Gesellschafter-Workshop zur Praxisstrategie
Aus mehreren Beratungsfällen im Radiologienetz erwuchs der Wunsch nach einem moderierten Strategieworkshop für die Gesellschafter von Mitgliedspraxen. Der folgende Artikel soll das Vorgehen beschreiben, Hilfen zu dessen effektiver Durchführung an die Hand geben und damit zu einem solchen, aus unserer Sicht aktuellen und wichtigen Workshop anregen. Und dies unabhängig davon, ob die Gesellschafter das unter sich abhalten oder Moderationsunterstützung von Curagita wünschen.
Was verstehen wir unter einem Strategie-Workshop in der Radiologiepraxis?
In einem Strategieworkshop – z.B. im Rahmen einer außerordentlichen Gesellschaftersitzung vorzugsweise außerhalb der Praxis – tauschen sich die Gesellschafter-Entscheider einer Praxis über ggfs. veränderte Umfeld- und Marktbedingungen und über die individuelle und dann gemeinsame Zukunft in den nächsten 3-5-Jahren aus. Ein Workshop kann dabei je nach Wunsch der Gesellschafter eine Abendveranstaltung, eine Serie von Veranstaltungen oder auch ein Wochenende umfassen. Anhand des Workshops erarbeiten die Gesellschafter eine gemeinsame Strategie für die Praxis samt
- Entnahme-,
- Investitions-,
- Exit- und
- Nachfolgeszenarien jedes Gesellschafters,
die später zusammen mit einer Finanzprojektion in einem schriftlichen Praxisgeschäftsplan festgehalten werden können.
Der Workshop ist zugleich Anlass für eine Standortbestimmung zur Praxispositionierung und -bewertung, zur Einstellung von Mitarbeitern und ggfs. der Suche nach Nachfolgern oder Käufern für den Verkauf von Praxisanteilen. Damit hängen auch die Fragen nach einer Umgründung in ein MVZ oder nach Maßnahmen zu einer Wertsteigerung der Praxis zusammen.
Am Ende wird ein konkreter Maßnahmenplan verabschiedet, um die Praxis auf die erwartete Zukunft vorzubereiten.
Warum ist ein Strategie-Workshop für Praxisgesellschafter sinnvoll?
Infolge der aktuellen Veränderung vieler Umfeldbedingungen (u.a. Strom/Energie, Helium, Personal-knappheit, Inflation, Zinssteigerungen, GOÄ) und der dynamischen Konsolidierung in der Radiologie-branche erscheint eine Standortbestimmung unter den Gesellschaftern derzeit besonders wichtig für die weitere Praxisentwicklung. Dazu gehört auch die Information und Diskussion über Vor- und Nachteile eines Verkaufs der Praxis durch die Gesellschafter (sowie ggfs. einer vorbereitenden MVZ-Gründung) - selbst wenn dieser nicht intendiert wird. In Zeiten knapper und einen professionellen Geschäftsplan erwartender Radiologenunternehmer gilt es, die Praxis gewissenhaft auf Nachfolge oder Verkauf vorzubereiten oder alternative Ausstiegsmodelle zu entwickeln. Resultat des Workshops ist ein Praxisgeschäftsplan, der Orientierung unter den Gesellschaftern gibt, der als Vorgabe für das Praxismanagement und leitende Angestellte dient und nach vorheriger individueller Anpassung Kooperationspartnern, Banken, Investoren oder Nachfolge-Kandidaten wertvolle Einblicke gewähren kann.
Wie verläuft ein Strategieworkshop?
Zunächst ist zu klären, ob ein externer Moderator gewünscht wird oder ob der Workshop unter den Gesellschaftern stattfindet. Ein externer Moderator nimmt typischerweise die Rollen eines externen Sitzungsleiters, eines Mediators zur Interessenvermittlung, eines inhaltlich wie methodisch fachkundigen Beraters und des Verfassers des zusammenfassenden Geschäfts- und Finanzplans ein. Ein interner Moderator könnte auch der Praxismanager sein.
Weiterhin sind Ziele, Zeit, Dauer (mind. jeweils 2 Stunden), Häufigkeit, Ort und Format des oder der Workshops zuvor unter den Gesellschaftern zu konsentieren und die Themen selbst vorzubereiten oder durch das Praxismanagement bzw. Berater vorbereiten zu lassen (z.B. vorherige Zuweiseranalyse, Finanzzahlen).
Inhaltlich umfasst ein erster Strategieworkshop üblicherweise folgende, vorbereitete und auf Engpässe fokussierte Themen (Musteragenda):
a) Einverständnis mit Zielen, Resultat, Teilnehmerkreis und Meetingformat bzw. Häufigkeit und Agenda, ggfs. auch mit Rolle des (externen) Moderators
b) Kursorische Klärung der Ausgangssituation der Praxis
c) Zukünftige Erwartungen jedes Gesellschafters und Planung in Bezug auf
Praxisentwicklung und -kultur,
Entnahmen und Investitionen,
Arbeitszeit,
radiologische bzw. administrative Verantwortung,
weiterer Einstieg durch Zukauf der Anteile Anderer, Ausstieg, Nachfolger
d) Konsentierung von Praxiszielen und einer Grobstrategie, sofern als notwendig erachtet und zumindest Vereinbarung eines Wegs, um diese zu entwickeln
e) Organisatorische Umsetzung unter den Gesellschaftern und mit Praxismanagement insb. zum weiteren Verlauf
f) Abstimmung und Verabschiedung unter den Gesellschaftern und Festlegung des Controlling- bzw. Update-Rhythmus und -formats
Ein erster Workshop ist eher ein Screening und zeigt offene oder strittige Punkte auf und ob bzw. in welchem Format die Gesellschafter miteinander reden wollen, um diese Punkte gemeinsam zu lösen. Sollte dies der Fall sein und die Gesellschafter vom Nutzen eines Praxisgeschäftsplans überzeugt sein, können sie weitere Workshops (oder einen Wochenend-Workshop) abhalten mit folgenden erweiterten und jeweils vorbereiteten Inhalten (Musteragenda):
a) Einverständnis mit Zielen, Resultat, Teilnehmerkreis und Meetingformat bzw. Agenda, ggfs. auch mit Rolle des (externen) Moderators
b) Klärung der Ausgangssituation der Praxis
- Leistungsspektrum: Angebot und Nachfrage, Unter-/Überversorgung, Budget-ausschöpfung, Standorte, Subspezialitäten, Kernkompetenzen
- Zuweiser- und Patienten-Markt und (zukünftige) Vergütung/Honorar (GOÄ?), gesundheitspolitische und ökonomische Einflüsse (ggfs. Patienten- und Zuweiserbefragung)
- Wettbewerb durch KH, Zuweiser, Teilgebietsradiologen, andere Radiologen, Ketten (Landkarte) und deren Strategien
- Technologieentwicklung: Hardware, Software, KI
- Praxis-Selbstanalyse: Wo kommen wir her? Wer sind wir? Wofür stehen wir? Was macht uns anders, besonders? Vision, Leitbild, Kultur, Stärken und Schwächen; Durchgehen aller radiologischen und peripheren Praxisabteilungen, Standorte
c) Zukünftige Erwartungen jedes Gesellschafters und Planung in Bezug auf
- Praxisentwicklung und -kultur,
- Entnahmen und Investitionen,
- Arbeitszeit,
- radiologische bzw. administrative Verantwortung,
- weiterer Einstieg durch Zukauf der Anteile Anderer, Ausstieg, Nachfolger
d) Praxisziele und Strategieoptionen
- Ziele an und für die Praxis in einer Hierarchie aus Sicht der Gesellschafter
- Strategieentwicklung durch alle Bereiche
2.1 Optimierung Leistungsspektrum, z.B. radiologisches Angebot, Screening, Nuk, Subspezialisierung, Analyse Kostenstellen/-träger 2.2 Individuelle Exit Optionen übereinandergelegt und in der 5 Jahres-betrachtung, z.B. Verkauf der Praxis (Art, Verfahren, Ausschreibung?), MVZ-Gründung oder Suche, Aufbau und Bindung von Nachfolgern, Fusionen - Finanzielle Bewertung und Evaluation von Strategieoptionen und Formulierung der Ziele, Strategien und Maßnahmen
2.3 In- und externes Wachstum, u.a. Praxismarketing, Investition, Kauf, Fusion, KH-Kooperation, Zuweiser- bzw. Teilgebietsradiologen-Kooperation
2.4 Prozesse und Ressourcen, insb. Durchgehen aller radiologischen und peripheren Bereiche auf Engpässe und Störfaktoren, Investitionsplan Geräte/IT, Personalsuche, Personaleinsatz- und Dienstplan zur Budgetoptimierung, Mitarbeiter-Entwicklung, Mitarbeiter-Befragung
2.5 Organisation, z.B. Struktur- und Prozessorganisation der Gesellschafter und aller Bereiche/Ebenen
e) Organisatorische Umsetzung
- Gremien und Leitungsstruktur mit Spezialisierung unter den Gesellschaftern
- Organisation der Leistungsbereiche und der Administration
- Prozessorganisation, z.B. regelmäßige Sitzungen mit fester Agenda und definierten, vorbereiteten Management-Cockpit-Informationen, balanced scorecard
f) Erstellung eines 5-Jahres-Finanzplans
- mit Sensitivitäten und Szenarien, Simulationen (z.B. GOÄ-Effekt auf die Entnahmen)
- Entnahme und Investitions- sowie Finanzierungsplan
- Praxisbewertung aus der Sicht des Nachfolgers und des Investors
g) Abstimmung und Verabschiedung unter den Gesellschaftern und Festlegung des Controlling- bzw. Update-Rhythmus und -formats
h) Maßnahmenplan: Wer macht was bis wann mit welchem Budget?
Mehr zum Thema in dem allen Mitgliedern des Radiologienetz 2015 zugesandten Arbeitspapier „Handbuch zur Führung von Radiologiepraxen, herausgegeben von Curagita (Schmidt-Tophoff), Selbstverlag, Heidelberg 14.11.2015. Sollten Sie das Arbeitspapier nicht mehr oder noch nicht haben, sprechen Sie uns bitte an.
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