steuer:

In der MVZ-GbR ändert sich einkommensteuerlich nichts für die Gesellschafter. Sie sind nach wie vor persönlich einkommensteuerpflichtig und ihre Entnahmen stellen Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit dar. Gehälter angestellter Ärzte, die nicht Gesellschafter sind, führen bei diesen zu Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit; für das MVZ sind sie Kosten. Das MVZ selbst ist nicht einkommensteuer- und im Regelfall auch nicht gewerbesteuerpflichtig.

MVZ-GmbH

Zulassung:

Auch in diesem Fall wird das MVZ selbst zugelassen. In einer MVZ-GmbH können allerdings nur angestellte Ärzte tätig werden. Die im MVZ tätigen Ärzte haben in der Regel auf ihre Zulassung zu Gunsten einer Anstellung im MVZ verzichtet. Dies geschieht mittels einer an den Zulassungsausschuss gerichteten Erklärung, die dieser genehmigen muss, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht im Wege stehen. Eine Ausschreibung erfolgt in diesem Falle nicht. Alternativ kann eine Zulassung jedoch auch ausgeschrieben werden und das zugelassene MVZ bewirbt sich beim Zulassungsausschuss. Fortan ist die Zulassung fest an die MVZ-GmbH in Form einer sogenannten Anstellungsgenehmigung gebunden. Scheidet ein Arzt aus, verbleibt die Zulassung grundsätzlich beim MVZ. Dieses kann die Stelle mit einem Arzt seiner Wahl ohne offizielle Ausschreibung wiederbesetzen. MVZ-GmbH können auch durch Krankenhäuser oder Investoren gegründet werden. Auch als Vertragsarzt zugelassene Ärzte können ein Medizinisches Versorgungszentrum gründen, in dem sie selbst nicht tätig sind.

Haftung:

Auch hier kommt der Behandlungsvertrag mit dem MVZ zustande. Die GmbH haftet mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen. Die Haftungsbeschränkung greift nicht für berufliche Haftungsfälle, da die persönliche deliktische Haftung nicht beseitigt werden kann. Weiterhin werden Banken als Voraussetzung für Kreditvergaben auch die persönliche Inanspruchnahme des hinter der GmbH stehenden Gesellschafters in den Kreditverträgen vereinbaren. Für die Zulassung von MVZ, die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet werden, ist ferner Voraussetzung, dass jeder Gesellschafter jeweils eine selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung abgibt, mit welcher die Forderungen der KVen und Krankenkassen gegen das MVZ aus der vertragsärztlichen Tätigkeit des MVZ gesichert werden (z.B. Regressforderungen).

Steuer:

Das MVZ in Form der GmbH ist selbst steuerpflichtig und unterliegt der Körperschafts- und Gewerbesteuer. Die GmbH ist bilanzierungspflichtig. Die Bilanzen müssen im Bundesanzeiger veröffentlicht werden.

Der Gewinn wird mit 15 % Körperschaftsteuer plus Solidaritätszuschlag belastet. Hinzu kommt die Gewerbesteuer, die je nach Standort 14 bis 17% des Gewinns beträgt. Daraus ergibt sich eine steuerliche Gesamtbelastung des Gewinns von bis zu 32 %. Werden die Gewinne anschließend an die Gesellschafter ausgeschüttet, entstehen beim Gesellschafter kapitalertragssteuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn die GmbH-Anteile im Privatvermögen gehalten werden. Die Dividenden unterliegen dem so genannten Teileinkünfteverfahren, wenn sich Gesellschaftsanteile im Betriebsvermögen befinden.

Durch die Anstellung in der MVZ-GmbH erzielt der bislang selbstständige Arzt Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit, die dann dem Lohnabzug durch den Arbeitgeber MVZ unterliegen.

Wann bietet ein MVZ gegenüber der BAG echte Vorteile?

Im Vergleich zu einer Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft ergeben sich durch ein als GmbH geführtes MVZ signifikante Unterschiede:

Absicherung der Sitze und unternehmerische Kontinuität

Das wichtigste Argument pro MVZ liegt in der langfristigen Sicherung der Sitze und der unproblematischen Wiederbesetzung im Sinne der Gesellschafter. Seit es sich der Gesetzgeber zur Aufgabe gemacht hat, gegen sehr hohe Über- einerseits und drastische Unterversorgung in einigen Planungsbereichen andererseits vorzugehen, ist die Nachfolge deutlich komplizierter geworden. Zwar richten sich die gesetzlichen Regelungen zum „Aufkauf“ von Praxen nicht in erster Linie gegen die Radiologie, aber vor nachteiligen Auswirkungen sind Radiologen auch hier nicht gefeit.

Seit 1.7.2015 soll der Zulassungsausschuss die Ausschreibung eines frei werdenden Vertragsarztsitzes ablehnen, wenn der Versorgungsgrad im Planungsbereich über 140 % liegt. „Soll“ heißt in gesetzlichen Regelungen „Muss, wenn nicht Ausnahmen vorliegen“. Der ZA kann trotzdem der Ausschreibung zustimmen, wenn der Sitz aus Versorgungsgründen notwendig ist. Diese Notwendigkeit muss der Zulassungsausschuss in angemessenem Umfang prüfen. Da seit Inkrafttreten dieser Regelung aber nur sehr wenige Ausschreibungen tatsächlich verweigert wurden, wird nun immer wieder die Befürchtung laut, die nächste Bundesregierung könne aus der „Soll-„ eine „Mussregelung“ machen. Dies würde einen massenhaften Verlust von Zulassungen mit sich bringen, mal abgesehen von den rechtlichen Bedenken, die gegen solch eine Kahlschlaglösung sprechen. Aber auszuschließen ist es sicher nicht.

In einer MVZ-GmbH – und nur in der GmbH - wären die Sitze nach heutiger Rechtslage allerdings gesichert. Die dort tätigen bisherigen Freiberufler haben persönlich auf ihre Sitze verzichtet und sie ins MVZ eingebracht. Eine Nachbesetzung bei Anstellungsgenehmigung ist ohne Ausschreibung möglich. Dieses Vorgehen sichert Kontinuität und trägt zur Planbarkeit der Versorgung bei.

Es wird also sehr von der Couleur und den politischen Absichten der nächsten Bundesregierung abhängen, wie sie den § 103 SGB V zukünftig gestaltet. In jedem Fall ist es sinnvoll, sich heute schon mit Maßnahmen zum Unternehmenserhalt zu beschäftigen.

Sicherung des Wunschnachfolgers bei fehlender Privilegierung

Wird ein Vertragsarztsitz ausgeschrieben und sind mehrere Bewerber für diesen vorhanden, muss der Zulassungsausschuss entscheiden, wer Nachfolger des Ausscheidenden Arztes wird. Meistens ist eine Einigung mit einem bestimmten Kandidaten erfolgt. Trotzdem wird von Seiten der verbleibenden Partner oft befürchtet, dass der ZA einen anderen Bewerber auswählt. Zwar sind im Grunde Ärzte, die beim Abgeber als angestellte Ärzte oder Job-Sharing-Partner arbeiten, bevorzugt zu bedenken. Diese Privilegierung greift aber erst, wenn das Anstellungsverhältnis oder die Job Sharing Gemeinschaft mindestens drei Jahre besteht.

Auch in diesen Fällen hilft die MVZ-GmbH, weil hier – wie oben gezeigt – keine Ausschreibung nötig wird.

Allerdings sind in Gemeinschaftspraxen neben den Interessen des Abgebers auch die der BAG-Partner zu berücksichtigen. Erklären diese, dass der Kandidat des Abgebers gleichzeitig der Wunschnachfolger der übrigen Gesellschafter ist, muss der ZA diesem die Zulassung erteilen.

Verkauf der Praxis im Ganzen

Die MVZ-GmbH ist auch dann eine interessante Option, wenn die bisherigen BAG-Gesellschafter in etwa gleich alt sind und planen, zu ähnlichen Zeitpunkten die Tätigkeit zu beenden. In diesen Fällen ist es schwierig, gleich mehrere potentielle Nachfolger auf einen Schlag zu finden. Somit bietet sich ein Verkauf an einen Investor an, der die Sitze übernimmt und mit angestellten Ärzten besetzt. Für diesen ist es das einfachste, eine bereits existierende MVZ-GmbH zu übernehmen. Es ist einfach ein Gesellschafterwechsel nötig, den der ZA genehmigen muss. In diesen Fällen könnte es sich werterhöhend auswirken, dass die übernehmende Gesellschaft bereits eine Gesellschaftsstruktur vorfindet, die sie ohne eigenes großes Zutun übernehmen kann. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Investoren in der Radiologie einen interessanten Markt sehen und bereit sind, hohe Preise zu zahlen. Ein „Nachfolger aus Fleisch und Blut“ ist gar nicht in der Lage, derartige Finanzmittel aufzubringen. Im MVZ lässt sich erfahrungsgemäß die Trennung von Gesellschafter/Eigentümer, Management und ärztlicher Leistungserbringung besser umsetzen. Solcherart professionelle Strukturen finden sich bereits in den meisten institutionalisierten MVZ.

Die Idee der Praxis zur Umwandlung in ein MVZ lässt sich also, je nach persönlicher Zukunftserwartung, durchaus begründen.

Kauft man sich auch Nachteile ein?

Ärztliche Nachfolger nicht immer möglich

Dieser letztgenannte Vorteil geht allerdings einher mit einer Einschränkung der Flexibilität bei der Weitergabe der Sitze: Haben Sie erst einmal eine GmbH, können die Sitze nicht mehr ohne weiteres einzeln an bisher nicht zugelassen tätige Ärzte weitergegeben werden. Zwar kann für den ausscheidenden Radiologen ein anderer, jüngerer Arzt angestellt werden, dieser kann aber nicht die Gesellschaftsanteile des Seniors an der GmbH übernehmen. Warum, liegt auf der Hand: Es fehlt ihm die Gründungsberechtigung. Nur ein Vertragsarzt kann auf seine Zulassung zum Zwecke der Anstellung im MVZ verzichten. Gemäß § 95 Abs. 6 SGB V behält er für diesen Fall die Gründereigenschaft. Ein dritter, z.B. aus dem Krankenhaus kommender Arzt ist aber kein Vertragsarzt. Er ist demnach kein zugelassener Leistungserbringer und darf daher nicht Gesellschafter der MVZ-GmbH sein.

Für diesen Fall müsste das MVZ zunächst den Antrag stellen, dem Senior die Zulassung zurück zu übertragen. Dieser würde dann zunächst als Einzelarzt tätig und könnte mit dem MVZ eine Berufsausübungsgemeinschaft bilden. Er kommt aber um eine Ausschreibung nicht herum (Achtung: keine gute Wahl, falls wie oben beschrieben die „Soll-„ zur „Mussregelung“ wird). Allerdings liegt hier keine Privilegierung vor; der BAG-Partner MVZ muss sich für den Wunschnachfolger aussprechen. Dieser erhielte die Nachfolgezulassung und könnte später wiederum auf seine Zulassung verzichten, im MVZ angestellt werden und auch Gesellschaftsanteile erwerben. Diese Rochade wird sich aber - je nach KV-Bereich – über mehrere Quartale erstrecken und ist unsicher.

Im Falle, dass ein Investor die MVZ-GmbH gründet oder übernimmt, könnte eine Beteiligung an der „Obergesellschaft“ für den nachrückenden Kollegen möglich und wegen der Chancen- und Risikostreuung attraktiv sein.

Steiniger Weg bis zur „Umwandlung“

Die Umwandlung einer Einzelpraxis oder einer BAG in eine Kapitalgesellschaft (MVZ GmbH) ist mit Stolperfallen gesäumt. Berufsrecht, Vertragsarztrecht, Gesellschaftsrecht und Steuerrecht sowie betriebswirtschaftliche Aspekte sind dabei zu berücksichtigen und aufeinander abzustimmen. Bei der Planung solcher Umwandlungsvorgänge bedarf es eines integrierten Beratungsansatzes, da jeder der vorgenannten Teilbereiche bei nicht genügender Berücksichtigung zum Scheitern des Projektes führen kann.

Zulassungsrechtlich steht u.a. die Frage im Raum, ob in der BAG nur Freiberufler tätig sind, oder ob die Praxis auch angestellte Ärzte mit Anstellungsgenehmigungen, die am Vertragsarztsitz eines Gesellschafters hängen, beschäftigt. Der erste Fall ist vergleichsweise unkompliziert, während es im Falle von vorhandenen Anstellungsgenehmigungen Zulassungsausschüsse gibt, die einem Übergang von der BAG auf die GmbH nicht ohne weiteres zustimmen. In diesen Fällen ist unbedingt sehr zeitnah mit den Zulassungsgremien abzustimmen, wie der Weg in die GmbH beschritten werden kann.

Es ist spät geworden an diesem Abend in Niederbock-Steißlingen.

Nachdem er den Berater zur Tür begleitet hat, zieht Dr. S. sein persönliches Resümee: „Wir sollten die Gründung einer Ärzte-GmbH unbedingt angehen. Wir müssen uns nicht einzeln um Nachfolger bemühen und uns nach anstrengenden Verhandlungen auch noch darum sorgen, dass der Nachfolger vom Zulassungsausschuss akzeptiert wird, sondern können unsere Praxis als Gesamtpaket anbieten an Investoren aus dem radiologischen und nichtradiologischen Umfeld. Die Praxis als Ganzes hat für einen Investor einen größeren Wert als die Summe der einzelnen Anteile. Somit profitieren wir alle von diesem Deal.“

T. und W schauen sich an und schmunzeln: Ihr Kollege weiß wie immer, was für die Praxis und seine Kollegen am besten ist. Bei objektiver Betrachtung ist jedoch nicht zu verhehlen, dass dieser Schritt auch für die Kolleginnen Vorzüge birgt. Irgendwie fühlen sie sich ja ein wenig mitverkauft. Sie können sich noch nicht vorstellen, künftig nur noch Angestellte in ihrer vormals eigenen Praxis zu sein. Wie reagieren da die Zuweiser und Patienten? Und müssen Sie dann einen Urlaubsantrag stellen, wenn sie zu einer Fortbildung wollen?

Auf der anderen Seite weiß man nicht, was in diesen bewegten Zeiten noch passieren wird. Eventuell muss das alte Kernspingerät ersetzt werden und diese Investition wollen sie eigentlich nicht mehr mittragen. Wie entwickelt sich die Vergütung? Gibt es dann noch eine PKV? Eine „Bürgerversicherung“ würde den Wert ihres Praxisanteils deutlich minimieren. Jetzt von einem guten Preis für die Praxis zu profitieren und sich „langsam auszuschleichen“ könnte eine verlockende Perspektive darstellen.

Juliane B. ist zunächst beleidigt. Sie ist vor zwei Jahren mit dem Ziel der Praxis beigetreten, selbstständig zu sein und despotischen Chefärzten zu entfliehen. Jetzt will sie der ältere Kollege nahezu zwingen, das alles aufzugeben um sich seinen Abschied zu vergolden? Auf dem Heimweg lässt die frische Mainacht aber auch andere Gedanken reifen: Wenn die drei Senioren über kurz oder lang weg sind, muss sie sich mit drei neuen Partnern arrangieren. Weiß sie, ob sie mit denen zurechtkommt? Und das bei voller Haftung angesichts der gesundheitspolitischen Unwägbarkeiten? In einem MVZ könnte sie trotzdem eine leitende Funktion wahrnehmen. Dort wäre sie Geschäftsführerin und könnte mit einem finanzstarken Betreiber im Hintergrund den strategischen Ausbau der Praxis viel besser vorantreiben. Da sie heute über den Status als zugelassene Vertragsärztin verfügt, kann sie an der Praxis beteiligt bleiben oder vielleicht sogar Anteile am Investor-Unternehmen erwerben und so eine Risikostreuung ihres Invests erreichen. Wenn Sie das von dieser Seite betrachtet, überwiegen die Chancen vielleicht doch die Risiken. Gleich morgen wird sie Berater K. anrufen um diese Gedanken mit ihm weiter zu vertiefen.

Der Abend in Niederbock-Steißlingen nahm einen typischen Verlauf. Die Frage, ob ein MVZ die richtige Betriebsform ist, lässt sich nicht in ein paar Stunden entscheiden. Dazu ist die Gemengelage, angesichts des immer komplizierter werdenden Zulassungsrechts zu unübersichtlich. Und dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass Zulassungsausschüsse und KVen mit Gesetzen und Verordnungen gerne Politik machen. In jedem Bundesland wird das anders gehandhabt. Ein Kochrezept mit Gelinggarantie gibt es leider nicht. Umso wichtiger ist die seriöse Vorbereitung dieser Entscheidung. Fehler können am Ende sehr teuer sein.

In der nächsten CuraCompact Ausgabe zeigen wir, wie es für die Praxis in Niederbock-Steißlingen weitergeht.

hr Ansprechpartner: Carsten Krüger ckgcuragita.com