§ 299a StGB in Kraft: Was ist denn nun noch erlaubt?

Nach langer Debatte sind zum 4. Juni 2016 mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen die Antikorruptionsparagraphen 299a und 299b im Strafgesetzbuch in Kraft getreten. Der § 299a StGB soll Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unterbinden, über die Ausgestaltung des Paragraphen hatten wir bereits vergangenes Jahr im Vorfeld informiert (CuraCompact 3/2015). Doch nach wie vor herrscht unter Medizinern Unsicherheit, welche Art von Kooperationen und Zuweiserservices noch erlaubt und welche hingegen nun verboten ist.

Der neue Paragraph 299a stellt es unter Strafe, wenn ein Heilberufsangehöriger im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt und als Gegenleistung dafür einen anderen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt. Das gilt ausdrücklich für folgende Vorgänge: Zum einen bei der Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, zum anderen bei dem Bezug bestimmter zur unmittelbaren Anwendung bestimmter Mittel und Produkte sowie schließlich bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial.

Angesichts des drastischen Strafmaßes von bis zu drei ‒ und in besonders schweren Fällen bis zu fünf ‒ Jahren Gefängnis empfehlen Juristen, generell alles zu vermeiden, was nach einer unlauteren Vorteilsannahme „riecht“. Hört sich einfach an, doch bekanntlich steckt der Teufel im Detail. Am liebsten wäre vielen Ärzten wohl – das zeigen auch aktuelle Diskussionen unter den Medizinern – eine Liste, auf der schwarz auf weiß niedergelegt ist, was verboten und was erlaubt ist. Doch eine solche pauschale und absolute Liste kann es aus Sicht von Dr. Tilman Scheinert, seit dem Curagita-Outsourcing Rechtsanwalt der Kanzlei Tandler & Partner, nicht geben. „Es gibt natürlich unproblematische Dinge, aber das sind nicht die Maßnahmen, bei denen Unsicherheit herrscht. Es dürfte klar sein, dass Werbe- bzw. Marketingmaßnahmen, wie das Überlassen von Visitenkarten, Praxisflyern oder Röntgenpässen auch künftig nicht zu beanstanden sind. Ähnlich sieht es bei Services aus, die ausschließlich im Sinne und zum Wohle der Patienten angeboten werden“, ergänzt Scheinert. Also beispielsweise zügige Terminslots oder auch die Garantie für eine schnelle Befundübermittlung.

Wesentlich komplizierter wird es bei materiellen Zuwendungen. „Wenn Sie einer befreundeten Kollegin zum Geburtstag einen normalen Blumenstrauß schenken, wird darin kaum ein Richter eine Unrechtsvereinbarung wittern. Wenn aber eine Pharma-Firma eine Praxis regelmäßig unentgeltlich mit frischem Blumenschmuck ausstattet und dafür ein Entgegenkommen bei der Verschreibung ihrer Produkte erwartet, sieht das schon ganz anders aus“, umreißt Scheinert die Problematik mit einem Beispiel. Der Rechtsanwalt appelliert an die Ärzte, auf den gesunden Menschenverstand und auch das eigene Unrechtsbewusstsein zu hören. „Wenn Sie Geschenke oder Vergünstigungen von Kollegen oder der Industrie erhalten, denken Sie einmal mehr darüber nach, warum Sie diese bekommen. Werden dafür irgendwelche Gegenleistungen belohnt oder erwartet? Und: Könnten die gewährten Vorteile in irgendeiner Weise  bei einem Außenstehenden den Eindruck erwecken, dass durch sie die Unabhängigkeit Ihrer ärztlichen Entscheidung beeinflusst werden soll? Wenn Sie eine dieser Fragen ehrlich mit ‚Ja‘ beantworten, oder der Außenstehende sagen könnte, ‚Das hat aber doch ein Geschmäckle!’ dann nehmen Sie diese Vergünstigung nicht an“, rät der Jurist.

Pauschal kaum zu beurteilen sind Kooperationen zwischen Radiologen und zuweisenden Ärzten. Generell sind diese zwar gesundheitspolitisch erwünscht und weiter erlaubt, doch gibt es zu viele verschiedene Möglichkeiten, eine solche Kooperation auszugestalten. „Wichtig ist, dass bei einer vertraglichen Kooperation ein tatsächlicher und adäquater Austausch von Leistung und Gegenleistung stattfindet“, erklärt Scheinert. „Es darf keine Quersubventionierung stattfinden – denn die könnte ja eine verdeckte Zahlung für eine Zuweisung oder ein Rezept sein.“ Der Jurist empfiehlt, alle bestehenden Kooperationen auf den Prüfstand zu stellen. Im Zweifel ist es angeraten, jede Kooperation von zwei unabhängigen Fachanwälten prüfen zu lassen. „Wenn beide zum gleichen Ergebnis kommen, dass die Kooperation unbedenklich ist, hat der betroffene Arzt seiner Sorgfaltspflicht genüge getan“, so Scheinert.

In eigener Sache

Curagita und DeRaG begrüßen die neuen Regelungen, durch die unlauterer Wettbewerb, Marktmissbrauch und Kick-Back-Geschäften im Gesundheitswesen der Kampf angesagt wird. Wir halten uns an die Verhaltenskodizes der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V. Außerdem haben wir mit dem Heidelberger Kontrastmittel kodex und dem Heidelberger Kooperations kodex die Stoßrichtungen des §299 a/b StGB bereits vor Jahren antizipiert und verpflichten alle Curagita- und DeRaGMitarbeiter zu regelkonformem Verhalten. So sind die Kodizes Teil der Arbeitsverträge der Ärzte in den DeRaG-MVZ.

Die Rechtssicherheit für unsere Mitgliedspraxen hat für uns höchste Priorität. Die Geschäftsbesorgungsverträge sind 2016 erneut durch die Kanzlei Tandler & Partner überprüft und als unbedenklich eingestuft worden. Durch die jährlichen Netzbeiträge unserer 100 Mitgliedspraxen decken wir die Ausgaben für die Kommunikationsplattform (Mitgliederzeitschrift, Vollversammlungen, Radiologentag, Social Event etc.). Unsere Netz-Dienstleistungen bieten wir mindestens kostendeckend an. Insgesamt hoffen wir, dass die neue Gesetzeslage zu mehr Fairness und Marktgerechtigkeit im Gesundheitswesen führt, ohne sinnvolle und notwendige Kooperationen im Gesundheitswesen einzuschränken.

Ihr Ansprechpartner:

Dr. Johannes Schmidt-Tophoff

jstcuragita.com