Bundestagswahl 2021: Die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem
Die Bundestagswahl fand am 26. September statt und sorgt nun für frischen Wind in Deutschland. Nach 16 Jahren Regierungsverantwortung hat die Union aus CDU und CSU erstmals weniger Stimmen erhalten als die SPD. Doch auch wenn die Sozialdemokraten ihre Stimmenverluste aus der letzten Bundestagswahl wieder wettmachen konnten, gehen sie ebenfalls nicht als klare Gewinner aus dem Rennen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wird es wahrscheinlich eine Dreier-Koalition auf Bundesebene geben.
Größter Favorit scheint derzeit die sogenannte „Ampel-Koalition“ aus SPD, B’90/Die Grünen und FDP. Eine „Große Koalition“ zwischen Union und SPD wird von den Parteispitzen derzeit ausgeschlossen. Sollten die Gespräche zur Ampel nicht erfolgreich verlaufen, ist darüber hinaus auch die „Jamaika-Koalition“ mit der Union, B’90/Die Grünen und FDP möglich. Die Parteien machen es sich zur Aufgabe, ihre gemeinsamen Visionen umzusetzen und Kompromisse für unterschiedliche Ansichten zu finden. Viele große Themen liegen dabei auf dem Tisch.
Eines beschäftigt uns natürlich ganz besonders – die Gesundheitspolitik. Welche Positionen vertreten die vier größten Parteien im Bundestag laut ihrer Parteiprogramme? Welche Schnittpunkte gibt es für mögliche Koalitionen und inwieweit könnte die Union als Opposition mit gegensätzlichen Ansichten dagegenhalten?
Die Parteiprogramme zur Gesundheitspolitik
SPD: Bezahlbares Gesundheitssystem u.a. durch Bürgerversicherung
Im Mittelpunkt der sozialdemokratischen Gesundheitspolitik steht die Einführung einer Bürgerversicherung. Denn „Gesundheit ist keine Ware, sie muss bezahlbar sein“ – lautet dabei die Devise der SPD. Ihr Ziel ist es, allen einen qualitativ gleichwertigen Zugang zur medizinischen Versorgung, eine solidarische Finanzierung und hohe Qualität der Leistungen zu gewährleisten. Dazu soll die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens beendet werden. Stattdessen sollen Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, weitestgehend wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen. Steuerzuschüsse und Investitionsmittel sollen mit klaren Zielvorgaben für eine Systemreform miteinander verknüpft werden.
Stärkung der Kommunen bei der Einrichtung medizinischer Versorgungszentren
Die Sozialdemokraten wollen die Rollen zwischen ambulantem und stationärem Sektor neu ordnen, indem die Grenzen überwunden werden. Angestrebt werden eine gute Koordination und Kooperation der medizinischen, psychotherapeutischen und pflegerischen Berufe unter anderem mit Hilfe mobiler Teams. Zudem will sich die SPD für eine integrierte und „bessere“ Notfallversorgung einsetzen. Darüber hinaus sichert sie den Kommunen bei der Einrichtung und dem Betrieb von integrierten medizinischen Versorgungszentren finanzielle Unterstützung zu.
Sicherstellung der Krankenhausfinanzierung und sektorenübergreifende Versorgung
Die SPD will das System der Fallpauschalen überprüfen, überarbeiten und gegebenenfalls sogar abschaffen. Die Grundkosten der Krankenhäuser sollen „angemessen“ finanziert werden. Es wird eine „bedarfsgerechte Grundfinanzierung“ der Kliniken angestrebt. Des Weiteren wollen die Sozialdemokraten eine stärkere Öffnung von Krankenhäusern für ambulante, teambasierte und interdisziplinäre Formen der Versorgung.
Bessere Rahmenbedingungen und bessere Ausstattung für den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD)
Der Öffentliche Gesundheitsdienst soll laut SPD-Parteiprogramm mit einer besseren digitalen Infrastruktur ausgestattet und die Mitarbeitenden „konkurrenzfähig“ vergütet werden. So soll der Gesundheitsdienst in die Lage versetzt werden, die wirtschaftlich Schwächeren in Gesundheitsfragen zu unterstützen.
Digitalisierung – mit Fokus auf dem Schutz der Patientendaten
Nicht nur im ÖGD soll mehr auf Digitalisierung geachtet werden. So ist ein digitales Gesundheitswesen mit den anfallenden Daten unter anderem hilfreich dabei, Diagnosen zu verbessern. Jedoch betont die SPD, dass der Datenschutz dabei essenziell ist. Um das zu gewährleisten, will man Rahmenbedingungen einführen, „damit nicht die großen Plattformen auch die Gesundheitswirtschaft dominieren“. Um die Digitalisierung voranzutreiben, ist es darüber hinaus wichtig, allen Beteiligten im Gesundheitssektor Kompetenzen an die Hand zu geben. Die SPD setzt dabei auf flächendeckende Weiterbildungs- und Unterstützungsangebote für medizinische Berufsgruppen. Aussagen zu digitalen Angeboten wie der elektronischen Patientenakte und der Nutzung von Apps fehlen im Programm der SPD.
B´90/Die Grünen: Neuer Wert von Gesundheit und Pflege – solidarisch finanziert
Bereits in der letzten Ausgabe von CuraCompact wurden die gesundheitspolitischen Forderungen der Grünen ausführlich vorgestellt. Für einen Gesamtüberblick der Parteien und möglichen Koalition dürfen diese hier jedoch nicht fehlen. Daher ein erneuter, gekürzter Auszug aus dem Parteiprogramm von B’90/Die Grünen. Der gesundheitspolitische Abschnitt des Programms umfasst sechs Seiten und steht unter dem Motto „Wir geben Gesundheit und Pflege einen neuen Wert“. Die Schwerpunkte liegen dabei auf der solidarisch finanzierten Bürgerversicherung, der Finanzierungs- und Strukturreform in der stationären Versorgung, der Einrichtung von Gesundheitsregionen und kommunalen Gesundheitszentren, sowie der Stärkung der ambulanten und stationären Pflege.
Solidarisch finanzierte Bürgerversicherung
Die Bürgerversicherung ist auch im Programm der Grünen ein zentraler Aspekt. Sie soll dazu führen, dass jede und jeder, unabhängig vom Einkommen, die Versorgung erhält, die er oder sie braucht. Der Vorschlag der Grünen sieht nicht die Abschaffung der Privaten Krankenversicherung als Vollversicherung vor. In die Finanzierung eines neuen leistungsstarken Versicherungssystems sollen auch Beamte, Selbständige, Unternehmer und Abgeordnete mit einkommensabhängigen Beiträgen einbezogen werden. Neben Löhnen und Gehältern sollen auch Beiträge auf Kapitaleinkommen erhoben werden.
Aus dem so erweiterten Gesundheitsfonds sollen dann alle Bürgerinnen und Bürger eine Pauschale zur Finanzierung ihrer Krankenversicherung, entweder in der gesetzlichen oder in der privaten Krankenversicherung, erhalten.
Stationäre Versorgung
Im Bereich der stationären Versorgung gibt es von den Grünen verschiedene Vorschläge zu einer Finanzierungs- und Strukturreform. Die Krankenhäuser sollen „nach gesellschaftlichem Auftrag“ finanziert werden. Zu den Vorschlägen im stationären Sektor zählt, dass Kliniken nicht mehr nach Fallzahlen finanziert und dieser Vergütungsteil dagegen reformiert werden soll. Darüber hinaus wollen die Grünen mehr Investitionen in die Krankenhäuser, welche Bund und Länder gemeinsam tragen würden. Dabei soll der Bund die Möglichkeit haben, „gemeinsame bundesweite Grundsätze in der Krankenhausplanung zu definieren“.
Kommunale Pflege stärken
Im gesundheitspolitischen Abschnitt des Grünen Parteiprogramms heißt es: „Um die Versorgung in Stadt und Land zu stärken, sollen die ambulante und stationäre Versorgung in Zukunft übergreifend geplant und Gesundheitsregionen mit enger Anbindung an die Kommunen gefördert werden.” Dazu sollen zudem für Kommunen die Möglichkeiten geschaffen werden, das Angebot an Pflege vor Ort besser zu gestalten, durch rechtliche Rahmenbedingungen für eine Quartierspflege.
FDP: Große Aufgaben im Gesundheitssystem
„Nie gab es mehr zu tun“ – unter diesem Motto steht das Parteiprogramm der FDP. Und tatsächlich: Laut der FDP braucht es in der Gesundheitspolitik nach der Pandemie einen Neustart. „Während andere Staaten ihr Gesundheitssystem digitalisiert haben, haben sich unsere Gesundheitsämter gegenseitig Faxe geschickt“, heißt es vielleicht etwas plakativ im Wahlprogramm. Die Lösung: Digitalisierung und Entbürokratisierung. Der Ausbau der Hightech-Gesundheitsmedizin steht ebenso im Mittelpunkt wie die Förderung von Innovationsfreudigkeit: Vor allem im Bereich der Biomedizin, zum Beispiel bei Gentherapien oder regenerativer Medizin, sieht die FDP großes Potenzial.
Digitalisieren und entbürokratisieren
Um das Gesundheitswesen weiter zu digitalisieren, fordert die FDP offene Standards, Interoperabilität und Datensicherheit als Voraussetzung. So soll der Arbeitsalltag aller Beteiligten im Gesundheitssektor erheblich erleichtert werden, zum Beispiel durch eine bessere Vernetzung und die schnellere Verfügbarkeit von Patientendaten. Auch soll die digitale Infrastruktur, einschließlich digitaler oder robotischer Assistenzsysteme, gezielt gefördert bzw. ausgebaut werden.
Stärkung des Grundsatzes der Therapiefreiheit in den freien Gesundheitsberufen
Die freien Berufe im Gesundheitssektor sollen gestärkt werden. Im Sinne der Therapiefreiheit müssen die freien Berufsgruppen auch selbstständig über medizinische Belange entscheiden können. Damit könne zudem das vertrauensvolle Arzt-Patien-
ten-Verhältnis gestärkt werden.
Festigung des Kassenwettbewerbs insbesondere über monetäre Anreize und zusätzliche Leistungen
Die Liberalen fordern einen qualitativen, effizienten und innovativen Wettbewerb unter allen Kassen. Dabei soll der gesetzliche Spielraum zwischen den Krankenkassen und Leistungserbringern ausgeweitet werden, um innovative Versorgungsformen zu ermöglichen. Auch sollen Krankenkassen ihren Versicherten finanzielle Anreize wie beispielsweise Selbstbeteiligungen, Bonuszahlungen oder Beitragsrückerstattungen anbieten dürfen. Dies soll bei der Steuerung der Nachfrage, beim Abbau der Bürokratie und bei der Erhöhung der Wirtschaftlichkeitsreserven helfen.
Vereinfachte Wahlmöglichkeiten auch in der Krankenversicherung
Der Wechsel zwischen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung soll einfacher werden. Die FDP will den Versicherten im dualen Gesundheitssystem die Wahlfreiheit zwischen den Krankenkassen und -versicherungen unter der Berücksichtigung ihrer Interessen gewährleisten.
Medizinische Versorgungsstrukturen gemeinsam planen
Damit jeder Patient die beste Versorgung erhält, soll die Gesundheitsversorgung künftig umfassend, regional und patientenzentriert gedacht werden. Vor allem die Verzahnung und Vernetzung zwischen den ambulanten und stationären Versorgungsdiensten soll nach Meinung der Liberalen zunehmend gestärkt werden. Die Sicherung der regionalen Grundversorgung mit ambulanten und kurzstationären Behandlungen soll durch integrierte Gesundheitszentren unterstützt werden, wobei der ländliche Raum mit seiner speziellen Versorgungsstruktur durch entsprechende Programme berücksichtigt werden soll. Weiterhin soll der Grundsatz „ambulant vor stationär“ gelten. Die derzeitigen gesetzlichen Vergütungsregelungen verkomplizieren laut FDP eine Überführung der Behandlungsmethoden aus dem Krankenhaus in den ambulanten Bereich. „Für die Dauer der Entscheidungsverfahren muss die stationäre Vergütung erhalten bleiben, damit keine Patientin und kein Patient unversorgt bleibt“, heißt es im Programm.
Ausbau der Förderung von Innovationen in der Medizin
Ein weiteres Thema, das die FDP gezielt fordert, sind größere Aufwendungen für Innovationen im Arzneimittelbereich, in der Medizintechnik und Digitalisierung. Gerade Start-ups sollen unbürokratisch Fördergelder für die Innovationsforschung bekommen. Besonders in der Biomedizin sehen die Liberalen ein enormes Potenzial für neue medizinische Methoden und Therapien.
CDU/CSU: Bewährtes bewahren, Neues ermöglichen
Nach 16 Jahren Regierungsverantwortung scheinen CDU und CSU mit dem bestehenden System, welches sie mit aufgebaut haben, so zufrieden, dass sie nur wenige Veränderungen fordern. Dennoch gibt es ein paar Punkte, bei denen das Gesundheitssystem verbessert werden soll: Entbürokratisierung und Digitalisierung sind hier die Stichworte. Zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) setzt die Union weiter auf einkommensabhängige Beiträge, Eigenbeteiligungen und einen Steueranteil für versicherungsfremde Leistungen (wie in der Pandemiebekämpfung). Der Steueranteil soll dynamisiert und an die tatsächlichen Kosten der versicherungsfremden Leistungen und deren Entwicklung gekoppelt sein. Systemisch setzt die Union auf den Verbleib im dualen System aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung.
Die wichtigsten Punkte der CDU/CSU sind demnach:
- Bürokratieabbau
- Modernisierung & Förderung des ÖGD mit vier Mrd. Euro bis 2026 für Digitalisierung und Personalaufbau
- Digitalisierung und „vernetzte Zusammenarbeit“
- Datensichere ePA
- Versorgungssicherheit (insbes. im ländlichen Raum)
- Ausbau der Televisite und „virtuelles Krankenhaus“
- digitaler, wohnortnaher und möglichst barrierefreier Zugang zur Hausarztversorgung
- Stärkung der Unabhängigkeit Deutschlands und der EU bei der Produktion von Arzneimitteln und anderen medizinischen Produkten
- Mehr Kompetenzen für Heil- und Hilfsmittelerbringer
Da aus heutiger Sicht die Wahrscheinlichkeit einer Regierungsbeteiligung der CDU/CSU gering erscheint, führen wir die einzelnen Punkte des Parteiprogramms an dieser Stelle nicht weiter aus.
Mögliche Koalitionen und deren Folgen
Parteien nehmen sich in ihren Programmen viele Dinge vor, doch spätestens, wenn es zu Koalitionsverhandlungen kommt, müssen Abstriche gemacht und Kompromisse gefunden werden. Nicht umsonst können Koalitionsverhandlungen mehrere Monate dauern.
In den Sondierungsgesprächen für eine „Ampel-Koalition“ wurde am 15. Oktober ein gemeinsames Sondierungspapier vorgestellt. Dieses dient als Grundlage für die Koalitionsverhandlungen, in welchen die einzelnen Punkte noch genauer diskutiert werden.
Gesundheitspolitische Themen sind im Sondierungspapier nicht ausführlich festgehalten. Doch es zeichnen sich bereits Richtungsweisungen ab. Für die niedergelassene Radiologie ist der zentrale Satz: „Die gesetzliche und die private Kranken- und Pflegeversicherung bleiben erhalten.“ Damit haben sich die Liberalen durchgesetzt. Ein wichtiger Schritt in Richtung Einnahmensicherheit für niedergelassene und in hohem Maße von PKV-Einnahmen abhängige Ärzte.
Die Bürgerversicherung ist bereits seit Jahren eines der am meisten diskutierten Themen im Bereich Gesundheitspolitik. Sowohl die SPD als auch B’90/Die Grünen wollten laut Parteiprogramm die solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens mittels dieser Bürgerversicherung. So hatte sich Prof. Dr. Karl Lauterbach bereits 2017 auf dem Radiologentag in Heidelberg dafür ausgesprochen. „Eine Form der Bürgerversicherung wird kommen, ganz klar“, war er sich sicher. „Die PKV wäre sonst in zehn Jahren nicht mehr bezahlbar.“ Seit seiner Rede stiegen die Beiträge bis Mitte 2021 um etwa 14%. Bürgerversicherung sei aber nicht gleich „EBM für alle“, stellte er damals fest. Stattdessen müsste es ein komplett neues Honorarsystem geben, welches im besten Fall von unabhängigen Experten entwickelt wird. Jetzt, vier Jahre später, hatte sich die Einstellung der SPD zur Bürgerversicherung zunächst nicht geändert. Doch Lauterbach sagte dem Tagesspiegel am 1.10.2021, dass diese wohl kein ausschlaggebendes Kriterium in den Koalitionsverhandlungen ist: „Im Gesundheitsbereich sollte man jetzt nicht sagen, dass es eine Bürgerversicherung geben muss. Und auch nicht darauf beharren, dass es ein kapitalgedecktes System gibt. Man sollte abwarten, ob wir uns verständigen, etwas zusammen wagen zu wollen.“ Damit geht er insbesondere auf die FDP einen Schritt zu, da diese am dualen System festhalten will.
Weiterhin sieht das vorliegende Sondierungspapier der möglichen Koalitionäre vor, sektorenübergreifende Kooperationen und die Vernetzung zwischen verschiedenen Gesundheitseinrichtungen zu fördern. Dies ist eine Gemeinsamkeit aller Parteien, sodass die Einigung darauf nicht überrascht. Die FDP und SPD wollen eine sektorenübergreifende Versorgung mit integrierten Gesundheitszentren für die ambulante und kurzstationäre Gesundheitsversorgung. Die Grünen planen eine vernetzte Versorgung zwischen Ärzten, Krankenhäusern und anderen Beteiligten auf der Ebene der Gesundheitsregionen mit enger Anbindung an die Kommunen.
Im Sondierungspapier sind zum Bereich Pflege eher vage Thesen zu finden. So ist die Rede von „gut ausgebildeten Pflegekräften, guten Arbeitsbedingungen und angemessenen Löhnen“ – was dies genau bedeutet, werden die Koalitionsverhandlungen zeigen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Pflegepersonal mehr Zeit für Patientinnen und Patienten haben sollte. Erreichen wollen sie dies durch Entbürokratisierung, die Nutzung digitaler Potenziale und klare bundeseinheitliche Vorgaben bei der Personalbemessung. Ebenfalls soll mehr qualifiziertes Pflegepersonal aus dem Ausland gewonnen werden. Im Programm der SPD ist die Rede von allgemeinverbindlichen Branchentarifverträgen. Außerdem soll die Belastung der Pflegekräfte vor allem über die Beschaffung von neuem Personal geregelt werden. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt der Pflegekräfte spielt in radiologischen Praxen eine untergeordnete Rolle. Dennoch ist es im hart umkämpften Arbeitsmarkt um nicht-ärztliches Personal wichtig zu wissen, wie sich Löhne und Arbeitsbedingungen in dieser Branche entwickeln.
Kritik zum Bereich der Gesundheitspolitik im Sondierungspapier kam u.a. auch von den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOKen). So fehlte es ihnen an wichtigen Punkten, wie der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Pflege sowie die Reform der Krankenhausstrukturen. „Die Gesundheitspolitik muss bei den Koalitionsverhandlungen eine Hauptrolle spielen. Überfällige Reformen dürfen nicht wieder aufgeschoben werden oder zur bloßen Verhandlungsmasse abgewertet werden“, mahnte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes in einer Pressemitteilung.
Auch der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Klaus Reinhardt fordert, dass die Gesundheitspolitik eines der zentralen Handlungsfelder einer neuen Bundesregierung sein muss. Die BÄK veröffentlichte am 19. Oktober ein 12-Punkte-Papier mit Kernforderungen für besonders dringliche gesetzgeberische Maßnahmen, unter anderem:
- Förderung ärztlichen Nachwuchses in Klinik und Niederlassung durch z.B. Weiterbildungsstellen, Erleichterung der Anstellung von Ärzten in Praxen
- Begrenzung des Einflusses von Fremdkapitalgebern auf die medizinische Versorgung
- Sofortige Umsetzung der GOÄ-Reform
- Echte Mitbestimmung der Ärzteschaft im Gemeinsamen Bundesausschuss
(Das komplette 12-Punkte-Papier der BÄK zum Download)
Fazit
Zum Redaktionsschluss dieser CuraCompact-Ausgabe starteten die Koalitionsverhandlungen. Wie lange diese sich hinziehen und ob es am Ende zu einer „Ampel-Koalition“ kommen wird, ist offen. Fest zu stehen scheint, dass die von SPD und B´90/Die Grünen viel beschworene Bürgerversicherung vom Tisch ist, falls es zum geplanten Dreier-Bündnis kommen wird. Das wäre eine gute Nachricht für die niedergelassene Radiologie. Doch auch viele andere Entwicklungen, wie zum Beispiel sektorenübergreifende Versorgung und GOÄ-Reform werden in den kommenden Jahren weiter für Veränderungen und Herausforderungen sorgen.
Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag: Herausforderungen für die niedergelassene Radiologie nach der Wahl – Ein Gespräch mit Jürgen Witt






